Berliner Zeitung - 31.07.2019

(ff) #1

B e rlin


Berliner Zeitung·Nummer 175·Mittwoch, 31. Juli 2019 11 * ·························································································································································································································································································

OhneSchmuckundSchnörkel


DamitderFlughafenBERnichtvonAnfanganzukleinist,wirdnunzügigeinErweiterungsbauhochgezogen.AmDienstagwurdeRichtfestgefeiert


VonPeter Neumann

D


er Flughafen BER ist be-
kanntermaßen noch
nicht in Betrieb .Doch
die ersteErwe iterung ist
bereitsimGange–undhatnuneine
neue Etappe erreicht.BeiBier und
Bratwurst wurde amDienstag plan-
mäßig Richtfest für dasTerminalT
gefeiert.DasGebäude,das jährlich
bis zu sechsMillionen Passagiere
durchschleusensoll,hatmehrKapa-
zitätalsalleostdeutschenFlughäfen
außerhalb Berlins zusammenge-
nommen. Einarchitektonischer
Edelsteinistabernichtzuerwarten.
„Das Terminalwir dkeineKathedrale
des Verkehrs,sondernein prakti-
sches,funktionalesGebäude nach
Industriebau-Standard“, sagteFlug-
hafenchefEngelbertLütkeDaldrup.
DasssovieleJournalistengekom-
menwaren,nutzteKurtZechfür Me-
dienschelte.„Immerwiederwirddas
ProjektBERungerechtfertigtnieder-
geschrieben“, meinteder geschäfts-
führendeGesellschafter der Zech
Group,die den Terminal-Rohbau in
Schönefeld erstellt hat.Dabei seien
alleBeteiligtenbemüht,denFlugha-
fen im Herbst 2020 fertigzustellen,
sagte derBau- und Immobilienun-
ternehmer ausBremen. „Ich gehe
davon aus,dass wir das schaffen“ –


erhabeschonWettenangenommen.
„Ich hoffe,dass sich dieBerichter-
stattunginsPositivedreht“,so Zech.
Dabei ist klar,dass das negative
Medienecho zum BER in früheren
JahrenfastimmereineobjektiveBa-
sis hatte .Eine Hiobsbotschaft jagte
die andere, der Rufals Pannenpro-
jektwarehrlichverdient.Klaristaber
auch,dassesinjüngsterZeittatsäch-
lichpositiveEntwicklungengibt.Wie
berichtetistdieTechnikimTerminal
T1nunsoweitfertiggestellt,dassder
alles entscheidendeVerbundtest an
diesemMontagbeginnenkonnte.

Kostenverdoppeltensich
DerFlughafenchefbemühtesicham
Dienstag,auchfürdasProjektT2po-
sitiveNachrichten zu formulieren.
Etwa: „Ich kenne kein öffentliches
Gebäude inBerlin und Branden-
burg, für das nach so kurzerZeit
Richtfestgefeiertwerdenkonnte.“
2017wurdedasProjektinAngriff
genommen, imDezember derBau-
antrageingereicht.ImSommer
lagen dieBau- und diePlanände-
rungsgenehmigungvor, imSeptem-
berwurdeeinGeneralunternehmer-
vertragabgeschlossen–anders als
beimT1,mitdessenBaudieFlugha-
fengesellschaft ersichtlich überfor-
dertwar.VorzehnMonatenbegann
derBaudesTerminalsT2.

Allerdings trug dieEile offenbar
auch dazu bei, dass dasProjekt T
anfangseinemBlindflugähnelte.Ein
Gutachten, das derFlughafen-Auf-
sichtsratspäterinAuftraggab,listete
gravierendeProblemeauf.Soseizu-
nächst ohne belastbareDaten ge-
plant worden, zuBeginn desVerga-
beverfahrensgabesnochkeineKal-
kulationsreife,hießes .Erstnachund
nach kristallisierte sich heraus,für
wievieleFluggästedasAbfertigungs-
gebäudeausgelegtwerdenmuss.
Wurdezunächs teine Bruttoge-
schossflächevon150 00Quadratme-
ternangepeilt,entstehenjetzt
Quadratmeter.Die Kosten stiegen
von100 Millionen auf 200Millionen
Euro.Das umfasst jedoch auch ein
GebäudefürdieBundespolizei,einen
BusparkplatzundweitereBauten.
Anfang sgabesernsteZweifel,ob
T2im Oktober2020mitdemBERfer-
tig wird. DochKurt Zech zeigte sich
zuversichtlich, dass dieserTermin
gehalten wird.Vielleicht könne das
TerminalschonimAugustnächsten
Jahresübergebenwerden,sagteer.
Damitseiabsehbar,dassderBER
zu Beginn eine jährlicheKapazität
von40MillionenPassagierenhaben
wird,bekräftigteLütkeDaldrup .Die
TerminalsT1undT2hättenPlatzfür
insgesamt 28 bis 30Millionen Flug-
gästepr oJahr.Hinzukommederjet-

