Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Cardi B: Gemeinsames Video mit dem
Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders.


Backgrid UK/ Bestimage

Cardi B


Wahlkämpferin


aus der Bronx


WASHINGTON


Die 26-jährige Rappe-


rin und der fast drei-


mal so alte Präsident-


schaftskandidat sind


ein ungleiches Duo.


Trotzdem haben sich


Cardi B und Bernie


Sanders für ihre erste


Videoproduktion zu-


sammengetan. In ei-


nem Nagelstudio in


Detroit plauderten sie


über „Studienschul-


den, Klimawandel und


Mindestlöhne“. Da-


raus soll ein Kampa-


gnenfilm entstehen.


Sanders ist unter Jung-


wählern beliebt, doch


mehr Glaubwürdigkeit


in der sozialen Bezugs-


gruppe kann nicht


schaden – und davon


bringt Cardi B, die als


einzige Frau je einen


Grammy für das beste


Rap-Album gewann,
einiges mit. Aufge-
wachsen in der New
Yorker Bronx war sie
als Teenager Gang-Mit-
glied und als junge
Frau Stripperin. Vor
ihren 50 Millionen Ins-
tagram-Fans preist
Cardi B, mit bürgerli-
chem Namen Belcalis
Marlenis Almánzar,
Sanders als einzig au-
thentischen Gerechtig-
keitskämpfer. Politisch
meldet sie sich öfter
zu Wort, zuletzt nach
Trumps Attacken ge-
gen Abgeordnete mit
dunkler Hautfarbe.
Sanders, der 2016 die
Nominierung der De-
mokraten gegen Hilla-
ry Clinton verlor, will
2020 gegen Donald
Trump antreten.
Annett Meiritz

Axel Höpner München


E


in typischer Däne sei Jim
Hagemann Snabe, sagen
bei Siemens jene, die viel
mit ihm zu tun haben.
Freundlich, bescheiden, zu-
rückhaltend sei ihr Aufsichtsratschef.
„Er führt mit ruhiger Hand“, sagt ein
Mitarbeiter.
Tritt Snabe gemeinsam mit Vor-
standschef Joe Kaeser auf, dann lässt er
diesem den Vortritt. Der Aufsichtsrats-
chef, bei Weitem nicht so hochgewach-
sen wie sein Vorgänger Gerhard Crom-
me, tritt gern einen Schritt zurück und
beobachtet freundlich lächelnd die Sze-
nerie. Snabe, der einstige SAP-Chef,
setzt sich nicht gerne öffentlich in Sze-
ne; er hört lieber zu.
Doch sollte man, auch da sind sie sich
bei Siemens einig, Snabe nicht unter-
schätzen. „Er hat einen glasklaren
Plan“, sagt einer, der mit ihm zusam-
menarbeitet. Das dürfte auch die Auf-
sichtsratssitzung an diesem Mittwoch
zeigen, auf der wohl der Vertrag mit
Vorstand Cedrik Neike verlängert wird,
während sich die Wege von Personal-
chefin Janina Kugel und Siemens spätes-
tens im Januar trennen werden.
Als Snabe Anfang 2018 den Aufsichts-
ratsvorsitz übernahm, galt er einerseits
als Idealbesetzung. Digitalexpertise ist
bei Siemens gefragt, auch Kaeser
wünschte sich den Dänen als Chefkon-
trolleur. Doch andererseits hielten eini-
ge Snabe eher für eine Art Platzhalter.
Kaesers CEO-Vertrag läuft bis Januar
20 21, erfüllt er diesen, könnte er nach
der obligatorischen zweijährigen Ab-
kühlphase 2023 den Aufsichtsratsvor-
sitz übernehmen. Snabes erste Amtszeit
läuft da aus.

Verlängert Kaeser?


Doch solcherlei Gedankenspiele verlie-
ren mittlerweile ihren Reiz. „Er hat Ge-
fallen an dem Job gefunden“, sagt ein
Insider. Solange er glaube, Siemens die-
nen zu können, werde Snabe den Job
ausfüllen. Der Däne ist also, sind viele
überzeugt, gekommen, um zu bleiben.
Und den umtriebigen Kaeser können
sich viele ohnehin nicht untätig im Ab-
kühlbecken vorstellen. Es sei gut mög-
lich, dass er noch einmal um zwei Jah-
re verlängert, meint ein Insider. Be-
gründen könne er dies mit dem
unsicheren konjunkturellen Umfeld
und mit dem noch immer nicht vollen-
deten Umbau.
Ohnehin wäre es falsch zu glauben,
zwischen Snabe und Kaeser könnte sich
angesichts der offenen Führungsfragen
eine Rivalität zusammenbrauen. Mit sei-
nen 53 Jahren ist Snabe neun Jahre jün-
ger als der Vorstandschef. Viele gehen
davon aus, dass die beiden längst in
Eintracht einen Masterplan entwickelt
haben. Hinzu kommt, dass sich ihre ge-
gensätzlichen Charaktere gut ergänzen.
Ein Prinzip, das schon bei SAP funktio-
nierte. Dort harmonierte der Betriebs-
wirtschaftler Snabe als Co-Chef bestens
mit dem extrovertierteren Bill McDer-
mott. Vor allem aber ticken Snabe und

