Nürnberger Zeitung - 31.07.2019

(Greg DeLong) #1

NÜRNBERG — Maria Clara Eimmart
hat den Mond gezeichnet. Wie er
abnimmt und zunimmt. Ganz detail-
liert. Auch die Krater, die bei Voll-
mond zu sehen sind. Sie hat Plane-
ten, Kometen und eine Sonnenfins-
ternis beobachtet und gemalt, was
sie sah. Marias Vater leitete die Stern-
warte auf der Nürnberger Burg und
sie war seine Assistentin. Er unter-
richtete die Tochter in Astronomie,
Mathematik, Sprachen und Malerei.
Rund 250 ihrer Mond-Zeichnungen
sind bis heute erhalten, die Eimmart
in den Jahren von 1693 bis 1698 ange-
fertigt hat.


„So eine darf in unserer Ausstel-
lung natürlich nicht fehlen“, sagt
Gaby Franger. Die Sozialwissenschaft-
lerin ist eine der Vorsitzenden des
Nürnberger Vereins „Frauen in der
Einen Welt“ und des Museum Frauen-
kultur Regional-International in
Fürth-Burgfarrnbach. Dort wird ab
Samstag, 9. Mai 2020, eine Schau zu
sehen sein, die Frauen in Naturwis-
senschaften und Technik in Mittel-
franken würdigt. „Dafür suchen wir
nach technisch-versierten Frauen
aus der Vergangenheit und Gegen-
wart, an die bislang noch niemand
gedacht hat.“
Das kann eine selbst entwickelte
Kartoffelschälmaschine der Urgroß-
mutter sein, die es nicht bis zum
Patent geschafft hat, die erste Pilotin
in der Familie oder eine Lehrerin, die
sich besonders dafür einsetzt, dass
Mädchen Mathe und Physik mögen.
Erfinderinnen, Pionierinnen und
Anwenderinnen von Naturwissen-
schaft und Technik. „Wer eine kennt

oder sich an sie erinnert, die unbe-
dingt gewürdigt werden sollte, kann
sich gerne bei uns melden.“
Studierende aus den Fächern Tech-
nikjournalismus und Technik-PR an
der Technischen Hochschule Nürn-
berg und Kommunikationswissen-
schaft an der Universität Bamberg
übernehmen im Wintersemester ab
Oktober die Aufarbeitung für die Aus-
stellung. Sie führen Interviews und
schreiben Porträts, machen Fotos
und drehen Videos, die dann im
Museum zu sehen sind.
„Wir arbeiten immer historisch
und aktuell und wollen Geschichten
anhand konkreter Frauenporträts
erzählen“, erklärt Gudrun Cyprian,
emeritierte Professorin für Soziolo-
gie und Familienforschung an der
Uni Bamberg, die die Ausstellung mit
plant. Auch passende Objekte oder
Fotos, die sie im Museum zeigen kön-
nen, sind willkommen.
Verschiedene Perspektiven sollen
Anreiz zu Diskussionen geben. Oft

besuchen Schulklassen und Gruppen
das Museum, am Wochenende gibt
es Workshops. „Wir brauchen viele
technische Lösungen für die zahlrei-
chen Herausforderungen der

Zukunft“, sagt Franger. „Dazu müs-
sen wir noch mehr Mädchen stärken,
ihre Gedanken, in die Gesellschaft
mit einzubringen.“ Die Frauen in der
Ausstellung können Vorbilder sein.
Es hat sich gezeigt, dass etwa der
Frauenanteil in technischen Studien-
gängen wächst, sobald es um konkre-
tere Anwendungen geht. Medizinin-
formatik studieren mehr Frauen als
reine Informatik.
Das Frauenmuseum in Fürth ist
seit 2003 das erste seiner Art in Bay-
ern und eines von sechs Stück in
Deutschland. Seit 2006 ist es im Mar-
stall des Schlosses Burgfarrnbach
untergebracht. Es hat von Mai bis
Oktober geöffnet und etwa 2000 Besu-
cher im Jahr. Christina Merkel

mWer einen Tipp hat, wendet
sich an den Verein „Frauen in der
Einen Welt“ Postfach 210421 in
90122 Nürnberg. Per E-Mail an
[email protected] oder
=09 11/5 98 07 69.

Telefon: 0911/2351-
Fax: 0911/2351-
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.nordbayern.de/hochschule
Blog: http://www.nz.de/blogs/campus


Von Christina Merkel


ERLANGEN — Vor 30 Jahren
lehrten an der Universität
Erlangen-Nürnberg
429 Professoren – und
13 Professorinnen. Im selben Jahr
hat die Uni erstmals eine
Frauenbeauftragte ernannt. Bei
einem Festakt in der Orangerie
blickte sie nun darauf zurück.


„Der Einzige, der sich an der Fakul-
tät mit Frauen auskennt, ist der Gynä-
kologe.“ Solche Sprüche muss sich
Renate Wittern-Sterzel anhören als
sie 1985 als Professorin für Geschich-
te der Medizin an die Friedrich-Alex-
ander-Universität (FAU) berufen
wird. 1989 ernennt die Uni sie zur ers-
ten Frauenbeauftragten. „Es war oft
frustrierend“, sagt die heute 75-Jähri-
ge. „Wir waren Pionierinnen, wir
mussten alles neu entwickeln.“
Nun feierte die Uni, dass sie seit 30
Jahren eine Frauenbeauftragte hat,
mit einem Festakt in der Erlanger


Orangerie. „Es war ein langer, aber
stetiger Weg, diese Veranstaltung
soll das große Engagement all jener
würdigen, die ihn mitgegangen
sind“, sagt Annette Keilhauer zur
Begrüßung, Professorin für Literatur-
wissenschaft und aktuelle Frauenbe-
auftragte an der FAU. Rund 100 Gäste
sind gekommen, Vertreterinnen und
Vertreter aus allen Teilen der Uni,
aus der Politik und die Gleichstel-
lungsbeauftragten anderer Institutio-
nen.