zige Flughafen Schönefeld, der bis
Ende 2025 inBetrieb bleibt und als
Terminal T5 zehn Millionen Passa-
gierepro Jahr fasst.ZumVergleich:
2018 wurden auf denBerliner Flug-
häfen 34,7Millionen Fluggästeab-
gefertigt.So groß ist dieKapazitäts-
steigerung also nicht, deshalb wird
bereitsdasTerminalT3geplant.

Biszu3200ReisendeproStunde
Dasneue Terminal T2 wirdein
Zweckbau ohne Schmuck und
Schnörkel.DiemitMetallverkleidete
Stahlbetonkonstruktionhatnurwe-
nige Fenster,Decken werden nicht
verkleidet.DasBüroATParchitekten
ingenieure, das seinenHauptsitz in
Innsbruck hat, plante dasGebäude.
DerVorstandsvorsitzendeChristoph
M. Achammer wies auf die „kurzen
Wege“unddie„großeKompaktheit“
des Gebäudes hin.Aufnur 23000
QuadratmeterFläche würden pro
JahrsechsMillionenFluggästeabge-
fertigt: „Ich kenne keine anderen
FlughäfenmitsolchenWerten.“
Heißt das ,dass es eng wird?Mit
achtSicherhe itskontrollenseiT2für
bis zu 1600 abfliegendePassag iere
proStunde geplant, so derFlugha-
fenchef.Genauso groß sei dieSpit-
zenkapazitätfürdenankommenden
Verkehr.„Wirwerden alleFluggäste
gutbetreuenkönnen“,sagteer.

Wie ein „gehobener Industriebau“ wird dasTerminal aussehen, sagt Flughafenchef LütkeDaldrup. Im Erdgeschoss checken die Fluggäste ein, vom ersten Obergeschoss aus gelangen sie in den benachbarten Pier Nord des Flughafens BER. VISUALISIERUNG: FBB


Der Richtkranz schwebt vor dem Rohbau des künftigenTerminals T2. DPA/SOEREN STACHE

DAS NEUE GEBÄUDE

TerminalT2:So heißt das
Abfertigungsgebäude, das
nun auf dem Gelände des
Flughafens BER neben dem
Pier Nord entsteht. Das Bau-
werk ist 240 Meter lang,
Meter tief und ohne Dach-
aufbauten 15 Meter hoch.

Der Empfang:Im Erdge-
schoss warten Check-in-Au-
tomaten und 12 Check-in-
Schalter auf diePassagiere.
Treppen,Aufzügeund Roll-
treppen führen ins erste
Obergeschoss,wo die Si-
cherheitskontrollen sind.

DerWegzum Flugzeug:Im
ersten Stockwerden wird es
auch Geschäfte und Gastro-
nomiegeben. Über zwei
Brückengelangen diePassa-
giere ins Pier Nord.Vordem
nördlichen Seitenflügel des
BER stehen die Flugzeuge.

DasdunkleKapitel


175JahreBerlinerZoo:ZurGeschichtedesTiergartensgehörtauchseineNazi-Vergangenheit.JahrzehntelangwurdesievondenVerantwortlichenverdrängtundverschwiegen


VonNorbertKoch-Klaucke

E


sgibtviele Geschichtenüberden
BerlinerZoozue rzählen,derab
Donnerstag seinen 175.Geburtstag
feiert. An die meisten erinnertman
sich gerne.Etwa, wie der älteste
deutscheTiergarten bereits in der
Kaiserzeit Weltruhm erlangte.Über
erste Tier-Stars wieGorilla Bobby,
Elefanten-JungeKalifa oder Schim-
pansin Titine,die in den 20er-und
30er-Jahren dieBerliner begeister-
ten, ähnlich wie späterEisbär Knut.
Oder an dierauschendenZoo-Feste
inden GoldenenZwanzigern,woso-
garderangehendeWeltstarMarlene
DietrichdasTanzbeinschwang.
Aber es gibt ein dunklesKapitel,
das langeverschwiegen und ver-
drängt wurde –jene Zeit, als in
Deutschland und auch imBerliner
ZoodieNationalsozialistenherrsch-
ten.ErstmitdemAmtsantrittvonDi-
rektor Andreas Knieriemvorfünf
Jahrenstelltmansichnunöffentlich
der tiefbraunenVergangenheit.De-
renAufarbeitunghattenbereitseins-


