Neue Zürcher Zeitung - 04.08.2019

(Darren Dugan) #1

NZZamSonntag4. August 2019


Schweiz 9


InKürze


Richter pochen auf
Unabhängigkeit

Nach der KritikamUBS-Urteil
desBundesgerichtswarnen
Richter vor politischer Einfluss-
nahme. Mansei besorgt über
die Abwahldrohungenvon
Exponenten verschiedener
politischerParteien,schreibt
die Schweizerische Vereini-
gung der Richterinnen und
Richter in einer Mitteilung. Die
Unabhängigkeit der Gerichte
gehöre zu denFundamenten
des Rechtsstaates. Essei
inakzeptabel, bei politisch
unliebsamen Urteilen mit der
Nichtwiederwahl von Richtern
zu drohen.(dli.)

Rollerfahrer stirbt
bei Verkehrsunfall

Ein53-jähriger Rollerfahrer ist
amFreitagnachmittag in Ville-
neuve im Kanton Waadt mit
einem Lastwagen zusammen-
geprallt. Er wurde unter dem
Lastwagen eingeklemmt und
verstarb trotz Befreiung durch
dieFeuerwehr noch auf der
Unfallstelle, wie die Kantons-
polizei am Samstag mitteilte.
Der Lastwagenchauffeur
wurde nichtverletzt.(sda)

Frau in Basel
ausge raubt

AmFreitagnachmittag ist eine
25-jährigeFrau inBasel über-
fallen und beraubtworden.
Wie die KantonspolizeiBasel-
Stadt am Samstag mitteilte,
habe derTäter dieFrau im
Treppenhaus eines Mehrfami-
lienhauses beimBetreten ihrer
Wohnung angesprochen. Er
habe Geld gefordert und sie in
ihre Wohnung gedrängt. Dabei
habe er sie mit einer Stichwaffe
verletzt und ihr Handy gestoh-
len. DieFrau begab sich auf die
Strasse, woihr Passanten
halfen. Sie wurde in eine Not-
fallstation gebracht.(sda)

Zwei Schweizerauf
Mallorca verhaftet
Zwei betrunkene Schweizer
Männer im Altervon 26 und 30
Jahren sind am Donnerstag am
Flughafenvon Mallorcaverhaf-
tet worden. Dies berichteten
spanische Medien. Die Männer
hätten Passagiere angepöbelt
und diePolizei angegriffen, als
diese ihrePässesehenwollte.
Der eine habe dieBeamten mit
einer Flasche attackiert.(zzs.)

MA

RTIAL TREZZINI

/ KEYSTONE

Zu unbekannt: Das Genfer Uno-Quartier mit der Place des Nations.

Weildie Leutezu wenigüber


dasinternationaleGenf


wüssten,willderBundeine


neueNews-Plattform


subv entionieren.DasProjekt


sollAnfang2020starten.


Daniel Friedli,


Andrea Kučera


Der Bund ist nicht zufrieden mit
derAusstrahlung des internatio-
nalenGenf in dieWelt. DasAus-
sendepartementwill deshalb zu-
sammen mit dem Kanton und der
StadtGenf eine journalistische
Plattform subventionieren, die
ausschliesslich über das interna-
tionaleGenf berichtet. «Die hier
ansässigen internationalen Orga-
nisationen erbringen Service-
public-Leistungen weltweit», be-
gründet Sprecherin Paola Cere-
setti dasVorgehen. Die Öffentlich-
keit sei sich dessen aber zuwenig
bewusst: «Deshalb braucht es eine


Bund finanziert News über die Uno


solche Plattform.» DieProjektaus-
schreibung ist seit einerWoche
auf derWebsite derMission des
Bundes bei der Uno inGenf aufge-
schaltet, bis zum 31.August kann
man sich bewerben. Traditionelle
Medienhäuser sind allerdings
ausgeschlossen; die Anwärter
müssen entweder alsVerein oder
als Stiftungkonstituiert sein. Die
Aufgabe der neuen Plattform
besteht darin, eigene journalisti-
sche Inhalte sowie Berichte ande-
rer Medien über das internationa-
le Genf zuverbreiten. Weiter sol-
lenJournalistenvon aussen bei
ihren Recherchen unterstützt
werden, und die Plattform soll
einenKongressort betreiben. «Die
journalistische Unabhängigkeit ist
selbstverständlich garantiert»,
schreibt Ceresetti.
SVP-Aussenpolitiker Roland
Büchel ist trotzdem nicht über-
zeugt: Er stehe zwar hinter dem
internationalenGenf, aber sol-

ches «PR-Zeugs» sei überflüssig,
sagt der St. Galler. «Die unabhän-
gigenMedien sind in derLage,
über das internationaleGenf zu
berichten.» Es brauche dafür
keinen Propaganda-Kanal mit
öffentlicher Unterstützung. «Das
ist nichtAufgabe des Staates.»
Positivreagiert hingegen der
Genfer SP-Nationalrat undAus-
senpolitikerCarloSommaruga:
Zusammen mit Parteikollege
ManuelTornare habe er schon
lange gefordert, dass dieKommu-
nikation über das internationale
Genf verstärktwerde. «Es ist sehr
positiv, dass das jetzt umgesetzt
wird.» Auf dieFrage, ob esAuf-
gabe des Staates sei, einen sol-
chen Kanal zu mitzufinanzieren,
sagt er: «Ja klar. Das istTeil der
Rolle derSchweiz als Gaststaat
der internationalen Organisatio-
nen.» ImÜbrigen hätten auch die
Entwicklungszusammenarbeit
und das Staatssekretariat für

