Neue Zürcher Zeitung - 04.08.2019

(Darren Dugan) #1

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NZZamSonntag4. August 2019
Schweiz

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DanielFriedli,


Laurina Waltersperger


Vital, zahlungskräftig und poli-
tisch bestens beschützt und um-
sorgt.SomögenvieleJunge die
älteren Generationen wahr-
nehmen. DieSenioren selber se-
hen das anders: «Täglichwerden
Menschen in derSchweiz auf-
grund ihres Alters diskriminiert»,
klagt derSeniorenrat, die oberste
Vertretung älterer Menschen
hierzulande. DiePolitik, fügt Co-
PräsidentinBea Heim an, tue zu
wenig, um dies zu ändern. «Die
Probleme der älterenMenschen
werden nicht gleich ernstgenom-
menwie jene der jüngeren.» Statt
derenPotenzial zu schätzen und
zu nutzen,würden ältereMen-
schengerade auf dem Arbeits-
markt alsKostenfaktor betrachtet
und allzu oft ausgemustert.
Den Unmut darüber tragen die
Senioren nun in diePolitik, und
zwar gleich mit zweiVolksinitiati-
ven. Die erstewirdderzeitvon
der «Allianzgegen Altersdiskri-
minierung»vorbereitet und ent-
hält eine klareForderung:Jede
Benachteiligung aufgrund des
Alters soll beseitigtwerden, so-
wohl imVerhältnis zum Staatwie
unter Privaten. Undwer sich als
Opfer sieht, soll dasRecht erhal-
ten, dagegen zu klagen.


BezahlbareBetreuung


ImVisier haben die Initianten
verschiedeneProbleme,wie Karl
Vögeli, Präsident desVerbandes
fürSeniorenfragen, sagt:Schwie-
rigkeiten bei derWohnungssuche
oder beim Abschluss einer Kran-
kenversicherung, Altersgrenzen
fürgewisse Ämter oder dieAus-
musterung imJob. «Es ist an der
Zeit, dass diesesProblem endlich
politischgelöstwird», sagtVögeli.
In denvergangenenJahren hat
auch die OECD dieSchweiz mehr-
fach darauf hingewiesen, dass
diese das in derVerfassungfest-
geschriebene Diskriminierungs-
verbot endlich auch auf ältere
Menschen auf dem Arbeitsmarkt
anwenden solle. Unterstütztwird
diese Initiativederzeitvon linken
wie bürgerlichenSenioren,vom
übergeordnetenSeniorenrat und
seit kurzem nun auchvon den
Gewerkschaftsverbänden SGB
und Travail Suisse.
Das zweite Initiativprojekt
fokussiert auf dieBetreuung. Hier
warnt der Verein «Netzwerk
Gutes Alter»vor einerSchieflage.
Seine Kritik: DieSozialversiche-
rungen decken heute nur Krank-
heit und medizinische Pflege ab,
nicht aber, was angesichts der
steigendenZahl alterMenschen


SeniorenrüstensichzumWiderstand


immerwichtigerwird, Betreuung
im Alltag,von der Hilfe im Haus-
halt bis zu neuenFormen des be-
treutenWohnens.Solcheteuren
Dienste müsstenSenioren meist
selber bezahlen. Dieswiederum
führe dazu, dass nochrüstige
Menschen allein deswegen zum
Eintritt ins Altersheimgezwun-
gen würden,weil dort der Staat
mitbezahlt. «Für alle älterenMen-
schen muss eine ganzheitliche
Alltagsunterstützung,Beratung,

Betreuung und Pflege erreichbar
sein, damit sie bis ins hohe Alter
ein möglichst selbstbestimmtes
Leben führen können», sagt
SimoneBertogg, ehemalige Zür-
cher Gemeinderätin und Vor-
st andsmitglied des Netzwerks.
Die Initianten fordern, dass
Bund und Kantone jedem Bürger
eine seiner Situation angepasste
Betreuung und Pflege garantie-
ren. Sie sollen dazu Mindestvor-
schriften erlassen und dauerhaft

finanzielleBeiträge leisten,wozu
wohl rasch Milliardenbeträge nö-
tigwürden. Hinter dem Netzwerk
stehen zahlreicheFachleute aus
dem Alters- und Pflegebereich so-
wie ehemalige und aktive Politi-
ker, unter ihnen Nationalrats-
präsidentin Marina Carobbio
(sp.). Der Verein will seine Initia-
tiveimFrühling 2020 lancieren.
Bereits jetzt ist absehbar, dass
beideBegehren aufkontroverses
Echo stossenwerden. DieFrage

