Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Robert und Clemens Tönnies


Zerrüttete Verhältnisse


E


s ist kein schönes Geschäft,
das die Schlachter beim
Fleischkonzern Tönnies ver-
richten. Knapp 21 Millionen Schwei-
ne wurden bei Deutschlands größ-
tem Schlachtunternehmen im ost-
westfälischen Rheda-Wiedenbrück
im vergangenen Jahr zerlegt. Finan-
ziell steht das Familienunternehmen
auf der anderen Seite mit einem Um-
satz von 6,7 Milliarden Euro gut da.
Und nun das: Robert Tönnies, 41,
klagt vor einem Schiedsgericht gegen
seinen Onkel Clemens und dessen
Sohn Max. Der Streitwert beläuft sich
auf 600 Millionen Euro. Es geht dem
Sohn des Firmengründers Bernd Tön-
nies darum, festzustellen, dass das
Verhältnis zu seinem Onkel Clemens,
dem gemeinsam mit seinem Sohn
Max ebenfalls 50 Prozent an dem Un-
ternehmen gehören, zerrüttet sei. Die-
ses hätte weitreichende Folgen: Denn
diese Zerrüttung löse einen Mechanis-
mus aus, der einen geregelten und of-
fenen Verkaufsprozess in Gang setzen
solle.
„Bei der Einigung haben wir für den
Fall, dass es zwischen meinem Onkel
und mir nicht funktioniert, einen Me-
chanismus der Trennung vereinbart.
Von dieser Vertragsklausel möchte
mein Onkel nun nichts mehr wissen“,
lässt sich Robert Tönnies zitieren. Er
sei der Meinung, man dürfe zerstritte-
ne Familienunternehmen nicht „im
Streit“ lassen.
Nach Einschätzung von Michael
Breyer, Spezialist der auf Familienun-
ternehmen spezialisierten Kanzlei
Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz, ist ei-
ne solche Klausel, die besagt, dass im
Streitfall das Unternehmen in einem
öffentlichen Bieterprozess verkauft
werden solle, bei Familienunterneh-
men „unüblich“. Vielmehr stünden
solche Exit-Klauseln eher in Verträgen
über Joint Ventures oder solchen zwi-
schen Start-ups und Wagniskapitalge-
bern, urteilt der Experte. „Allerdings
könnte das im Einzelfall schon mög-
lich sein, vor allem dann, wenn es ei-
nen konkreten Anlass für eine solche
Klausel gibt“, sagt Breyer, der in den
Fall nicht involviert ist.
Robert führt in seinem Statement
weiter aus, dass beide Seiten im Zuge
der Einigungsverhandlungen auf ei-
nen solchen Trennungsmechanismus

„großen Wert gelegt“ hätten. „Genau-
so wie mein Onkel bin ich natürlich
daran interessiert, das Unternehmen
nach meinen Vorstellungen zu gestal-
ten. Ob ich zum Zuge komme, soll
durch den Trennungsmechanismus in
fairer Art und Weise ermittelt werden.“
Clemens Tönnies sieht das anders:
„Wie auch immer mein Neffe agiert
und was er über Jahre hinweg schon
im Sinn gehabt hat: Mein Sohn Maxi-
milian und ich werden das Unterneh-
men nicht verkaufen“, teilte er schrift-
lich mit. „Wir sind hervorragend aufge-
stellt und sehr erfolgreich. Das ist so,
und das bleibt so.“
Klar ist, dass offenbar auch nach der
zunächst erzielten grundsätzlichen Ei-
nigung in dem wohl heftigsten Streit in
einem deutschen Familienunterneh-
men im April 2017 immer wieder auch
Meinungsverschiedenheiten zwischen
Neffe und Onkel aufgetaucht sind. In