Eine Professorin gab
es erst ab dem Jahr 1963

„30 Jahre – das ist angesichts der
275-jährigen Geschichte unserer Uni-
versität eine eher kurze Zeitspanne“,
sagt FAU-Präsident Joachim Horneg-
ger. „Eigentlich ist Gleichberechti-
gung heute eine Selbstverständlich-
keit, aber eine über Jahrhunderte
männerdominierte Wissenschaft,
die es Frauen nicht gestattete, zu stu-
dieren, zu promovieren oder gar ein

Professorenamt zu übernehmen,
lässt sich nicht in wenigen Jahrzehn-
ten grundlegend ändern.“
Die erste Professorin an der FAU
ist 1963 Ingeborg Esenwein-Rothe
für Statistik. Bis 1989 folgen nur sie-
ben weitere Frauen. Inzwischen sind
es 112 und 466 Professoren – das ent-
spricht einem Anteil von 19 Prozent.
„Unis waren immer männlich
geprägt, dadurch haben sie viele
gute, begabte Frauen verloren, die
sich nicht wohlgefühlt haben“,
erzählt Wittern-Sterzel.
Sie hat Philologie, Alte Geschichte
und Medizingeschichte studiert.
Während ihrer Dissertation in Kiel
ist sie die einzige Frau am Institut.
Als sie sich Anfang der 70er Jahre in
München als wissenschaftliche Mit-
arbeiterin bewirbt, antwortet der
Lehrstuhlinhaber: „Wieso? Ich bin
doch schon verheiratet!“ Ein anderer
meint: „Habilitieren kann ich Sie ger-
ne, aber einen Lehrstuhl bekommen
Sie nie.“ Als es doch so weit kommt,
gratuliert er widerwillig.

Wittern-Sterzel hat viele solche
Geschichten erlebt. „Dadurch habe
ich gemerkt, dass es wohl nicht nor-
mal ist, was ich hier mache“, sagt sie.
„Für mich hat es sich aber normal
angefühlt.“

„Der zweite Mann an
der FAU ist eine Frau“

Als die FAU sie zur Frauenbeauf-
tragten ernennt, weil das Bayerische
Hochschulgesetz ab 1988 solche Stel-
len vorsieht, sei das für sie kein
Grund zur Euphorie gewesen: „Das
war nur mehr Arbeit, ohne mehr
Gehalt, ohne Budget und ohne
Anrechnung auf mein Lehrdebutat“,
erzählt Wittern-Sterzel. „Viele Kolle-
ginnen, auch an anderen Universitä-
ten, haben sich geweigert, das zu
machen.“
An der Philosophen Fakultät wird
deshalb ein Mann Frauenbeauftrag-
ter. Die Studentinnen protestieren
dagegen. „Die, die gut sind, müssen
immer mehr machen“, sagt Thomas

Schöck, von 1988 bis 2014 Kanzler
der Universität, beim Gespräch in der
Orangerie. „Ja, aber ich wollte auch
mehr Geld dafür haben“, entgegnet
Wittern-Sterzel.
2002 wird sie erste stellvertreten-
de Rektorin der FAU. Die Zeitung
titelt: „Der zweite Mann ist eine
Frau.“ Im Senat begrüßt der Rektor
weiterhin alle mit „meine Herren“.
Die Sprache prägt das Denken.
Die Unileitung ist seitdem immer
mit Frauen und Männern besetzt.
„Das hat viele Entscheidungen besser
gemacht“, sagt Hornegger. Er hat in
diesem Jahr auf 36 Prozent aller zu
besetzenden Stellen Professorinnen
berufen. „Wir müssen alle Nachteile
eliminieren, die durch Geschlechter-
diskriminierung entstehen können,
vom Zugang zu vermeintlich typisch
männlichen oder weiblichen Beru-
fen bis zur Vereinbarkeit von Familie
und Beruf für beide Geschlechter.“
Heute entscheidet die Uni, wer
den Renate-Wittern-Sterzel-Preis für
Gleichstellung 2019 erhält.

Nur knapp jede vierte Professur in Deutschland ist mit einer Frau besetzt. Dabei studieren längst genauso viele Frauen wie Männer.


Foto: obs/BASF SE

Das Gemälde einer Sonnenfinster-
nis von Maria Clara Eimmart.

Foto: Staatsbibliothek zu Berlin

yzWissen


Naturwissenschaftlerinnen und Technikerinnen aus Vergangenheit und Gegenwart


Fürther Frauenmuseum ist auf der Suche nach Vorbildern aus der Region


Seit 30 Jahren hat die Universität Erlangen-Nürnberg eine Frauenbeauftragte


Die Erste musste viele dumme Sprüche ertragen


20


Mittwoch, 31. Juli 2019
Wissen
Free download pdf