Mehr Betreuung,keine Diskriminierung:Ältere Menschen kämpfen mit zweiVolksinitiativ en für mehrRechte


etwa, obSenioren diskriminiert
werden, ist umstritten,zumal sich
auchGegenbeispiele finden las-
sen: In der beruflichenVorsorge
werden seitJahren systemwidrig
Milliardenvon Jungzu Alt umver-
teilt.Seniorengeniessenvieler-
orts Rabatte, etwa im öffentlichen
Verkehr. Und an der Urneverliert
die Gruppe der über 60-Jährigen
kaum je eine Abstimmung.Bei
der ganzheitlichen Betreuung
dürfte vor allem die Finanzierung
zuredengeben.Sowarnt die FDP
schon heute, angesichts der stei-
genden Abgaben für Alters-
vorsorge und Krankenkassen
könne man der Allgemeinheit
nicht noch zusätzliche Pflegekos-
ten aufbürden.Siewill, dass jeder
mit einem privaten Pflegespar-
konto für das Altervorsorgt.

EinLuxuspr oblem
Auch der Bundesrat hat bis jetzt-
keine systematischeBenachteili-
gung der älterenMenschen aus-
gemacht. In seinem letzten um-
fassendenBericht zur Alterspoli-
tik, der schon gut 12Jahre alt ist,
beschrieb er die Situation der
älterenMenschen als «insgesamt
gut». «Das defizitäre Bild des

ALVAREZ / GETTY

IMAGES

ObaufdemArbeitsmarkt,beiderGesundheitsversorgungoderderWohnungssuche:Seniorenin PolitikundVerbändenforderneinebessereBehandlungältererMenschen.

«Täglich werden
Menschenin der
Schweizaufgrund
ihresAl ters
diskriminiert.»

Alters ist nicht mehrzeitgemäss.»
Aus derWissenschaftkommen
derweil unterschiedliche Signale.
Der bekannte Altersforscher
François Höpflinger sieht vor
allem bei derBetreuung Hand-
lungsdruck. Hierwerde derBe-
darf in naher Zukunft stark
steigen, und darauf müsse die
Schweiz organisatorisch wie
finanziell eine Antwort finden.
In die allgemeine Klage über
dieBenachteiligung ältererMen-
schenwill Höpflinger aber nicht
einstimmen. Alles in allem sei die
Schweizer Alterspolitik im inter-
nationalenVergleich gut aufge-
stellt. Die Kantone undGemein-
denverfügten über zahlreiche
Angebote, zumTeil soviele, dass
derÜberblick und dieKoordina-
tion schwer fielen. «In diesem
Sinne», soHöpflinger, «habenwir
hier ein Luxusproblem.»

NichtnurmitInitiativen,auch
imWahlkampfsinddieSenioren
derzeitaktiv.ZudenNational-
ratswahlenvomOk tobertreten
inetlichenKantonenseparate
Seniorenlistenan.AlsVorkämp-
ferfürdieVertretungälterer
MenschenimParlamentsetzt
sichderAargauerSVP-National-
ratMaximilianReimannin
Szene.Erwurdenachtotal
32JahrenimBundeshausvon

Wahlkampf


ÄlteredrängeninsBundeshaus


seinerParteinichtmehraufge-
stellt.StattdessentrittRei-
mannnunmiteinemeigenen
«Team65+»an,demaberbereits
Konkurrenzerwachsenist:
AuchSPundEVPschickenim
AargauSeniorenlistenins
Rennen.AufdasselbeMittel
setzenauchdieSVPZürich,die
SPSolothurnundFreiburgoder
dieGrünenimThurgauundin
St.Gallen.Allerdingshinkendie

Seniorendiesbezüglichden
Jungparteienimmernochweit
hinterher.DiesesindimWahl-
kampfquerdurchsLandmit
eigenenWahllistenpräsent.
GemeinsamistAltundJung
dafürdies:Bisherhat nochnie
jemandaufeineraltersspezifi-
schenListe dieWahlgeschafft.
Werdortkandidiert,dient
primäralsStimmenlieferantfür
diejeweiligeHauptliste.(dli.)

