Die Welt Kompakt - 30.07.2019

(avery) #1

24 REISE DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,30.JULI2019


J

a, wo sind sie bloß geblie-
ben, die fast karibisch
anmutenden blaugrünen
Buchten der Tiroler
Ache? Am Vortag noch kühlten
sich hier mutige Schwimmer im
klaren Wasser des Gebirgsflusses
und wärmten sich danach auf den
feinen, weißen Kiesstränden zu
beiden Seiten des in der Sonne.

VON BETTINA BERNHARD

Diese Szenerie bescherte
sämtlichen Wanderern auf dem
sogenannten Schmugglerweg,
der durch die Schlucht der Ache
hinauf zum Klobenstein führt,
nahezu unwiderstehliche Foto-
motive. Auf den versteckten
Pfaden im Grenzland zwischen
Österreich und Bayern brachten
fffrüher Händler Wein und Stofferüher Händler Wein und Stoffe
aus Italien mit und Salz aus Ös-
terreich zurück. Während der
WWWeltkriege fanden hier Alkoholeltkriege fanden hier Alkohol

und Zigaretten ihren Weg ins
AAAusland.usland.
VVVerschwitzt von der Tourerschwitzt von der Tour
über die schmalen, steinigen
Pfade und ein bisschen neidisch
schauten die Wanderer von der
wackligen Hängebrücke über
dem „Entenloch“ hinunter auf
die Badenden und zückten ver-
zückt Handys und Kameras, um
das Idyll festzuhalten. Wobei das
„Entenloch“ mit Wasservögeln
nichts zu tun hat, es bezeichnet
das Ende des Lochs, also der Ge-
birgsklamm, die der Fluss über
Jahrmillionen ins Gestein fräste.
Einst war diese Engstelle der
Schlucht nur 3,4 Meter breit.
Doch weil sich bei Hochwasser
hier gern das Wasser staute,
dann ungestüm entlud und zu-
letzt 1904 den Ort Kössen kom-
plett überflutete, wurde 1906 ge-
sprengt und die Klamm auf elf
Meter verbreitert. Nur einen Tag
später ist kaum eine Menschen-

seele mehr unterwegs in den
Bergen zwischen dem österrei-
chischen Tirol und Bayern, nicht
einmal mehr weiß-blaue Grenz-
schützer. Nur eine Gruppe von
dick gepolsterten Männern mit
roten Kunststoffhelmen, einge-
hüllt in Neoprenanzüge und sig-
nalfarbene Schwimmwesten, im
Schlepptau ein großes, orange-
fffarbenes Schlauchboot. Sie sindarbenes Schlauchboot. Sie sind
die einzigen Farbtupfer in der
Szenerie, denn der Himmel trägt
heute Grau, der Wald Graugrün
und die Tiroler Ache präsentiert
sich als schäumende, hellbraune
Brühe, keine karibische Anmu-
tung mehr. So hatte sich keiner
der Gäste die Raftingtour
vorgestellt.
Stefan Lukas, der Raftinggui-
de, lacht. „Der viele Regen hat
Sediment aufgewühlt. Dafür hat
er das Wasser ein bisserl wild ge-
macht. Und nass werden wir
beim Rafting eh!“ Spricht’s und

In rund 8000


Jahren wird der


Chiemsee


Geschichte sein,


denn die Tiroler


Ache füllt ihn


unaufhörlich mit


Alpengestein auf.


Bis dahin bleibt die


Gegend ein Revier


für Wassersportler,


Wanderer und


Naturfreunde


Vergängliche Schönheit


T


iming – nicht mehr und
nicht weniger entscheidet
üüüber das Leben, oder? Wä-ber das Leben, oder? Wä-
re ich 30 Jahre früher zur Welt
gekommen, hätte ich vor weni-
gen Wochen (sprich im Sommer
des Jahres 1958) mit Marilyn
Monroe urlauben können. Oder
Tony Curtis beim Planschen im
Pool beobachtet. Denn die bei-
den Hollywoodstars drehten ih-
ren wohl berühmtesten Film
„Some Like It Hot“ im minde-
stens ebenso legendären „Hotel
del Coronado“, das ich mir einen
Tag lang angeschaut habe.
Das Haus in San Diego, 1888
im viktorianischen Stil gebaut,
gehört damals wie heute zur er-
sten Adresse für alle, die einen
Dollar mehr verprassen können:
von Unternehmerfamilien na-
mens Vanderbilt und Astor über
amerikanische Präsidenten bis
hin zu Mitgliedern zahlreicher
Königsfamilien. Charles Lind-
bergh kam 1927 nach seinem Flug
üüüber den Atlantik vorbei – nachber den Atlantik vorbei – nach
so einem Unterfangen konnte
ein wenig Entspannung wohl
nicht schaden. „Allerdings sah
der Aufenthalt der Promis früher
ganz anders aus als der der Gäste
heute“, erzählt Hotel-Archivarin
Gina Petrone. Statt Zimmer zum
Meer bevorzugten die Damen
und Herren vergangener Tage
eine Unterkunft mit Blick in
Richtung Innenhof. „Die frische
Luft atmeten sie gerne auf extra
eingerichteten Terrassen ein“,
weiß Petrone. „Ansonsten aber
spielte sich das Leben nicht am
Pazifik ab, sondern im Gartenbe-
reich – denn die meisten Gäste
konnten nicht schwimmen und
mieden die Sonne.“ Aufenthalte
wie vor einem Jahrhundert, als
Urlauber drei bis vier Monate
blieben, erscheinen kaum noch
erschwinglich: Während ein Zim-
mer damals für drei Tage 2,50
Dollar kostete, beginnen die
Preise heute bei 329 Dollar – pro
Nacht. Die „Sea Cottages“ am
Strand schlagen mit bis zu 5000
Dollar zu Buche. 200 Millionen
Dollar investiert der Eigentümer,
eine Private-Equity-Firma aus
New York, in eine groß angelegte
Renovierung. Derzeit hofft Gina
Petrone auf den Anruf eines für
sie ganz besonderes Mannes:
„George Clooney scheint Inter-
esse zu haben, hier zu filmen.“
Anders als bei Marilyn könnte
ich doch wenigstens dann dabei
sein!? Sogar ganz ohne Zeitreise.
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