Neue Zürcher Zeitung - 04.08.2019

(Darren Dugan) #1
NZZ am Sonntag4.August 2019

Aktuell


DieFeuerwehr leitet Wasser aus dem Damm ab.

IMAGO

Auch im ostsibirischen Jakutien brennt es.

EPA

BEATA ZAWREL

/ NURPHOTO

/ GETT

Y IMAGES

Bald neue IMF-Chefin? Kristalina Georgiewa.(Katowice,3. 12. 2018)

Bei einerSchiesserei in einem
Supermarkt in dertexanischen
Stadt El Paso hat es nachPolizei-
angaben amSamstag mehrereTo-
te gegeben.Der örtlicheSender
KTSM berichtete , 18 Personen
seien im Walmart-Einkaufs-
zentrum getöte t worden und be-
zog sich dabei aufAussagenvon
Polizisten. EinePerson seifest-
genommen worden, sagte ein
Polizeisprecher.Laut derAgentur
Reuters schloss diePolizei aus,
dassweit ere Schützen an derTat
beteiligt waren. Einsatzkräfte
suchten dieGegend ab, aber es
gebe keine Bedrohung mehr. Die
Hintergründe derTat blieben zu-
nächst unklar. El Paso liegt im
Südwesten desUS-Gliedstaates
Texas an der Grenze zuMexiko.
Die Polizei hatte zunächst auf
Twitter dazu aufgerufen, sichvon
dem Einkaufszentrumfernzuhal-
ten. Sie war mit einem Grossauf-
gebot vor Ort,verstärkt durch
weit ere Sicherheitskräfte. Eine
Verkäuferin schilderte der «El
Paso Times», sie habe an der
Kasse plötzlich immer lauteres
und näherkommendes Knallen
gehört. Sie habe einigeKunden
gepackt und sie aus demLaden
geführt, während andereKunden
schreiend zumAusgang gerannt
seien. EineKolleginkonnte sich
mit Kunden in einem Raum ein-
schliessen. Erst am Dienstag und
am vergangenen Sonntag waren
in Mississippi und Kalifornien
fünfPersonenvon Schützenge-
töte t worden.(vmt.)

Mehrere


Tote bei


Schiesserei


in Texas


Protest gegenPolizei.

EPA

DieEU-StaatenschickenKristalinaGeorgiewainsRennen


AdelheidWölfl, Sarajevo


Sie ist ein heitere r Mensch. Ihre
Inspiration sei der Grossmut
andererLeute, sagt sie. Sie suche
immer denWandel, bekräftigt die
Frau mit dem fidelenLächeln,
räumt aber ein, dassWandel auch
Angst machen kann. Kristalina
Georgiewa ist amFreitagabend
zur EU-Kandidatin für den Chef-
posten beim Internationalen
Währungsfonds (IMF) nominiert
worden. Die Ernennung gilt als
Sieg fürFrankreich, das sich für
die Bulgarin starkgemacht und
die Verhandlungen für die euro-
päische Kandidaturgeführt hat.
Georgiewa, derzeit Geschäfts-
führerin derWeltbank, setzte sich
in einer Stichwahlgege n denfrü-
herenEurogruppenchef undheu-
tigen niederländischen Fina nz-
minister Jeroen Dijsselbloem
durch, dervon den Nordeuropäern
und Deutschland unterstützt
wurde. IhreWahl erfolgte über-
raschend undvor allem knapp.
Von Konsens kannkeine Rede
sein.Denn Bulgariengehört nicht
zur Euro-Zone, undGeorgiewa er-
hielt nur56 Prozent der Stimmen
der EU-Mitglieder – notwendig war
eine qualifizierteMehrheit, also 55
Prozent. Insbesondere derOsten
und der Süden Europas stimmten
für die Bulgarin.
Bis zum6.Septemberkönnen
sich nochweit ere Kandidaten
melden. Allerdingswird der IMF
traditionellerweise von einer
europäischenPersönlichkeitge-
leitet. Im Oktoberwird endgültig
entschieden.Georgiewakommt
wohl zugute, dass bei derVerga-
be der EU-Spitzenjobs die Mittel-
und Osteuropäer zu kurz kamen.
Ausschlaggebend war aber ihr
exzellenter Ruf als Managerin.
Georgiewa studierte inSofia
Wirtschaftswissenschaften, an

der LondonSchool ofEconomics
spezialisierte sie sich in den acht-
zigerJahren aufRohstoffökono-
mie.
Ihre Erfahrung in der Entwick-
lungszusammenarbeit macht sie
für dieSchwellenländer annehm-
barer, die schon lange mehrGe-
wicht im IMFfordern. Georgiewa
ist aber auch ein Signal dafür,
dass der Klimaschutz imVorder-

