Handelsblatt - 30.07.2019

(Nandana) #1

Mathias Peer Bangkok


D

en südostasiatischen
Stadtstaat Singapur
weiß Donald Trump
als neutralen Ort zu
schätzen: Vor einem
Jahr wählte er die Finanzmetropole
als Schauplatz für sein erstes Gipfel-
treffen mit dem nordkoreanischen
Diktator Kim Jong Un. Nun sieht es so
aus, als würde Singapur den Ameri-
kanern inmitten des Handelskonflik-
tes auch eine Annäherung mit China
ermöglichen.
Die beiden größten Volkswirt-
schaften der Welt wollen einem neu-
en Uno-Abkommen zur Lösung in-
ternationaler kommerzieller Konflik-
te bei treten, das in der kommenden
Woche in Singapur von den ersten
Teilnehmerstaaten offiziell unter-
schrieben werden soll. Das sagte
Singapurs Justizminister Kasiviswa-
nathan Shanmugam, der das Ab-
kommen bei den Vereinten Nationen
vorangetrieben hat, im Gespräch mit
dem Handelsblatt. Die Unterschrift
der USA ist demnach bereits sicher.
China habe informell zugesagt, eine
schriftliche Bestätigung stünde noch
aus. „Wir haben respektable Länder,
die unterzeichnen“, sagte Shanmu-
gam. Das Abkommen werde so den
internationalen Rahmen zur Kon-
fliktlösung stärken.
Konkret geht es bei der Vereinba-
rung um neue Regeln für die Lösung
grenzüberschreitender Streitigkeiten
zwischen Unternehmen mithilfe von
Mediationen. Neben Verfahren vor
Zivil- oder Schiedsgerichten sind Me-
diationen eine der wichtigsten Mög-
lichkeiten zur Konfliktlösung. Ihr Vor-

teil ist, dass sie weniger lang dauern
und geringere Kosten verursachen als
Prozesse oder Schiedsverfahren.
Doch bisher waren Mediationsergeb-
nisse juristisch schwer durchsetzbar


  • und drohten am Ende doch in auf-
    wendige Prozessen zu münden, sollte
    sich eine Seite nicht an die Abspra-
    chen halten. Das nach Singapur be-
    nannte Abkommen, die „Singapore
    Convention on Mediation“, soll das
    nun ändern und künftig die juristi-
    sche Durchsetzbarkeit der Vereinba-
    rungen garantieren.
    Singapurs Regierung rechnet da-
    mit, dass sich die neuen Regeln
    schnell ausbreiten werden: „Mindes-
    tens 25 Länder haben zugesichert, zu
    unterzeichnen – vielleicht werden es
    sogar 30 sein“, sagt der zuständige
    Minister Shanmugam. EU-Länder
    würden demnach noch nicht beitre-
    ten. Der Staatenblock müsse erst
    noch klären, ob ein Beitritt auf natio-


naler Ebene möglich sei, oder ob die
EU als Ganzes zuständig sei. Shanmu-
gam gibt sich überzeugt, dass das Ab-
kommen für Europa nützlich wäre.
„Es wird vielen europäischen Staaten
helfen, die an internationalem Han-
del interessiert sind – ganz besonders
Deutschland“, sagt er. Gute Regel-
werke seien für grenzüberschreiten-
de Geschäfte entscheidend. Das gelte
auch für seine exportorientierte Hei-
mat: „Singapur ist eines der kleinsten
Länder der Welt, wir liegen beim Au-
ßenhandel aber auf Platz 14.“
Aktuell erweist sich die Exportab-
hängigkeit als Problem für den Stadt-
staat. Kaum ein Land in Asien bekam
die konjunkturellen Auswirkungen
des US-chinesischen Handelskonflikts
so deutlich zu spüren wie Singapur.
Im Juni brachen die Warenausfuhren


  • abgesehen von Erdöl – im Vergleich
    zum Vorjahr um mehr als 17 Prozent
    ein. Es war der stärkste Rückgang seit



  1. Das Wirtschaftswachstum fiel
    im zweiten Quartal auf 0,1 Prozent –
    den niedrigsten Stand seit der globa-
    len Wirtschaftskrise vor einem Jahr-
    zehnt. Analysten erwarten eine tech-
    nische Rezession.
    Von dem Singapur-Abkommen er-
    hofft sich das Land nun aber einen
    wirtschaftlichen Schub. Der Staat will
    sich als Asiens Zentrum für interna-
    tionale Konfliktlösungen in Szene set-
    zen – und so den Standort stärken.
    „Wenn sich Investoren fragen, wel-
    ches Land ihnen in Asien Sicherheit
    bietet, dann ist Singapur sehr attrak-
    tiv“, sagt Shanmugam. „Wir haben
    einen hochangesehenen Rechts-
    staat.“ Bereits in den 90er-Jahren po-


sitionierte sich das Land mit der
Gründung des Singapore Internatio-
nal Arbitration Centres als Streit-
schlichter. Das Zentrum schnitt 2018
in einer Umfrage der britischen
Queen-Mary-Universität als das welt-
weit drittbeliebteste Schiedsgericht
ab – hinter Gerichten in London und
Paris. Seit 2014 bietet Singapur auch
ein internationales Zentrum für Me-
diationen.
Anfang des Jahres vereinbarte Sin-
gapur mit China die Einrichtung
eines Mediationsverfahrens für Strei-
tigkeiten mit Blick auf Pekings Sei-
denstraßeninitiative. Bei dem Infra-
strukturprogramm kam es zuletzt in
mehreren Ländern zu Spannungen.
Malaysia warf China beispielsweise
vor, beim Bau einer Schnellbahnstre-
cke überhöhte Preise berechnet zu
haben. „Sowohl China als auch die
jeweiligen Länder wollen Auseinan-
dersetzungen schnell lösen, wenn es
zu welchen kommt“, sagt Shanmu-
gam. Singapur sei in einer einzigarti-
gen Position, um in solchen Fällen
zu helfen.
Auch deutschen Unternehmen
empfiehlt der Minister, Konflikte bei
ihren Asiengeschäften in Singapur
lösen zu lassen. Paul Weingarten,
Singapur-Chef des Beratungsunter-
nehmens Rödl & Partner, zeigt sich
hingegen zurückhaltend. Der Erfolg
von Instrumenten wie der Mediation
werde sich erst in den kommenden
Jahren zeigen, schrieb er im Januar
in einem Kommentar. Er will abwar-
ten, wie die Verfahren unter dem
Singapur-Abkommen in der Praxis
ablaufen.

Mediation


Annäherung zwischen USA und China


Beide Länder treten dem Singapur-Abkommen zur Lösung kommerzieller Konflikte bei. Das ist keine


Revolution, aber in Zeiten der Handelskriege und diplomatischen Irritationen ein positives Signal.


Mindestens


25 Länder


haben


zugesichert


zu unter -


zeichnen –


vielleicht


werden es


sogar 30 sein.


K. Shanmugam
Justizminister von
Singapur

Singapurs
Justizminister
K. Shanmugam:
„Wir haben einen
hochangesehenen
Rechtsstaat.“

Ore Huiying/Bloomberg

Leah Millis/REUTERS

Auf dem Weg
nach Singapur:
Der US-Präsident
hat gute Erfahrungen
mit dem Stadtstaat
gemacht, wo er sich
mit Nordkoreas Dikta-
tor Kim Jong Un traf.

Wirtschaft & Politik
DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144

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