Nürnberger Zeitung - 31.07.2019

(Greg DeLong) #1
MÜNCHEN — Der Freistaat will eine
Bundesratsinitiative für ein deutsch-
landweites Plastiktütenverbot star-
ten. Das kündigte Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) gestern nach
einer Kabinettssitzung an.
Bayerische Ministerien und Behör-
den sollen mit gutem Beispiel voran-
gehen und auf Tüten, Folien und
sonstiges Einwegplastik verzichten.
Umweltminister Thorsten Glauber
(Freie Wähler) will im Herbst mit
dem Einzelhandel besprechen, wie
sich Plastikmüll reduzieren lässt.
Der Anti-Plastik-Vorstoß ist Teil
eines bayerischen Klimaschutzpro-
gramms, das die Staatsregierung im
Herbst beschließen will. „Es muss
am Ende ein Jahrhundertvertrag
werden“, sagte Söder. Söder will den
Klimaschutz als Staatsaufgabe in die
bayerische Verfassung aufnehmen
lassen.
Den Großteil der einzelnen Maß-
nahmen hatten Söder und seine
Minister in den vergangenen
Wochen verkündet. So sollen die
Bayerischen Staatsforsten – sie sind
mit 800 000 Hektar Fläche der größte
deutsche Forstbetrieb – alljährlich
eine Million mehr Jungbäume pflan-
zen als bisher.
„Unsere Wälder müssen klimafest,
klimaresistent werden“, sagte Agrar-
ministerin Michaela Kaniber (CSU).

Das bezieht sich nicht nur auf die
Zahl der Bäume: Bisher in Bayern
häufig angepflanzte Baumarten wie
Fichten und Buchen leiden unter Tro-
ckenheit, so dass Forstwissenschaft-
ler sich in Südeuropa und anderen
Regionen auf die Suche nach Baumar-
ten machen, die sowohl Wasserman-
gel und Hitze als auch Winterkälte
besser vertragen.
Bei der Energieerzeugung will die
Staatsregierung den weitestgehend
zum Erliegen gekommenen Ausbau
der Windenergie in Bayern wieder
leicht anschieben. Die umstrittene
10H-Regel, derzufolge der Mindestab-
stand eines Windrads zur nächsten
Wohnsiedlung das Zehnfache der

Bauhöhe betragen muss, will Söder
aber nicht abschaffen.
Verkehrsminister Hans Reichhart
(CSU) kündigte an, dass es in den
nächsten zwei Jahren mehr Geld für
den Öffentlichen Personennahver-
kehr geben soll. Die Fördermittel
werden im Vergleich zu 2018 um 94
Millionen Euro aufgestockt. Bei der
Verteilung der Mittel wird laut Minis-
terium auf eine Stärkung der ländli-
chen Regionen gesetzt. Augsburg,
München, Regensburg, Würzburg
und die Städteachse Nürnberg-Erlan-
gen-Fürth erhalten ein Drittel der Mit-
tel. Rund zwei Drittel, etwas mehr als
60 Millionen Euro, entfallen auf die
Fläche. dpa/NZ

Von Herbert Heinzelmann


LAUF — Ganz großes Kino! Wenn wir
diese Floskel benutzen, dann verwei-
sen wir auf Erlebnisse, die weit
über das Alltägliche hinausragen.
Unglaubliche Geschichten, aufge-
peitschte Emotionen, überwältigen-
de Eindrücke.
Und doch sind 2018 in Deutsch-
land weniger Menschen in die Kinos
gegangen als je zuvor seit der Erfin-
dung des Lichtspiels. Es sieht so aus,
als sei das Kino vor allem Erinnerung
an ein einst mächtiges Medium.
Als Orte unserer kulturellen Erin-
nerungen haben wir Museen gebaut.
In Lauf an der Pegnitz (Kreis Nürnber-
ger Land) – und das wissen viel zu
wenig Menschen – gibt es ein wun-
derbares Industriemuseum. Dort ist
bis zum 5. Januar 2020 eine Ausstel-
lung mit dem Titel „Großes Kino“ zu
sehen. Denn das Kino ist selbstver-
ständlich ein Produkt des industriel-
len Zeitalters. Damit es die Zuschau-
er ergreifen konnten, waren Maschi-
nen und Apparate erforderlich. In
Lauf zeigt man, wie diese Apparate
unsere Sinne beeinflussen konnten
und wie sie sich veränderten, um das
Publikum bei der Stange zu halten.
Da sind etwa sechs große Projekto-
ren aufgestellt, die den Film erst zum
Laufen brachten. Sie transportierten
einen mit Fotos belichteten Zelluloid-
streifen an einer Lichtquelle und
einer Linse vorbei. Der Lichtstrahl
warf die Bilder vergrößert auf die
Kinoleinwand und erzählte die
Geschichten.
„Ich habe mich zuallererst für die
Technik interessiert“, erzählt Her-
mann Barth (74), einer der Haupt-
Leihgeber für die Ausstellungs-Objek-
te in Lauf. Hermann Barth ist Film-
vorführer. Und er ist Sammler. Alles,
was mit dem Kino zu tun hat – jeden-
falls mit dem alten, analogen Kino –
zieht ihn magnetisch an. Das ging
schon in der Jugend los. Bereits als
Schüler hat er im „Astoria“ ausgehol-
fen. Das lag seit 1951 gegenüber dem
Nürnberger Volksbad.
So hat man damals das Vorführen
gelernt: durch Aushilfe. Wie man die
Rollen mit den Filmstreifen den cha-
rakteristisch flachen Kartons ent-
nimmt; wie man sie in den Projektor
einspannt; wie man die Rollen nach
etwa 15 Minuten Laufzeit wechselt;


