Nürnberger Zeitung - 31.07.2019

(Greg DeLong) #1
HAMBURG — Vereinspräsident Oke
Göttlich vom Fußball-Zweitligisten
FC St. Pauli hat Verständnis für den
verbalen Rundumschlag von Jos
Luhukay gezeigt und die Wutrede des
Trainers verteidigt. „Diese Ehrlich-
keit miteinander und vor unseren
Fans ist wichtig, um Verbesserungen
anzustoßen. Das geht nicht immer
mit Nettigkeit, sondern dazu gehö-
ren auch klare Ansagen und offene
Worte“, sagte Göttlich in einem State-
ment, das über Hamburger Medien
verbreitet wurde.
Luhukay hatte kurz vor dem Sai-
sonstart bei Arminia Bielefeld (1:1)
kritisiert, bei St. Pauli herrsche „zu
viel Bequemlichkeit“, es werde „zu
viel in der Komfortzone gearbeitet“
und es gehe zu viel darum, „miteinan-
der befreundet zu sein“, dann polter-
te er: „Die Komfortzone und die
Bequemlichkeit sollte man besser in
die Mülltonne werfen.“
Luhukay ist erst seit April Trainer
bei den Hamburgern, er bildet zusam-
men mit Geschäftsführer Andreas
Bornemann die neue sportliche Füh-
rung des Klubs. „Wir im Verein
haben eine Veränderung auf beiden
Positionen vorgenommen, weil wir
uns eine tiefe Analyse, eine Ambiti-
on und eine Leistungsbereitschaft
wünschen, um in unserem Kernge-

schäft Fußball wieder mehr aus unse-
ren Möglichkeiten zu machen“, sagte
Göttlich: „Aus diesem Grund haben
wir mit- und nicht übereinander
über alle inhaltlichen Defizite gespro-
chen, die wir angehen wollen.“
Auch der frühere Club-Sportvor-
stand Bornemann spielte die Situati-
on herunter, „Inhaltlich war das
nichts, was mich überrascht hätte.
Zu sensibilisieren und wachzurüt-
teln ist vollkommen okay“, sagte er
bei Sky. Die Mannschaft, ebenfalls
von Luhukay kritisiert, reagierte
zurückhaltend auf die harsche Kritik
ihres Trainers. „Das ist die Meinung
des Trainers. Ich habe eine andere
Meinung“, sagte Abwehrspieler Mar-
vin Knoll. Am Freitag empfängt St.
Pauli die SpVgg Greuther Fürth.
Luhukay ist ein Mann der klaren
Worte. Schon in seiner Zeit beim VfB
Stuttgart kritisierte er die Klubphilo-
sophie scharf, nach nur 121 Tagen
trennte man sich wieder. Einen Rück-
tritt schloss er nun aber aus, daran
habe er „keine Sekunde“ gedacht,
betonte Luhukay in Bielefeld. St Pauli
sei „nach wie vor ein fantastischer
Verein. Mein Interesse ist es, die Leis-
tungsfähigkeit und Professionalität
zu steigern“. Er sei „keinen Millime-
ter“ von Bornemann entfernt: „Das
gilt auch für den Präsidenten.“ sid

FÜRTH — Irgendwie konnte er einem
fast leid tun. Da rannte Marco Meyer-
höfer die Linie rauf und runter und
versuchte, das Offensivspiel über die
rechte Außenbahn immer wieder
engagiert anzukurbeln. Bei seinem
Pflichtspieldebüt für die SpVgg Greu-
ther Fürth hätte er sich zweifellos
eine gute Note verdient gehabt. Doch
zwei Szenen machten den Konjunk-
tiv unbedingt nötig.
Beide Gegentreffer beim ärger-
lichen 0:2 gegen Aue fielen über sei-
ne Seite. Vor dem ersten Tor musste
für ihn Kapitän Marco Caligiuri aus
dem Zentrum nach außen rücken
und kam zu spät, um die Flanke noch
zu verhindern. Das späte 0:2 rangier-
te in der Kategorie kurios, weil der
von Meyerhöfer an sich schon geklär-
te Ball doch noch dem Gegner vor die
Füße fiel und die Partie Sekunden
später dann entschieden war. „Da
kam einiges zusammen, das war

