Berliner Zeitung - 31.07.2019

(ff) #1
Berliner Zeitung·Nummer 175·Mittwoch, 31. Juli 2019–Seite 9*
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B e rlin


KreuzbergsWellenbad:Sanierungstartetspäterundwirdumfangreicher Seite 13


OranienburgsWeltkriegsbomben:PilotprojektzurBeräumungbeginnt Seite 14


NACHRICHTEN


Fußgängerin stirbt bei
Lkw-Unfall in Schöneberg

InSchönebergistamDienstagnach-
mittageineFußgängerinvoneinem
Lkwüberfahrenworden.DieIdentität
desOpfersteiltediePolizeibiszum
Abendnichtmit.DerUnfallereignete
sichgegen14.30UhranderKreuzung
AnderUrania/Kleiststraße.DerBe-
reichwurdezurUnfallaufnahme
weiträumiggesperrt,diessolltebis
zumAbendandauern.Währendder
Unfallaufnahmekameszuerhebli-
chenVerkehrsbeei nträchtigungen.
AuchBVG-Buslinie nwarendavon
betroffen.SeitJahresbeginnstarben
17MenschenimStraßenverkehr,dar-
unteracht Fußgänger.2018gabes
insgesamt45Verkehrstote. (ls.)

BerlinwarimJuli das
wärmste Bundesland

MiteinerDurchschnittstemperatur
von20G radCelsiusistBerlinim Juli
diesesJahresdaswärmsteBundes-
landDeutschlandsgewesen.Der
Wertlag1,7 Gradüberdemderinter-
nationalgültigenReferenzperiode
von1961bis1990,wieausZahlendes
DeutschenWetterdienstes(DWD)
vomDienstaghervorgeht. Bundes-
weitwarenes18,9Gradun ddamit
GradmehralsimR eferenzzeitraum.
DieHauptstadt verzeichneteim Juli
rund220 Sonnenstunden. (dpa)

Gewerkschaft fordertmehr
Sonnenschutz

DieSommerhitzebelastetnachDar-
stellungderGewerk schaftVerdiviele
BerlinerVerwaltungsbeschäftigte
überGebühr.VieleMitarbeiterder
SenatsverwaltungenhättenihreBü-
rosind enkm algeschütztenDienst ge-
bäud en,„beidenenzumBeispieldie
AnbringungvonAußenjalousiendie
Denkmalschutzbehördenaufden
PlanruftundsinnvolleHitzesch utz-
maßnahmenerheblicherschwert“.
„Esistunzumutbar,ind enkmalge-
schütz tenGebäudenbeihohenTem-
peraturenohneH itzesch utzarbeiten
zumüssen“,heißtesvonVerdi. (dpa)

Unbekannte setzen
zwölfFahrzeuge in Brand

InMitteundKreuzberghabeninder
Nachtzu DienstagzwölfAutosge-
brannt, zehndavonalleinrundum
denChamissoplatzinKreuzberg.Ver-
letztwurdenachPolizeiangabennie-
mand,allerdingswurdenFensterbe-
nachbarterWohnungenbeschädigt.
EineWohnungistmomentanunbe-
wohnbar.DiePolizeigehtvonBrand-
stiftungaus.Werhi nterdenFeuerat-
tackensteckt,istnochunklar,diePo-
lizeiermitteltinalleRichtungen.In
derNähedesTatortsfandenErmittler
aufeinemSpielplatzgesterneine
großflächigaufdenBodengesprühte
Parole:„KlassegegenKlasse“. (pde.)

Rund um den Chamissoplatz wurden Au-
tos abgefackelt. KLAUS OBERST

AusFehlerngelernt


NachdemAnschlagamBreitscheidplatzhatdiePolizeiihreVorgehensweiseneuausgerichtet


VonAndreasKopietz

B


erlins Polizeiführung
glaubt,dasssiefürkünftige
Terroranschläge besser ge-
rüstetistalsnachdemisla-
mistischen Anschlag auf demBreit-
scheidplatz2016.
Nachdem derTunesier Anis Amri
am19. Dezember2016einenLkwin
denWeihnachtsmarkt gesteuertund
dabei zwölfMenschen getötet und
mehrals70verletzthatte,offenbarten
sichdrastischeMängelderPolizeiar-
beit: Unter anderem fehlte eine ein-
heitliche Führung desEinsatzes .Die
Kommunikation funktionierte nicht,
weil sie auf unterschiedlichenFunk-
kanälen stattfand.Zunächst vermu-
tete man einen Unfall oder eine
Amoktat,weswegeneinanderesPro-
zedereinG ang gesetzt wurde als bei
einem Terroranschlag. DerPolizei-
führer in der anfänglichen„Phase 1“
hatte keine Ahnung, wie viele Kräfte
erzur Verfügunghatte.Polizeibeamte
wussten nicht,welche Aufgaben sie
übernehmen sollten.Dies und noch
vielmehrhatteeineinterneNachbe-
reitungskommission in einem Be-
richt2017schonungslosfestgestellt.