Kaeser strategisch ähnlich. Snabe gefal-
le, wie konsequent Kaeser den Umbau
angehe, obwohl der Handlungsdruck
bei Gewinnen von sechs Milliarden Eu-
ro gering sei, heißt es im Umfeld.
Das entspricht der Philosophie, die
Snabe in seinem Buch „Dreams and De-
tails“ festgehalten hat. Darin erläutert
er, wie Firmen in der digitalen Zukunft
bestehen können. „Die SAP ist an der
Spitze der Softwareindustrie und eines
der wenigen weltweit führenden Unter-
nehmen mit Hauptsitz in Europa, weil
sie die Fähigkeit hat, sich aus einer Posi-
tion der Stärke heraus neu zu erfinden“,
schrieb Snabe. Die meisten Unterneh-
men warteten, „bis die Katastrophe
über sie hereinbricht“.
Wie immer das Großexperiment aus-
gehen wird, erfindet Kaeser Siemens
derzeit zweifelsohne neu. Er hat den
einst trägen Mischkonzern in eine ope-
rative Holding verwandelt. Viele Ge-
schäfte wurden verselbstständigt, 2020
soll die Energiesparte abgespalten wer-
den. Siemens verabschiedet sich damit
immerhin von 40 Prozent des Umsatzes
und den eigenen Wurzeln. Übrig bleibt
eine Digital-Company, deren Betriebs-

system Mindsphere eng verknüpft ist
mit realer Produktion und Maschinen,
ein Thema, das Snabe schon bei SAP
umtrieb.
Bislang schlägt sich der radikale Um-
bau Kaesers – an der Börse und bei den
Margen – allenfalls begrenzt nieder.
Manche im Konzern sind skeptisch ge-
worden, ob die Risiken nicht überwie-
gen. Doch Snabe, der Betriebs- und Fi-
nanzwissenschaften studiert hat und
1990 bei SAP anfing, steht hinter Kae-
sers Kurs. Er ist wie dieser überzeugt,
dass Spezialisten schneller und präziser
auf den immer schnelleren Wandel rea-
gieren können. Und so bringt er sich
hinter verschlossenen Türen intensiv in
die Diskussionen ein. „Er sieht sich eher
als Berater denn als Aufseher“, sagt ei-
ner aus dem Umfeld.
Ob er nun längerfristig den Siemens-
Aufsichtsrat führen will oder ganz ande-
re Pläne hat? Für Snabe ist das vermut-
lich aktuell kein Thema. Die Welt ändert
sich zu schnell für Fünfjahrespläne und
in Stein gemeißelte Strategiekonzepte,
davon ist der Däne überzeugt: „Ich gehe
davon aus, dass wir die Zukunft nicht
planen können.“

Jim Hagemann Snabe


Der leise Däne


Mit Bescheidenheit und Effizienz führt er den Siemens-Aufsichtsrat.


Manche glauben nicht mehr, dass Konzernchef Kaeser ihn 2023 ablöst.


Siemens-Chef-
aufseher Snabe:
Gekommen, um
zu bleiben.

Hindustan Times/Getty Images

Bernd Lucke


AfD-Gründer kehrt


zurück zur Uni


HAMBURG Nach dem


Scheitern seiner Wie-


derwahl ins Europa-


parlament kehrt der


AfD-Gründer und


Wirtschaftswissen-


schaftler Bernd Lucke


an die Universität


Hamburg zurück. Der


56-Jährige werde zum


Wintersemester wie-


der im Lehrbetrieb ar-


beiten, sagte eine


Sprecherin.


Der Euro-Kritiker war


2013 maßgeblich an


der Gründung der AfD


beteiligt und einer ih-


rer ersten Bundesspre-


cher. 2014 hatte er


sich von der Uni Ham-


burg beurlauben las-


sen, um als Berufspoli-


tiker für die AfD ins


Europaparlament zu
wechseln. 2015 verließ
er die Partei im Streit
über eine stärker na-
tionalkonservative
Ausrichtung und pran-
gerte fremdenfeindli-
che und rechtsextre-
me Tendenzen an.
Seine Versuche, mit
der von ihm gegründe-
ten Allianz für Fort-
schritt und Aufbruch
(Alfa), die sich später
in Liberal-Konservati-
ve Reformer (LKR)
umbenannte, politisch
Fuß zu fassen, schei-
terten. Bei der Euro-
pawahl Ende Mai kam
die LKR mit Spitzen-
kandidat Lucke nur
auf 0,1 Prozent der
Stimmen. HB/dpa

Namen


des Tages


MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


46

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