Wirtschaft eigenePublikationen,
und dasVerteidigungsdeparte-
ment finanziere gar mehrere Zeit-
schriften.«Warum soll nicht auch
das internationaleGenf eine eige-
ne Plattform bekommen?»
Wie derAusschreibung zu ent-
nehmen ist, darf sich die neue
Plattform nicht ausschliesslich
auf die Subventionen der öffent-
lichen Hand abstützen, sondern
mussweitereGeldgeber finden.
Wie hoch die Subventionen aus-
fallenwerden, ist noch offen. Das
neueProjektwerde aber etwa
gleichviel bekommenwie bis an-
hin der «Club Suisse de laPresse»,
schreibt Ceresetti. DieserVerein
organisiert seit 1997 Konferenzen
in einerVilla in der Nähe desVöl-
kerbundpalastes und unterstützt
Journalisten, die über das inter-
nationaleGenf berichten. Erwird
mitrund 300 000Franken jähr-
lich unterstützt. Das neueProjekt
soll Anfang 2020 starten.

Andrea Kučera


ClaudeBéglé ist einweitgereister
Mann. Und auch das ist noch
untertrieben: Allein 2018 habe er
wohl fünfmal dieWelt umrundet,
sagte der Waadtländer CVP-
Nationalrat im letztenDezember
der Zeitung «Le Matin». Er müsse
ständig inBewegung sein.Kein
Wunder, ging es auch diesesJahr
im gleichen Stilweiter,wie Béglés
Twitter-Account zu entnehmen
ist:«Sonnenuntergang inGoa»,
twitterte er am6. Januar, «inten-
siveArbeitstageinPune», zwei
Tagespäter. Am 21.Januar war er
auf dem Jungfraujoch, am



  1. Januar in China: «Blauer Him-
    mel überPeking», schrieb er.
    Am5. Juli tratBéglé dann eine
    langeAsienreise an, die ihn unter
    anderem nachBangalore («Früh-
    stück mit meinemFreundLalit»),
    nachPeking («exzellente Gesprä-
    che») und bis nach Nordkorea
    führte.Aus Pjongjang sonderte
    Béglé am 20.Juli schliesslich jene
    Tweets ab, die nun seineWieder-
    wahl im Oktobergefährdenkönn-
    ten. Die CVP behält ihn zwar als
    Spitzenkandidaten in derWaadt,
    geht aber öffentlich auf Distanz.
    «Das ist die guteSeite des
    Sozialismus»,kommentierte der
    69-jährige ehemalige Postchef
    eineTanzaufführungvon Kin-
    dern. «Die Kinder dürfen lernen,
    was siewollen: klassischeMusik,
    Kalligrafie, Stickerei.» Beein-
    druckt warBéglé auchvon einer
    Textilfabrik mitSchwimmbecken
    undCafeteria. DieLöhne seien
    zwar tief, aber der Staat sorgesich
    um alles:Reis, Unterkunft, Bil-
    dung. «Es funktioniert besser, als
    manvermutenkönnte.»


Politischer Quereinsteiger


Wer ist dieser Mann, der sich in
Nordkorea als inoffizieller Diplo-
mat aufspielt?Schliesslich traf
Béglévor Ort denVizepräsiden-
ten des Zentralkomitees der
Arbeiterpartei, danach kam es in
derMongolei zu einemDebriefing
mit örtlichenBehörden. Zurück
in derSchweiz,will Béglé dem
US-Botschafter in Bern einen
Reisebericht undAussenminister
IgnazioCassis eine Einladung der
Nordkoreaner überreichen. Ziel
seigewesen, sagteBéglé der Zeit-
schrift «L’Illustré», mit seinen
lobendenTweets dasTerrain zu
bereiten, damit dieSchweiz der-
einst ihre Guten Dienste anbieten
könne,wenn es zu einer Öffnung
desLandeskomme. Nationalrats-