tigejüdischeZoo-Aktionäreundde-
renNachfahrenseitJahrzehntenge-
fordert. Doch KnieriemsVorgänger
hattensichgeweigert.
In einer Ausstellung im Antilo-
penhaus sind die Dokumente nun
zu sehen, die belegen, wie sehr der
BerlinerZoomitden Nazispaktierte,
allen vorander damaligeDirektor
Lutz Heck (1892-1983).Noch vor
Jahren wurde er als großerZoologe
verehrt. Laut denRecherchen der
Historiker warHeck aber auch ein
aktiver Nazi. In der Zoo-Ausstellung
ist seine Ehrenadel als Fördermit-
glied der SS zu sehen, der er unter
anderemZoo-Kamele an die SS für
Spendenaktionen auslieh.Auch die
Karteikarte ,die Heck seit 1937 als
Mitglied der NSDAP ausweist, wird
inder Ausstellunggezeigt.
Seine Pfleger und Mitarbeiter
machte er zur „Gefolgschaft“.Ein
Fotozeigt,wiedieseam1.Mai
mitHakenkreuz-BindenzumAppell
antreten mussten. UndHeck tat
nochmehr,umd enbraunenMacht-
habernzug efallen.Im In terviewfür

tung vonAuerochsen undWisenten
zum „deutschenUr-Rind“ förderte
ReichsmarschallHermannGöring.
Göring,derHeckzuseinenJagd-
ausflügen in die Schorfheide einlud
und ihn zu wichtigen Posten im
Reichsforstministeriumverhalf, war

den „Völkischen Beobachter“
träumte derDirektor 1934 davon,
aus demBerliner Zooeinen „deut-
schen Zoo“ zu machen.So versah
Heck die Namenstafelnvon„deut-
schen Tieren“ mit Hakenkreuzen.
Seine Experimente zur Rückzüch-

ein großer Gönner desZoos.Das
hatte seinenPreis,der bereitwillig
gezahlt wurde.Sow urde veranlasst,
dass Juden nicht mehr in denZoo
durften. Diejüdischen Aktionäre
wurdenvonder Zoo-AGenteignet
oder gezwungen, ihreAnteile unter
Wertzuverk aufen,fandenHistoriker
heraus .Von den damals4000 Zoo-
AktienwarenetwaeinDrittelim Be-
sitz jüdischerAktionäre. DieEnteig-
nung wurde nochvorJahren vom
Zoogeleugnet.
Trotz der eingeleitetenAufarbei-
tung sei eine Wiedergutmachung
aus rechtliche nGründen schwierig,
erklärte der jetzige Zoo-Direktor
Knieriem.Zumalmanauchanhand
verbliebenerUnterlagennichtmehr
wisse,werdieheutigenBesitzersind.
AlsZeichen de rWiedergutmachung
förder tder Zooseit 2015 mit insge-
samt 200000 Euro die Stipendien
vonisrae lischen Forschern, die in
Deutsc hlandarbeiten.
DieAufarbei tungderNS-Vergan-
genheit ist noch längst nicht been-
det. So fand Knieriem beiNachfor-

schungenimArchivheraus,dassder
Zooinden Kriegsjahren auch aus-
ländische Zwangsarbeiter ausbeu-
tete.NurwenigeDokumenteblieben
dazuerhalten.EtwaMeldungen,die
damalsandasFinanzamtTiergarten
gingenunddenEinsatzvonZwangs-
arbeiternbeweisen.Danach muss-
ten Frauen und Männer ausOsteu-
ropa von1940 bis 1945 für denZoo
schuften. Auch ei nPlan für ein
Zwangsarbeiterlager befand sich im
Archiv.
Ende des Zweiten Weltkrieges
wurde der Berliner Zoozum
Schlachtfeld.EsgabeinenFlakturm,
dessen Besatz ung mit Wehrmacht s-
truppendienahendensowjetischen
Einheiten bekämpfen sollte.Am2.
Mai1945 ergab man sich.DerZoo
lag im 101.Jahr nach seinerGrün-
dunginSchuttundAsche.

Zoo-Chef Lutz Heck traf sich oft mit Reichsmarschall Hermann Göring zur Jagd.ZOOBERLIN

NorbertKoch-Klaucke
empfiehlt einen Besuch der
Schau im Antilopenhaus.
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