Bulgarin soll IMF-Chefin werden


grund stehen soll.Bereits zu Be-
ginn ihrer Karriere 1993 bei der
Weltbankkonzentrierte sie sich
auf Umweltschutz undwurde zur
Direktorin der zuständigen Abtei-
lung. Die Expertise fürs Budget
war die Grundlage für ihren
rasanten Aufstieg. Georgiewa
wurde zuständig für die Strategie
der Institution und arbeitetean
internenReformen.Von 2004 bis

2007 arbeitete die russischspre-
chende Managerin inMoskau für
die Weltbank.
2010 übernahm sie als EU-
KommissarinVerantwortung für
humanitäre Hilfe und Entwick-
lungszusammenarbeit. Sie setzte
sich für die Erdbebenopfer in
Haiti ein und sorgte dafür, dass
die EU im Krisenfall schneller und
effizienter reagieren kann.Wegen
ihres Elanswurde sie zur «Euro-
päerin desJahres» und «EU-Kom-
missarin desJahres» ernannt. Es
folgte ihr Engagement für die Op-
fer des Erdbebens in Chile und
der Überflutungen in Pakistan. Es
sei die wichtigste Zeit ihres
Lebensgewesen, sagt sie heute.
Auf Karikaturenwurde sie bald
als Superfrau dargestellt.Auffäl-
lig war allerdings auch: Nach
jedem ihrer Einsätzewurden die
Finanzmittel deutlich erhöht.
Das war wahrscheinlich der
Grund,weshalb sie EU-Kommis-
sions-PräsidentJean-ClaudeJun-
cker 2014 für den EU-Haushalt
zuständig machte. Dieser stieg
mit Georgiewa auf161 Milliarden
Euro. 2017wurde sie zurück in
die Weltbank berufen – es ging
um die grösste Kapitalerhöhung
in derGeschichte der Bank.
Die Tochter eines Strassenbau-
ingenieurswird am 13.Augus t 66
Jahre alt. Eigentlich dürfte sie als
IMF-Chefin nicht älter als65 sein.
DieseRegeln könnengeändert
werden. Georgiewawirkt ohne-
hin zehn Jahre jünger. Ihr wacher,
intere ssierter Blick fällt auf, eben-
so dieruhige Stimme.Wenn es
um ihrePosition alsFrau in einer
Männerdomänegeht, bleibt sie
nüchtern: «Ich musste doppelt so
hart arbeiten, um als gleich ange-
sehen zuwerden», sagt sie.Für
die nächstenGenerationenvon
Frauen sei das hoffentlich nicht
mehr notwendig.

Das Feldde rHerausfor derer
desUS-PräsidentenDonald
Trumpistschwach.Einige
träumenvonMi chelleObama.
Andreas Mink, New York

Nach der zweiten Runde von
Debatten um die Präsident-
schaftsnominierung derDemo-
kraten werden Beobachter und
Anhänger ernsthaft nervös: Eine
mitreissende Alternative zu
Donald Trumpfehlt immer noch.
Der 76-jährigeJoe Biden macht
als moderater «Champion der
Mittelklasse» einen lahmen bis
hilflosen Eindruck. Die Linken
Bernie Sanders und Elizabeth
Warren demonstrierenFeuer und
tun diegemässigteKonkurrenz
als feige Kleingeister ab.Doch bei
Umfragenkommen sie zusam-
men kaum an Biden heran.Des-
sen Umfragewerte sindweit er ge-
fallen.Von Kamala Harris, der
Senatorin aus Kalifornien, kann
anscheinend nicht einmal sie
selbst sagen,wo sie beizentralen
Themenwie Gesundheitswesen
oder Einwanderung steht.
Die Zahl der Kandidaten ist his-
torisch gross. Abergerade das
zeigt dieSchwäche desFeldes. Da
eine in der breiten Basis beliebte
Figurwie derfrüherePräsident
Barack Obamafehlt, haben sich
obskurePolitiker durch eineBe-
werbung zumindest einen Zu-
wachs anBekanntheit ausgerech-
net. Nun stehen sie einandervor
dem Licht. Zuletzt hat der pro-
gressive MilliardärTom Steyer
den Hut – und 100 MillionenDol-
lar – für einevöllig aussichtslose
Bewerbung in den Ringgeworfen.