schon sehr ärgerlich“, zog der Neuzu-
gang von Waldhof Mannheim ein
zwiespältiges Fazit.
„Er hat aber gut gespielt“, wollte
Trainer Stefan Leitl mit der öffentli-
chen Kritik sparsam umgehen. Leitl
hatte sich ganz bewusst für den offen-
sivstarken Meyerhöfer und gegen
den bisherigen Platzhirschen Maxi-
milian Sauer ausgesprochen, weil er
den Druck auf den Gegner hochhal-
ten wollte. Das enge Rennen in der
Vorbereitung ging an den 23-jähri-
gen Hessen. Weil der technisch deut-
lich besser ist und genauere Flanken
schlagen kann. Genau das zeigte
Meyerhöfer auch gegen Aue. Trotz
ein wenig Nervosität. Bislang hatte er
nie höher als in der Regionalliga
gespielt. „Vorher ist man immer ange-
spannt. Steht man dann auf dem
Platz, fällt das aber von einem ab.“
Erst am Spieltag hatte Leitl das Ge-
heimnis um die Position ganz rechts

in der Viererkette gelüftet. „Bei der
Aufstellung habe ich es erfahren“,
verriet Meyerhöfer das Prozedere:
„Der Trainer hat es bis zuletzt offen
gelassen.“ Ein langes Gespräch habe
es nicht gegeben. Musste auch nicht
sein, so der neue Rechtsverteidiger:
„Ich hoffe, dass ich das Vertrauen
einigermaßen zurückzahlen kann.“
Einigermaßen sicher, aber steige-
rungsfähig. Wie in allen Bereichen.
Gerade, was die Abteilung Attacke
angeht. Wobei das Meyerhöfer im
Gesamtzusammenhang betrachtet
sehen wollte. „Hinten müssen wir
aggressiver sein“, nahm er auch sich
selbst in die Pflicht. Einen Wink mit
demZaunpfahlandiestürmenden,
aber wenig treffsicheren Kollegen
wollte er sich mit einem Augenzwin-
kern nicht verkneifen. „Hinten müs-
sen wir die Null halten oder vorne
zumindest häufiger treffen als der
Gegner.“ Florian Pöhlmann

Duo:Der langjährige Stadion-
sprecher des 1.FCN,Guido Seibelt,
bekommt zur neuen Saison Verstär-
kung. Bereits am kommenden Mon-
tag gegen den HSV wirdSebastian
Wendlgemeinsam mit Seibelt den
Club-Fans einheizen. Wie sein Kolle-
ge ist auch Wendl hauptberuflich
Moderator beim Sender „Radio
Gong“. Dort moderiert er seit Jahren
die Sendung „Treffpunkt Club“.
Wendl freut sich auf die neue Her-
ausforderung: „Ich bin stolz ab sofort
zum Team zu gehören und den Club
auf diese Weise zu unterstützen.


Großes Laufpensum: Marco Meyerhöfer, hier gegen die Auer Florian Krüger (links) und Dimitrij Nazarov.

St. Paulis Trainer Jos Luhukay muss nach seiner Wutrede nicht um
seinen Job in der Hansestadt bangen.

STUTTGART — Kommt er oder
kommt er nicht? Die Personalie Jür-
gen Klinsmann ist beim VfB Stuttgart
zurzeit das Gesprächsthema Num-
mer eins. Und nicht nur wegen sei-
nes 55. Geburtstags gestern. Nach
„sehr positiven“ Gesprächen rückt
ein Comeback des Klubidols bei den
Schwaben näher, eine Rückkehr des
verlorenen Sohnes wird zunehmend
wahrscheinlicher.
„Klinsmann ist bereit“, titelte die
für gewöhnlich gut informierte
„Stuttgarter Zeitung“ gestern. Nach
einem Treffen mit den Aufsichtsrä-
ten Wilfried Porth und Hermann
Ohlicher sowie dem kommissari-
schen Klubchef Bernd Gaiser sprach
Klinsmann von einem „sehr positi-
ven“ Informationsaustausch und ver-
sicherte: „Es werden weitere Treffen
folgen.“ Und so steigen die Hoffnun-
gen beim VfB auf die ganz große
Lösung. Klinsmann, das gilt als
sicher, soll nicht als Klubpräsident
und Grüßonkel kommen, es geht um
das neu geschaffene Amt des Vor-
standschefs der AG. Der frühere
Welt- und Europameister soll den
schlingernden Verein nach dem Ab-
stieg und dem Rücktritt von Präsi-
dent Wolfgang Dietrich wieder in die
Spur bringen, ihn
zudem als Identifika-
tionsfigur einen.
Klinsmann und der
VfB – das ist seit jeher
eine Liebesbeziehung.
Kein Geringerer als
der baden-württem-
bergische Ministerprä-
sident Winfried
Kretschmann hatte ihn kürzlich als
Messias bei seinem Herzensklub ins
Gespräch gebracht. Der Grünen-Po-
litiker schwärmte von einer „Persön-
lichkeit mit Fußballkompetenz, die
ausschließlich das Interesse des Ver-
eins im Blick hat“. Jemand, „der von
hier kommt, der zusammenführt
und hinter dem sich die ganze VfB-
Familie versammeln kann“ und „der
den Brustring im Herzen trägt“.
Die Replik des (noch) in den USA
lebenden Klinsmanns ließ nicht lan-
ge auf sich warten. Stuttgart sei „ein
besonderer Verein für ihn“, hatte der
Berater des Ex-Bundestrainers darauf-
hin ausrichten lassen. Er selbst hatte
im vergangenen Herbst betont, dass
„mein Herz noch immer für den VfB
schlägt“ und es ihn „mit meiner
Erfahrung und meinem Netzwerk in
den Profizirkus zurück zieht“.
Um die besondere Bande zwischen
ihm und dem VfB zu verstehen, muss
man weit zurückblicken. Mehr als
35 Jahre ist es her, als der stürmende
Blondschopf in seiner Heimat be-
gann, die Fußballwelt zu erobern.
Beim VfB (186 Pflichtspiele zwischen
1984 und 1989, 94 Tore) schwang er
sich zum Nationalspieler auf, wurde
Bundesligatorschützenkönig und
1988 erstmals zu Deutschlands Fuß-
baller des Jahres gewählt, der Beginn
einer ganz großen Karriere des
Bäckersohns. Derzeit arbeitet er als
Experte für den TV-Sender RTL. sid