der Klage, die dem Handelsblatt vor-
liegt, werden verschiedene Streitfälle
der vergangenen zwei Jahre beleuch-
tet. Darin geht es um angeblich fehlen-
de Auszahlungen an Robert Tönnies,
unter anderem für seinen erkrankten
Bruder. Weitere Streitpunkte seien die
Beschäftigung von Werkverträglern
und die Umsetzung der Unterneh-
mensgrundsätze zu einer nachhaltige-
ren Unternehmensführung.
Jahrelang hatten sich Robert und
Clemens Tönnies in vielen verschiede-
nen Verfahren gestritten. Ausgangs-
punkt der Auseinandersetzungen war,
dass Robert Tönnies seinem Onkel vor
mehreren Jahren zehn Prozent der Fir-
menanteile geschenkt hatte. Damals
sollte das die Aufbauleistung von Cle-
mens Tönnies würdigen, der die Grup-
pe mit seinem verstorbenen Bruder zu
einem Milliardenkonzern gemacht hat-
te. Später warf Robert Tönnies seinem

Onkel vor, hinter seinem Rücken pri-
vate Beteiligungen eingegangen zu
sein. Zudem habe der Onkel die ju-
gendliche Unerfahrenheit des Erben
ausgenutzt, um Unterschriften unter
weitreichende Befugnisse zu bekom-
men. Robert Tönnies hatte daher die
die Schenkung zurückgefordert.
Die Situation schien verfahren. Um-
so überraschter war die Öffentlichkeit,
als im Frühjahr vor zwei Jahren beide
Parteien eine außergerichtliche Eini-
gung verkündeten.
In der vergangenen Woche, kurz vor
der aktuellen Klage, hatte Robert Tön-
nies bereits eine einstweilige Verfü-
gung wieder zurückgezogen. Dabei
ging es um den Kauf der deutschen Fa-
briken des Wurstherstellers Zimbo.
Laut Einigungsvereinbarung von 2017
müsste der siebenköpfige Beirat, der
mit Reinhold Festge als Vorsitzendem
und zwei weiteren neutralen Mitglie-
dern besetzt ist und in dem jeweils die
Gesellschafter mit zwei Mitgliedern
vertreten sind, bei Pattsituationen ent-
scheiden. Jede Investition, die höher
als zehn Millionen Euro ist, muss er
absegnen. Beim Kauf der Wurstfabri-
ken seien die paritätisch besetzte Hol-
ding-Geschäftsführung und der Beirat
der Meinung gewesen, dass das nicht
zustimmungspflichtig ist. Robert Tön-
nies sei anderer Meinung gewesen, be-
richtet eine Clemens Tönnies naheste-
hende Person.
Der von Robert Tönnies selbst in die
Geschäftsführung entsandte Andres
Ruff wurde von Robert Tönnies inzwi-
schen abberufen. Ruff habe sich nicht
ausreichend um die Nachhaltigkeit im
Unternehmen bemüht, heißt es aus
dem Umfeld von Robert Tönnies. Krei-
se um Clemens lassen verlauten, dass
Ruff das Vertrauen des Unternehmers
und des Beirats genieße. Nun wird der
Beirat am kommenden Donnerstag er-
neut tagen und auf Roberts Wunsch
hin über den Kauf befinden. Er ist al-
lerdings bereits kartellrechtlich geneh-
migt. Anja Müller

Matthias Nebus


Vom Barmixer zum Luxusunternehmer


V


iele Einzelhändler leiden un-
ter dem Frequenzverlust in
ihren Läden und der wach-
senden Konkurrenz im Internet.
Nicht so der Berliner Luxusschuh-
händler Budapester. Der nimmt das
Digitalgeschäft selbst in die Hand.
„Wir haben den Umsatz mit unserem
Onlineshop in den vergangenen Jah-
ren verdoppelt“, sagte Matthias Ne-
bus, Mitgründer des Tochterunter-
nehmens Mybudapester, dem Han-
delsblatt. „Im kommenden Jahr wol-
len wir ihn auf 20 Millionen Euro
noch einmal verdoppeln.“

