Neue Zürcher Zeitung - 04.08.2019

(Darren Dugan) #1

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ski über die Demokraten.


arbeiten wollte, musste Mitglied dergerade
regierenden Partei sein und spenden.Bei
Machtwechseln gab esSäuberungen, und die
eigenenLeute erhieltenJobs anSchulen oder
bei derPolizei. Davon erzählt auchEdHarry,
der ein halbesJahrhundert langDemokrat
undGewerkschafter war.Ich treffe ihn zum
Lunch im «D’s Diner»: «MeinVater hatte nach
einem Grubenunglück einenVerwaltungsjob
unter denRepublikanerngefunden», erzählt
er. Als dieDemokraten Mitte der 1970 er Jahre
ansRuder kamen,wurde er sofort entlassen.»
Edwar damals nach dem Kriegsdienst inViet-
nam schonDemokratgeworden: «Ich habe
mein Netzwerk aktiviert und erfolgreich um
denJob meinesVaters gebettelt.»

Kämpfer gege n dunkle Mächte
Heute istEd 72 Jahre alt.Was mir bei meinem
Gespräch mit ihm auffällt:Seit unserem letz-
ten Treffen ist er tief in dieWelt derVerschwö-
rungstheorien eingestiegen. Unter Trump-An-
hängern ist daskeineSeltenheit. Umfragen
gemäss glauben bis zu einemFünftel seiner
Getreuen solchen Theorien. Siewerden auf
Websites wie dem «X22-Report»gestreut und
gehen auf dasmysteriöse Netzwerk «QAnon»
zurück.
Trump selbst stellt immerwiederTweets
aus dem QAnon-Dunstkreis auf seinenTwit-
ter-Account.Demnachwerden dieMedien
und diePolitik Amerikas angeblichvon der
CIA und einem Netzwerkvon Sexualverbre-
chernkontrolliert. Ihre Ziel sei, Amerika unter
die Knute einer «neueWeltordnung» zu stel-
len. Trumpwird alsStratege in einem epocha-

len, aber nur für Eingeweihteerkennbaren
Ringen gegen diese dunklen Mächte gesehen.
Edistüberzeugt, dass dazu dieVerhaftung des
pädophilen FinanziersJeffrey Epstein neulich
zählt: «Q sagt, dass Epstein auspackt und das
ganze Netzwerkvon Perversen in derPolitik
bald auffliegt.»
Etwas ausserhalbvon Wilkes-Barre in einer
ehemaligenBergbaugemeinde namens Ply-
mouth treffe ich den57-jährigenJoe Nova-
ckowski in seinem Haus.Joe ist ein Unabhän-
giger. Er hat im erstenGolfkrieggedient.Vete-
ranen waren und sind einewichtige Stütze in
TrumpsBewegung.Joe istreligiösergewor-
den in den letztenJahren. Er zweifelt inzwi-
schen an der Evolutionslehre.Über dieDemo-
kraten kann er nur noch staunen: «Ich musste
mühsam für meineVersorgung alsVeteran
kämpfen. Dabei bin ich hiergeboren. Und die
wollen illegal Eingewanderte mitGeschenken
überschütten!»Für Joe sindFremde und Zu-
wanderer einerealeBedrohung.
DieRegion leidet unter der Opiat-Epide-
mie, die hier im letztenJahr 600Todesopfer
gefordert hat.LautLokalmedien sindviele
DealerFarbige undkommen aus Grossstädten

wie Philadelphia: «Behörden bringen diese
Typen und ihren Anhang hier inSozial-
wohnungen unter. Einer dieser Apartment-
Komplexeliegt ein paar Strassenweiter.»
Was sind die Trump-Anhänger fürLeute?,
frage ich mich auch diesmal zum Abschluss
meinesBesuchs. Rassisten?Frustrierte? Radi-
kale, die einen politischen Umbruchwollen?
Wenn man sich durch die Büchervon Ameri-
kasPolitologen liest, erscheint Trump in
Büchern als autoritäre Figur, als Abrissbirne
derDemokratie.
DieLeute in Luzerne County aberwollen
davon gar nichtswissen.Sowohl dieGewal-
tenteilung als auch diePressefreiheit sind für
sie unantastbar. Dievon denDemokraten
zwischen 193 3 und1965 geschaffenen staat-
lichenRenten und Krankenversicherungen
ebenfalls. Mir dämmert allmählich: Die
Trump-Anhänger in Luzerne County sind Tra-
ditionalisten,wollen dasSystemwieder auf
Bürger wie sie selbst ausrichten und nichtvon
Grund auf umkrempeln.Deshalb danken sie
Gott, dass er ihnen Trump alsRetter geschickt
hat. Extrem und radikal ist in ihrenAugen
nicht Trump, sondern sind dieDemokraten
geworden.
Zu dieser Einsicht passt die Analysevon
Politologen, dieRegionenwie Luzerne County
alsSchlachtfeld in einem historischenProzess
sehen.Demnachzerfällt Amerika in zweiLa-
ger. Vor allem ältereWeisse in ländlichen
Regionen sammeln sich bei denRepublika-
nern. DieDemokraten werden zur Partei einer
zerstrittenenKoalition ausJungen, Minoritä-
ten undGebildeten in urbanen Zentren. Da-

zwischen liegen Mischregionen um alte
Industriestädtewie Wilkes-Barre. Hier haben
dieDemokraten Mühe, ihre traditionellen
weissenWähler zu halten.
David Yonki sieht diesenProzess in der
eigenenFamilie.Selbst lebenslanger Demo-
krat und als politischer Blogger eine Instanz
am Ort, lehnt er Trump als populistischen
Volksverhetzer leidenschaftlich ab.Doch sei-
ne eigeneSchwester, eine pensionierteLehre-
rin, ist glühende Trump-Anhängerin. Als
Enkel slowakischer Immigranten erkennt sich
Yonki in den heutigen Zuwanderernwieder.
Diewollen auch nur ein besseresLeben und
zumGemeinwohl beitragen.Deshalb wählt er
zumgemeinsamen Abendessen den von
einem türkischen Paar betriebenen «Istanbul
Grill».Bei Baba Ganoush undKebab macht der
68-Jährige seinerSorgeLuft: «IchkenneLeute
wie Eileen und Richard Sorokas seitJahrzehn-
ten. Bei all meiner Abneigunggegen Trump
kann ich sie schonverstehen.»
DieDemokraten seienwirklich zu radikal
geworden: «DenBeleg dafür liefern ihrePräsi-
dentschaftsdebatten mit diesen sozialisti-
schenIdeen.» Um Luzerne County und das
Weisse Haus zurückzuerobern, müsse sich die
Partei «alsvernünftige Alternativezu Trump
anbieten», sagt David Yonki: «Dazu braucht es
ein pragmatischesProgramm, das allen Ame-
rikanern im Alltag hilft.»
Nachdem ich dieDebatten der demokrati-
schenBewerber dieseWoche imFernsehen
gesehen habe,will ich ihm antworten: Dieser
Zug istwohl schon abgefahren. Trumps Chan-
cen stehen hervorragend.

DieTrump-Anhänger
sind Traditionalisten.
Sie wollendasSystem
wiederaufdenBürg er
ausrichtenundnicht
umkrempeln.

David Yonki: «Die Demokraten sindzuradikal geworden.» LorriVandermark: «Negative Leute und Trump-Hasser.» Ed Harry: «Netzwerkvon Perversen in derPolitik.»

Eileen und Richard Sorokas: Demokraten – und Trump-Anhänger.

LynetteVillano: «Diesmal sind wir noch vielbesser aufgestellt.»
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