wie man sie zurückspult. Das war das
Handwerk des Filmvorführers. Rich-
tig dazu ausgebildet wurde Hermann
Barth später im „Diana“ am Nürnber-
ger Dianaplatz.
Technisch tat sich seit 1953 viel im
Kino-Gewerbe. Damals war Cinemas-
cope entwickelt worden, ein Verfah-
ren, das durch den Einsatz spezieller
Linsen in Kamera und Projektor
größere Bilder auf der Leinwand
ermöglichte. Mit dieser neuen Bild-
macht wollte die Film-Branche die
Zuschauer von den noch bescheide-
nen Fernsehschirmen weglocken.
Das Format eignete sich besonders
für monumentale Geschichten. Und
so handelte der erste Cinemascope-
Film mit dem Titel „Das Gewand“
von alten Römern und der Passion
Christi. Hermann Barth hat das Origi-
nal-Plakat zu „Das Gewand“ als Leih-
gabe in die Laufer Ausstellung gege-
ben.

Dort wird auch gezeigt, wie Cine-
mascope funktioniert. Und weitere
Filmformate zum Zweck der Zuschau-
er-Überwältigung werden dokumen-
tiert: Cinerama, Todd-AO, 70mm. Die
Leinwände wurden immer größer.
Und das Tonverfahren wurde immer
raffinierter. Bald war das Publikum
von Raumtönen umgeben.
In den Museumsräumen ist ein
kleiner Kinosaal aufgebaut; die
Bestuhlung stammt aus einem Thea-
ter vom fränkischen Land. Der Vor-
führraum ist eine Rekonstruktion
nach einem historischen Vorbild. In
Katzwang, bis 1972 eine eigenständi-
ge Gemeinde, öffnete 1951 die „Film-
bühne Katzwang“ ihre Türen. 1971
fand die letzte Vorstellung statt. Der
Vorführraum überlebte die Nutzung
der Räume als Diskothek und ist jetzt
in Lauf nachempfunden worden. Die
beiden Projektoren, die dort zu man-
chen Sondervorführungen rattern,

sind ebenfalls Exponate aus Sammel-
leidenschaft.
Viele Objekte verleihen der Ausstel-
lung ihre bunten Farben. Denn Her-
mann Barth hat schon früh nach Pla-
katen und Programmheften gesucht.
Einen besonderen Glückstag erlebte
er, als ihm die Verleihfirma United
Artists 150 Trailer von Blockbustern
ausHollywoodüberließ.„Darunter
waren Titel von großartigen Filmen
wie ,Alamo‘, ,Der letzte Befehl‘ oder

,Salomo und die Königin von Saba‘.
Ich bin vor Freude in die Luft
gesprungen.“
Dank solcher Leihgaben ist die
Ausstellung in Lauf wirklich gelun-
gen. Dort steht ja kein ausgesproche-
nes Filmmuseum wie in Frankfurt,
Potsdam oder Düsseldorf. Und trotz-
dem kann dort der Besucher die wich-
tigsten Stationen der Filmgeschichte
anhand kleiner Inszenierungen
abschreiten – vom Stummfilm bis
zum Kino in der Dritten Dimension.
Hermann Barth führt in der Schau
manchmal Filme vor (das Programm
kann man auf der Homepage des
Museums nachschlagen), auch in
einem kleinen nachgebauten Wirts-
hauskino. Denn auf die Dörfer kam
der Film früher mit Wander-Projekto-
ren, die im Tanzsaal aufgestellt
wurden. Dann tut Barth sein Aller-
liebstes: Er legt Zelluloidstreifen ins
Greifersystem eines Filmprojektors –
und die laufenden Bilder setzen
„großes Kino“ in den Köpfen der
Zuschauer frei.