Führungsgruppeübernimmt
„Die Bewältigung einesAttentats ist
einederschwerstenLagen“,sagteder
damalige Polizeipräsident Klaus
Kandt2017imInnenausschuss.„Ha-
ben Siewirklich dieErwartung, dass
die Polizei überhaupt keineFehler
macht?“Seine NachfolgerinBarbara
SlowikwillgarnichtvonFehlernspre-

chensondernvon„Optimierungsbe-
darf“. Denhabemanintensivaufge-
arbeitet,sagtesieamDienstagbeider
Vorstellung desAbschlussberichtes,
den eine eigens einberufeneAG An-
schl agausgearbeitethat.
Ausdem Bericht der Nachberei-
tungskommission und aus anderen
Erkenntnissen zogdiePolizei Konse-
quenzen.Sowurde –bisherimzwei-

jährigenProbelauf–eine ständige
„Führungsgruppefürherausragende
Sofortlagen“ im Lagezentrum einge-
richtet, die denPolizeifunk mithört.
Fallen zum Beispiel irgendwo
Schüsse,legtdie Führungsgruppe
schon mal denEinsatzkanal für den
Funk fest. Seit Februar 2018 sei die
Führungsgruppe„inVorbereitungge-
gangen“, sagte der Leiter derDirek-
tionEinsatz,Siegfried-Pe terWulff,bei
der Vorstellung desBerichts seiner

AG.IndieserZeithabedieGruppe
Maleine tatsächliche polizeiliche
Lage geführt, zuletzt bei derNotlan-
dung einer Bundeswehr-Maschine
imAprilinTegel.
Ob großerUnfall, Amoklauf oder
Terror :JetztgibteslautWulffeinein-
heitliches taktisches Konzept bei
noch nicht zu klassifizierendenEin-
satzlagen.

Am Breitscheidplatz wurden am 19. Dezember zwölf Menschen getötet und mehr als 70 verletzt. BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK

Im März gab es eine Anti-Terror-Übung in einem Steglitzer Einkaufszentrum.MORRIS PUDWELL

SeitdemAnschlagistvielpassiert.
MitLändernwie Großbritannien,
Belgien, Frankreich steht diePolizei
im Austausch.Auch die Aus- und
Fortbildung passte sie an.Seit 2017
gab es 20 Übungen zu „lebensbe-
drohlichen Einsatzlagen“, etwa zu
Bio-TerrorismusoderimMärzdieses
Jahres „Terroranschlag imEinkaufs-
zentrum“. Sogardie AbwehrvonTer-
roranschlägen mitDrohnen wurde
geübt. DieUmstellungvonWaffen

und Ausrüstungen läuft.Neue Pisto-
lenund Gewehre,Schutzwestenund
Helmewurdengekauftundauchmo-
bileDurchfahrtsperren.
Nach dem Anschlag am Breit-
scheidplatz gab es Abstimmungs-
problememitdemBKA.Eshabejetzt
zugesichert,nach72StundendieEr-
mittlungenzuübernehmen,soWulff.
Dafür stehen BKA-Beamten künftig
139ArbeitsplätzezurVerfügung.

KoordinierungsstellefürBetreuung
Katast rophal verlief nach dem An-
schlag auch dieBetreuun gvon Op-
fernund Hinterbliebenen.Diesebe-
klagten Bürokratie undUntätigkeit.
Vielebekamen lange keineAuskunft
zu ihren Angehörigen. „Alle staatli-
chenStellenw arennichtausreichend
vorbereitet“,sagteWulff.SeitJuli
gibt es bei derJustizverwaltung eine
„Zentrale AnlaufstellefürBetroffene
vonterroristischen Anschlägenund
Großschadensereignissen“. Fürdie
psychosoziale Opferbetreuung
wurdeinnerhalbderPolizeieineKo-
ordini erungsstelle eingerichtet.Da-
mit die Identifizierung vonToten
schnellergeht,hatdieMordkommis-
sion ihr eKapazitäten erweitert: Es
wirdzweiIdentifizierungsstraßenge-
ben. Zudemsollen Räume in einem
Krematoriumertüchtigtwerden.
DieGewerkschaft derPolizei er-
klärte zu demBericht: „Die Haupt-
stadtpolizei hat ihreHausaufgaben
erledigt.“Jetztliegeesandenverant-
wortlichenPolitikern,dasbeidenzu-
künftigenHaushaltenzuberücksich-
tigen.„Sicherheitkostet.“