Neues vom
1.FC Nürnberg

MÜNCHEN — Karl-Heinz Rummenig-
ge freute sich kurz nach seiner Kritik
an Niko Kovac über ein Torfest beim
Heim-Test. Vier Tage vor dem Super-
cup gegen Borussia Dortmund hat
sich der FC Bayern in Angriffslaune
präsentiert. Die Münchner um Drei-
fach-Torschütze Thomas Müller
deklassierten am Dienstag den
19-maligen türkischen Meister Fener-
bahçe Istanbul mit 6:1 (5:0).
Vor dem Anpfiff hatte Vorstands-
chef Rummenigge Coach Kovac für
dessen öffentliche Einschätzung zu
dem angestrebten Transfer von Leroy
Sané von Manchester City gerügt.
Nachdem sich der Trainer mit Blick
auf die Personalie zuversichtlich
gezeigt hatte, forderte Rummenigge
Zurückhaltung. „Mir hat die Aussage
nicht gefallen. Da mache ich keinen
Hehl draus“, so der Vorstandschef.
Gegen den überforderten türki-
schen Traditionsklub um den Ex-Bre-
mer Max Kruse erledigte Münchens
Starttruppe dann ihren Job locker.
Renato Sanches (22. Minute), Leon
Goretzka (28.), Müller per Dreierpack
(31./44./Foulelfmeter/58.) und Kings-
ley Coman (40.) sorgten für den deut-
lichen Sieg. Kruse gelang eine mini-
male Ergebniskorrektur (64.).
Im Finale um den Audi Cup trifft
der deutsche Fußball-Rekordmeister
heute (20.30 Uhr/ZDF) auf Totten-
ham Hotspur. Der Champions-
League-Finalist hatte sich gegen das
kriselnde Ensemble von Real Madrid
um Toni Kroos mit 1:0 durchgesetzt.
Kovac schickte kurz darauf eine
Mannschaft auf den Rasen, die so
auch am Samstag im Supercup als ers-
tem Pflichtspiel der neuen Saison auf-
laufen könnte. Neben Niklas Süle bot
er Jérôme Boateng in der Innenvertei-
digung auf. Vor Sechser Thiago spiel-
ten Sanches und Goretzka im Mittel-
feld, vorne Serge Gnabry, Coman und
Robert Lewandowski. Gnabry musste
allerdings früh raus.
Ob bald Sané für noch mehr
Schwung sorgen kann, bleibt die
große Frage des Münchner Sommers.
„Ich habe immer in den letzten
Wochen gesagt, ich gebe keine Was-
serstandsmeldung ab. Das werde ich
heute auch nicht tun“, sagte Rumme-
nigge weiter. dpa

Foto: Sportfoto Zink

Foto: Sportfoto Zink

Fürths nächster Gegner FC St. Pauli geht wieder zur Tagesordnung über


Rückendeckung für Luhukay nach der Wutrede


Klinsmann


Foto: dpa

Lockerer 6:1-Sieg


FC Bayern ist


Fenerbahce


klar überlegen


Meyerhöfers Pflichtspieldebüt für Fürth:


Das 0:2 vermasselt die Note


„Sehr positive Gespräche“


Flirt des VfB


mit Klinsmann


wird heißer


Sport


Mittwoch, 31. Juli 2019
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