Das soll noch nicht der Schluss
sein. Jetzt eröffnen die Berliner in Pe-
king ein Büro mit vier Mitarbeitern,
um künftig auf dem asiatischen Mark
zu wachsen. Ende dieses Jahres wol-
len sie mit Mybudapester auch in
China verkaufen. Die Übersetzung
der Webseite in Mandarin sei abge-
schlossen, erklärte Nebus. Er will mit
Partnern und asiatischen Investoren
zusammenarbeiten.
Das ist ein großer Schritt für das
kleine Unternehmen. Aber Nebus
schrecken solche Entscheidungen
nicht. Der 36-Jährige ist erfahren da-
rin, neue Wege zu gehen. So hat er
eine Verwaltungsausbildung abgebro-
chen und lieber in der Gastronomie
gearbeitet, als Barkeeper und dann
als Manager der Bar „Dante“ am Ha-
ckeschen Markt in Berlin. „Das war
für mich eine wirklich fantastische

Zeit“, schwärmt er noch heute. Sein
Lieblingsgetränk: der „Moscow
Mule“.
Doch er wollte selbst das Sagen ha-
ben. So hob er mehrere Internetun-
ternehmen aus der Taufe. Dazu gehö-
ren Firmen wie etwa das Portal Easy-
rabat in Polen, das sich später zur
erfolgreichsten Gutschein-Seite des
Landes entwickelte und das er später
verkaufte.
Schließlich gründete Nebus 2015
die ASLuxury Budapester.com GmbH
in Berlin, gemeinsam mit Andreas
Schläwicke und Tomasz Rotecki. Ge-
schäftspartner Schläwicke kommt
aus dem Schuhgeschäft. Er über-
nahm vor 25 Jahren das traditionsrei-
che Schuhhaus Budapester in Berlin
und baute es später zu einem Mehr-
marken-Laden für Luxusmarken aus.
Heute gibt es zwei Flagship-Bou-

tiquen an feinen Adressen in Ham-
burg und Berlin sowie eben seit 2015
den Onlineshop.
Der wächst kräftig und „steuert
dieses Jahr erstmals auf eine gute
schwarze Null zu“, wie Nebus verrät.
Vor zwei Jahren hat er die Online-
Boutique zu einer Plattform erwei-
tert. Seitdem verkaufen zusätzlich 13
Luxushändler ihre Ware über Mybu-
dapester in eigenen Webshops. Im
Internetgeschäft konkurriert Mybu-
dapester mit Branchengrößen wie
Mytheresa.com und Net-a-por-
ter.com.
„Aber der Schwerpunkt liegt bei
uns nicht auf Bekleidung, sondern
auf Schuhen“, stellt Nebus klar. Hin-
zu kommen noch Taschen und Ac-
cessoires. Damit will er nun auch auf
dem ganz neuen Markt China punk-
ten. Georg Weishaupt

Matthias Nebus:
Deutliche Umsatz-
steigerung im Online-
geschäft.

Wie mein Onkel


bin ich daran


interessiert, das


Unternehmen


nach meinen


Vorstellungen


zu gestalten.


Robert Tönnies
Mitgesellschafter
Tönnies-Gruppe

privat


Maximilian, Clemens und Robert
Tönnies (v.l.): Trotz der vor zwei
Jahren getroffenen Einigung zwi-
schen Clemens und seinem Neffen
Robert gibt es erneut Streit.

dpa

Onkel und Neffe streiten wieder. Robert Tönnies fordert jetzt die


Einleitung eines Verkaufsprozesses, der vor zwei Jahren in der Einigung


festgeschrieben worden sei. Am Donnerstag tagt erneut der Beirat.


Der Berliner Unternehmer


expandiert mit der


Schuhplattform


Mybudapester nach Asien


und will so kräftig wachsen.


Familienunternehmen des Tages
1

MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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