Die Krone der


Schöpfung


B


eimBeobachtendesFlugverhal-
tensvonVögelnfälltauf,dasssie
scheinbarniemiteinanderkollidie-
ren.NichtmalbeiwildenFlugmanö-
vernoderwennsieinnerhalbgroßer
SchwärmenachInsektenjagen.Das
liegtaneinemsoeinfachenwiewirk-
samenPrinzip:Steuernsieaufeinan-
derzu, weichensiestetsnachrechts
aus.Also,fast immer.Ergokönnen
sie nicht zusammenstoßen. Und
weil es ein eingebauterReflex ist,
müssen sievordem Ausweichen
nichtmaldarübernachdenken.
Dadurch haben die Vögel dem
Menschen einigesvoraus.Der ham-
peltin verg leichbarenFällennämlich
wie ein Tanzäffchen, dem dieBatte-
rienversagen.Unseren Mitmenschen
geschicktauszuweichen,istalsauto-
matische Verhaltensfunktion nicht
abgespeichert–und offenbar auch
nicht erlernbar,denn Modelle jedes
Alterssindbetroffen.Wennwir Men-
scheneinanderPlatzmachenwollen,
ohnenachzudenken,imReflex,sieht
es meistens so aus wie bei derFrau
und demMann, die genau das wäh-
rendeinerGrünphaseaufderStraße
versuchen: Anders als die Vögel, die
ihren Flug in solch einemMoment
nicht mal eben unterbrechen, blei-
bensiedafürstehen.
Stattkur zübereineLösungnach-
zudenken oder gar zu sprechen,
schickenihreReflexesieineineSlap-
stick-Dauerschleife.Beide haben
ihreBlicke leicht gesenkt, obwohl
Augenkontakt oder eine nonverbale
Einigung, durch einKopfnicken in
eineRichtungetwa,denProz essab-
kürzenkönnten.Dochstattderlogi-
schen Variante wechseln beide auf
ihrenFüßenhinundher,weilsiena-
türlich an der gleichen, spiegelver-
kehrtenSeite am anderen vorbei
wollen, mal links,mal rechts.Und,
mal ehrlich:Genau so verhalten wir
uns alle in diesen Augenblicken.
Warumgeht beimMenschen, der
selbst ernannten Krone der Schöp-
fung,nicht,wasbeidenVögelnfunk-
tioniert?
WerdieAugendanachoffenhält,
kannidentischeBegegnungenjeden
Tagzuhauf verfolgen. Diepossierli-
chenTänzchenwärennichtmalein
Problem,wenndie Beteiligtensiege-
meinsam lösen wollten, die Lage
könntesiegarselbstamüsierenund
ein Lächeln hervorzaubern. Meis-
tens jedoch atmen sie schwer ge-
nervt, als sei die anderePerson
SchuldaneinemUmstand,der sich
nah an einerKatastrophe bewegt.
Wirsollten uns einBeispiel an der
Leichtigkeit der Vögel nehmen und
gewandt zurSeite ziehen, auf dem
Schnabel ein freundliches Zwit-
schern.


Stadtbild


Torsten Landsberg
willvonSchwalbenlernen.

Mach’ es wie die Schwalben: Immer nach
rechts ausweichen. IMAGO IMAGES


TerrorgefahrausderLuft


DiePolizeiregistriertimmermehrverboteneDrohnen-Flüge–undreagiertmitÜbungenundTechnik


E


ine völlig neue Terror-Bedro-
hungstellenausSichtder Polizei
Drohnendar.Mitihnenkönnteauch
geschossen werden, wie es schon
2018 bei einemAttentat aufVene-
zuelas Staatspräsidenten Nicolás
MaduroderFallwar.
Immer öfter steigenDrohnen in
verbotenenBereichen wie anGe-
fängnissenoderFlughäfenauf.
erfasste diePolizei in Berlin 22, im
Jahr 2017 elf und imverg angenen
Jahr118 Verstöße.

AlleinimRe-
gierungsviertel,
ebenfalls Sperrgebiet für
Drohnen, gab es 2016 insge-
samt 22Verstöße.2017 regis-
trierte diePolizei elf und im
verg angenenJahr54 Verstöße.
Beim ChristopherStreet Dayam
verg angenenSonnabend stellte die
Polizeielf DrohnenüberdemVeran-
staltungsraum fest und ermittelte
zwei Drohnenführer.Die Berliner
PolizeibesitztnacheigenemBekun-

gnalzudemFluggerätblockiertund
essozurLandungzwingt.
MöglicheTerroranschläge durch
Drohnen erprobte diePolizei auch
bereits bei zwei Übungen.Im Juni
2018 gab es eine Übung „Staatsbe-
such mitDrohnenangriff“.Auch im
August wurde die Abwehr eines
DrohnenangriffsaufdieKolonneei-
nesStaatsgastesgeprobt.
BerlinsPolizeiwillfüreineeffekti-
vere Drohnenabwehr eine„Kompe-
tenzstelleLuft“einrichten. (kop.)

den keine eigenenDrohnen-
Abwehr-Geräte.Aber sie testet
in Partnerschaft mit anderenBun-
desländern, dem BKA undPrivatfir-
men zurDrohnenabwehr einen so-
genanntenJammer,der das Funksi-

Mit Drohnen wird nicht
nur spioniert. Man-
che schießen
damit auch.
DPA

Der Zoologische
Garten in Zeiten
Nationalsozialismusdes

Seite 11
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