In 365 Tagen fünfmal um die Welt


kollegen, die mitBéglé in derAus-
senpolitischenKommission sit-
zen, schütteln den Kopf: Man
könne nicht zuerst Partei ergrei-
fen und später glaubhaft zwi-
schen zweiSeitenvermitteln. Das
Aussendepartement lässtverlau-
ten, eskommentierekeine priva-
ten Reisen. CVP-Vizepräsident
CharlesJuillard sagte amWest-
schweizer Radio, das alles sei sehr
ärgerlich für die Partei, manteile
Béglés Einschätzung nicht:
«Nordkorea bleibt aufgrund der
Menschenrechtslage ein Land,
mit dem mankeinen Umgang
pflegen sollte.»
ClaudeBéglé hat eine beein-
druckende internationale Kar-
riere hinter sich, als er 2015 für
die CVPWaadt in den Nationalrat
gewähltwird. Er studierteRecht
und internationaleBeziehungen,
bevor er einenDoktortitel inWirt-
schaft erwarb.Laut eigenen An-
gaben arbeiteteer für den Bund in
Nepal, für dasRote Kreuz in Sim-
babweund vierzehnJahre lang

für Nestlé inMexiko, Nigeria und
einer HandvollweitererLänder.
Später war erGeneraldirektorvon
PhilipMorris inPolen und arbei-
tetefürdiefranzösischePost, die
DeutschePost und den privaten
Logistikanbieter DHL. In Erinne-
rungister der Öffentlichkeitvor
allem alsgescheiterterPräsident
derSchweizerPost:Weniger als
ein Jahr nach Amtsantritttrat
Béglé nach internen Querelen im
Januar 2010 zurück. Danach
gründete erSymbioswiss, eine
Firma zur Innovationsförderung
imBereich Nachhaltigkeit.
Erwolle demLand etwas zu-
rückgeben, begründeteBéglé im
Wahlkampf 2015 den Querein-

KeinParlamentarier reist sovielwie derWaadtländerCVP-Nationalrat ClaudeBéglé.Der


Manngilt nichter st seitseinenKommentarenzuNordkore aalsOriginalinBundesbern


stieg in diePolitik. ImVisier hatte
er dabei primär dieWeltpolitik.
Ende 2018 schrieb er in seiner tra-
ditionellen Neujahrskarte, die
Welt werde immer unvorherseh-
barer. Als Indizien nannte er den
Nationalismus, den Handelskrieg
USA - China, die Militarisierung,
denTerrorismus und den Migra-
tionsdruck. «Als Parlamentarier
versuche ich, dieseFragen zuver-
tiefen undLösungen zu erarbei-
ten.»Bonne chance!

«Ich liebe mein Amt»
Dievielen Treffen mit hochrangi-
gen Würdenträgern aus allerWelt
kontrastieren indes mit dem Bild,
dasBéglé in Bundesbern abgibt:
Meist trifft man denfast zwei
Meter grossenHünen allein an
seinem Arbeitsplatz in der
Wandelhalle, die langen Beine
unter derHolzplatte zusammen-
gefaltet,konzentriert auf seinem
Laptop hackend. Ratskollegen
beschreiben ihn als Einzelgänger
undFreigeist, als pausenlosen
Schaffer und ausschweifenden
Redner, dessenWort in derAus-
senpolitischenKommission je-
doch kaumGewicht habe.
2016 gerietBéglé in die Kritik,
als er mit anderen Nationalräten
auf Einladung derRegierung in
Asmara Eritrea bereiste. 2018
gründete er auf einenSchlag fünf
neue parlamentarische Gruppen,
wobei erPersonen zuVizepräsi-
denten ernannte, ohne sie um Er-
laubnis zufragen.Beeindruckend
ist auch dieFrequenz, mit der
Béglé den Bundesrat auf Trab
hält. Niemandreicht wohl so
vieleVorstösse einwie derWaadt-
länder,wobei er stets auf das
grosse Ganze zielt.Sowollte er
etwa im Maivom Bundesratwis-
sen,wie dieser denSchweizer
Pioniergeist stimulierenwolle.
«Er macht sovieleVorstösse, dass
man am Schluss nicht mehr
weiss, was ihmwirklichwichtig
ist undwofür er steht», sagt ein
Weggefährte aus derWaadt.
Vielleicht ist das das grösste
Problem ClaudeBéglés: Alles an
ihm ist überbordend, dieReisen,
diePräsenz aufSocial Media, die
Zahl derVorstösse – und die An-
zahl Handys.Aus seiner Zeit als
Postchef ist überliefert,wie er
stets drei Telefone mit sich
herumtrug. Er liebe sein Amt als
Nationalrat, schriebBéglé in sei-
ner Neujahrskarte. «Manchewer-
den mirvorwerfen, ich mache zu
viel.» Aber erkönne nicht anders:
«Ich machekeine halbenSachen.»

Vielleicht ist das
das grösste
Problem Claude
Béglés:Alles an ihm
ist überbordend.

JEAN-CHRISTOPHE

BOTT / KEYSTO

NE

«Ich mussständig inBewegung
sein.» ClaudeBéglé in Tibet
(links oben), inBerlin (rechts
oben), am Ganges (links unten)
und inPeking (rechts unten).
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