Im Kanton Zürich steigt
die Gefahr durch starke
Niederschläge. Der
Klimawandel ist einGrund,
aber nicht der wi chtigste.
RenéDo nzé

AnfangJuli haben heftigeGewit-
ter eine ebenso heftige Hitzewelle
in derSchweiz beendet:Keller
und Unterführungen wurden
überflutet,Schachtdeckel aus der
Verankerung gerissen, Bäume
stürzten auf Strassen. Insgesamt
84-malrückten dieFeuerwehren
in jener Nacht allein im Kanton
Zürich aus.
Solche Einsätze dürften sich in
Zukunft häufen. Mit dem Klima-
wandel steigen nicht nur die
Temperaturen, auch dieZahl von
Extremereignissen wie Stark-
niederschlägen nimmt zu. Dies
zeigt einePilotstudie imAuftrag

ImmermehrPersonenvonUnwetternbedroht


des Bundesamts für Bevölke-
rungsschutz, durchgeführt mit
Daten aus dem Kanton Zürich.
DemnachwirddieZahl der Un-
wettereinsätze aufgrund des
Klimawandels bis 2040 umrund
20 Prozentzunehmen.Ausge-
wertetwurden16 000 Einsätze
derJahre 2005 bis 2018, die im
Zusammenhang mit Wasser-
gefahren standen. Diesewurden
abgeglichen mit den entspre-
chendenWetterdaten.
Das Ergebnis überraschtFach-
leutewenig:«Wir stellen schon
langeeine Zunahme der Unwetter
fest», sagt Rainer Büchel,Team-
leiter Einsatzplanung beiSchutz
undRettung Zürich.Auch in der
nationalen Statistik zeigt sich
eine steigendeTendenz bei den
Unwettereinsätzen.
Der Trend dürfte anhalten.
«Wir gehen davon aus, dass Ele-
mentarereignisse alsFolge des

Klimawandels noch zunehmen
werden», sagt Alexander Kreth-
low,Generalsekretär derRegie-
rungskonferenz Militär, Zivil-
schutz undFeuerwehr. Die Studie
biete darum auch für andere Kan-
tone eine «gute theoretische
Basis fürweiterführende Analy-
sen», sagt er.
Stärker als dieZahl der Unwet-
ter wird indes die Anzahl der be-
troffenenPersonen steigen;ge-
mäss der Zürcher Studie bis 2030
umrund 25Prozent. Bis 2040
werden es 40Prozent mehr sein.
Grund für diese Entwicklung ist
dasBevölkerungswachstum und
dieBautätigkeit.Sowerden allein
im Kanton Zürich in 20Jahren
rund 150 000Personen zusätz-
lich in gefährdeten Gebieten
wohnen. In den allermeistenFäl-
len (75Prozent) sind es oberfläch-
licheWassermassen, die zu den
Schäden führen, nur in 25Pro-

zent sind es überquellendeBäche
und Flüsse.
Die Studie soll mithelfen, künf-
tige Schäden zu minimieren.
«ÜberfluteteKellerkönnten oft
durch bauliche Massnahmenver-
hindertwerden», sagt Einsatz-
planer Büchel. Zudemwird dank
besserenMeteo-Daten die Pla-
nungvereinfacht. «Jegenauer die
Lagevorausgesagtwerden kann,
desto schneller können wir
unsere Einsätze disponieren.»
Laut Studie ist mit mehr als 50
Einsätzen im Kanton zurechnen,
wenn es in drei Stunden mehr als
15 Millimeterregnet oder innert
12 Stunden 30 Millimeter. Anfang
Juli fielen bis zu 55 Millimeter in
einer Stunde. Man war daraufge-
fasst:Auf der Einsatzleitzentrale
von Schutz undRettung war jeder
Notfallplatz besetzt, um dievie-
len Anrufe anzunehmen und die
Einsätze zu disponieren.

Zentrum für Rehabilitation und Erholung

CH-6083 Hasliberg Hohfluh,Telefon +41 33 972 55 55
http://www.rehaklinik-hasliberg.ch

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