Verzweiflung macht sich bei den


Demokraten breit


In Angstvor einer zweiten
Amtszeit Trumps suchenDemo-
kraten zunehmend verzweifelt
nachRettern.Der Filmemacher
Michael Moore bringt seit der
zweiten Debattenrunde Michelle
Obama ins Spiel. Aber diese
schliesst eine Kandidatur katego-
risch aus. Daneben setzenMedien
und Parteivolk aufkompetente
Persönlichkeiten wie Senator
Sherrod Brown aus Ohio oder die
Abgeordnete Stacey Abrams aus
Georgia.Doch selbst die tatkräf-
tige Afroamerikanerin hätte
kaum Zeit und Mittel, jetzt noch
eine schlagkräftigeWahlorganisa-
tion aufzubauen.
Aber letztlich lösenPersonal-
Debatten das grundlegendePro-
blem der Partei nicht.Momentan
spielen sich dieVorwahlen unter
Hardcore-Aktivisten ab. Bisher
haben nur 2,5 Millionen Amerika-

ner für demokratische Kandida-
ten gespendet. Nur ein Drittel der
rund 60 Millionen demokrati-
schenWähler folgt diesen auf den
sozialen Netzwerken. Noch sind
die demokratischenVorwahlen
also vor allem ein Thema für eine
Minderheit, dievon Jungen und
Radikalen dominiertwird. Der-
weil lehnen grosseMehrheiten in
Umfragen linke Plänewie eine
teure Verstaatlichung des Ge-
sundheitswesens ab.So gilt die
alteWeisheitweit er: Ohnege-
mässigte Wähler können die
Demokraten das Weisse Haus
nichtgewinnen.
Bis zur nächstenDebatte am


  1. Septemberwird das Feld auf
    acht oder zehn Bewerber
    schrumpfen. Bis dahinwird dann
    wahrscheinlich noch klarer, dass
    Trump für dieWahlen im Novem-
    ber 2020 sehr gute Karten hat.


Verschwundenejunge


Rumäninisttot


Im Fall der zwei ver-
schwundenen jungen
Frauen, der derzeit Rumä-
nien erschüttert, gibtes
traurige Gewissheit: Die
Knochenreste, die in der
Wohnung eines Tatver-
dächtigen im südrumäni-
schen Caracal gefunden
wurden,stammenvom
15-jährigen Mädchen, das
kurz vor ihrerTötung per
Notruf diePolizei verstän-
digt hatte. Das erklärte die
Staatsanwaltschaft in
Bukarest am Samstag. Der
Tatverdächtige habe die

Leiche des Mädchens in
einem Ofenverbrannt.
Unklar bleibtweiterhin,
was mit demzweiten
Opfer passiert ist.(dpa)

Englis cheStadtdroht


überflutetzuwerden


In einem dramatischen
Wettlauf gegen Zeit und
Wetter versuchen Helfer
im Städtchen Whaley
Bridge in Nordengland,
einen drohenden Damm-
bruch zuverhindern.
Schon für Sonntagnach-
mittag kündigte der Wet-
terdienst erneutestarke
Regenfälle an, die die Lage
verschärfen könnten. Ein-
satzkräfteversuchten

verzweifelt, die Struktur
des beschädigtenBau-
werks aus dem 19.Jahr-
hundert zustützen und
den Wasserstand im
Toddbrook Reservoir zu
senken. Ein Teil der Stadt
mit 6500 Ein wohnern
wurde evakuiert. In der
Region gabes inne rt 48
Stundenso viel Nieder-
schlag, wiesonst in einein-
halb Monaten.(dpa)

WaldbrändeinSibirien


wütenweiter


In Sibirienkämpfen Tau-
sende Einsatzkräfte noch
immer gegen die Wald-
brände. Allein in der
Region Irkutskwollten
4500 Freiwillige mit spe-
ziellenFeuerlöschern ver-
hindern, dass dieBrände
auf Siedlungen übergrif-
fen. Dasteilten dieBehör-
den am Samstag mit.
Auch das russische Militär
unterstützt die Lösch-
arbeiten. Inschwer
zugänglichen Gebieten

sind diese aber äusserst
schwierig. Lautder Forst-
verwaltung haben die
Feuer eine Fläche rund
3Millionen Hektaren ver-
nichtet. Das entspricht
etwa drei Vierteln der
Fläche der Schweiz. Die
Einwohner leidenseit
mehreren Tagen unter
den Auswirkungen der
Brände und klagenwegen
des giftigen Rauchs etwa
über Kopfschmerzen und
Atemnot.(dpa)

Sudan:Einigungauf


neueVerfassung


Militärführung und Oppo-
sition im Sudan haben sich
auf den Rahmen für eine
neueVerfassung geeinigt,
die auch diekünftige
Machtverteilung in dem
nordostafrikanischen
Landregeln soll. Dasteilte
der Vermittler Mohamed
Lebattvon derAfri kani-
schen Union amFreitag-

abend in Khartum mit.
Dies löste auf den Stras-
sen der Hauptstadt Jubel
aus. Der Militärrat und das
Oppositionsbündnis
Deklaration fürFreiheit
und Wandelhatten sich
Mitte Juli auf eine Macht-
teilung und die Bildung
einer Übergangsregierung
geeinigt.(dpa/afp)

JillBiden im Wahlkampf für ihren Mann Joe.(Sioux City, 1. 8. 20 19)

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