mDie Ausstellung ist bis zum


  1. Januar 2020 im Laufer Indus-
    triemuseum (Sichartstraße 5-25,
    Lauf an der Pegnitz) zu sehen.
    Öffnungszeiten: Mi.-So. 11-
    Uhr


Heute sind nur noch wenige Handgriffe nötig, um einen Film zum Laufen zu bringen. Früher war das viel
aufwändiger. Die Filme mussten aus Kartons geholt, eingelegt und später zurückgespult werden.

Foto: Lino Mirgeler, dpa

Das waren noch Preise! Ein Platz
auf dem Parkett kostete zwi-
schen 1,10 und 1,70 DM.

Telefon: 0911/2351-
Fax: 0911/2351-
E-Mail: [email protected]

AfD-Spitze will


Mitglied ausschließen


KULMBACH — In der bayerischen
AfD verschärfen sich die Auseinan-
dersetzungen zwischen den Lagern.
Der Landesvorstand will nach dem
Regensburger Benjamin Nolte ein
zweites Mitglied aus dem Führungs-
gremium ausschließen – den Kulm-
bacher Kreisvorsitzenden Georg
Hock. Der Landesvorstand wirft ihm
vor, gegen einen Parteitagsbeschluss
verstoßen zu haben, obwohl er im
Landesvorstand Funktionsträger ist.
Laut Landesvorstand haben Nolte
und Hock die Abschaffung der
Unvereinbarkeitsliste gefordert.
Das ist eine Aufstellung extremisti-
scher Organisationen, deren Mitglie-
der bei der AfD nicht aufgenommen
werden dürfen.


Bezirkskliniken


erwirtschaften Überschuss


ANSBACH — Der Verwaltungsrat der
Bezirkskliniken Mittelfranken hat
den Jahresabschluss 2018 verab-
schiedet. Die Bezirkskliniken konn-
ten die Erträge um 4,5 Millionen
Euro auf 197 Millionen Euro stei-
gern und weisen für das Wirtschafts-
jahr 2018 einen Überschuss von
3,8 Millionen Euro aus.


Foto: Stefanie Buchner-Freiberger

Ein Meeting im Grünen: Die Minister saßen gestern bei der Kabinetts-
sitzung im Hofgarten zusammen.

TREUCHTLINGEN — Die Pläne für die
verstärkte Förderung von Tiefen-
grundwasser in der Altmühlregion
scheinen endgültig vom Tisch.
Zwar blieben „Unstimmigkeiten“
über die widersprüchlichen Be-
hördenbewertungen; grundsätzlich
akzeptiere die Stadt aber die Entschei-
dung des Landratsamtes Weißenburg-
Gunzenhausen. Auf eine Klage werde
man verzichten, teilte die Stadt
Treuchtlingen gestern mit. Man habe
sich gefragt, ob sich ein länger
hinziehender Rechtsstreit Sinn
gemacht hätte, sagte eine Spreche-
rin.
Im Mineralwasserstreit hatte das
Landratsamt einem Abfüller die
geplante Förderung von Tiefengrund-
wasser untersagt. Die Altmühltaler
Mineralbrunnen GmbH in Treucht-
lingen darf nicht auf zusätzliche Was-
servorkommen in den Tiefen zugrei-
fen. Die Pläne hatten für Proteste bei
der Bevölkerung gesorgt. dpa

Foto: Stefanie Buchner-Freiberger

yzRegion & Bayern


kurz


yotiert


Streit um Wasser


Stadt Treuchtlingen
akzeptiert Entscheidung
des Landratsamts

Bayern plant, sich an den Bundesrat zu wenden, um Gesetz voranzutreiben


Freistaat will Plastiktüten verbieten lassen


Eine Ausstellung im Laufer Industriemuseum beleuchtet die Kino- und Filmgeschichte


Wer Zuschauer wollte, musste immer mehr bieten


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Region und Bayern


Mittwoch, 31. Juli 2019
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