Handelsblatt - 30.07.2019

(Nandana) #1

Axel Höpner München


V

ielfalt ist eines der großen Themen
von Siemens-Personalchefin Janina
Kugel. „Diversity machen wir nicht
aus Mode, wir machen das nicht, weil
es schick ist“, sagte die 49-Jährige ein-
mal bei einem Auftritt bei der Initiative Chefsache.
Alle Untersuchungen zeigten, dass Unternehmen
und Organisationen, „die wirklich die Vielfalt abbil-
den, erfolgreicher und besser sind“.
Kugel aber, die das Thema Diversity bei Siemens
vorantrieb wie keiner ihrer Vorgänger, wird den
Konzern verlassen. Ihr Vertrag, der noch bis Ende
Januar läuft, wird nicht verlängert werden. Da der
Siemens-Vorstand mit acht Mitgliedern für das
neue Holdingmodell zu groß ist, gilt es in Aufsichts-
ratskreisen als gut möglich, dass einer ihrer männ-
lichen Kollegen das Personalressort mit überneh-
men könnte.

In Sachen Diversität kommt erschwerend hinzu:
Auch die Zukunft von Energie-Vorstand Lisa Davis
ist ungewiss. Ihre Berufung läuft noch gut ein Jahr
mit einer Option auf Verlängerung um ein weiteres
Jahr. In Unternehmenskreisen wird nicht damit ge-
rechnet, dass sie den Energiekonzern führen wird,
der 2020 abgespalten wird. Damit zeichnet sich
auch ihr Abschied ab. Vor wenigen Wochen hatte
auch Stabschefin Mariel von Schumann den Kon-
zern verlassen, die als mächtigste Managerin bei
Siemens unterhalb des Vorstands galt.
Für den Aufsichtsrat, der am Mittwoch tagt, ent-
steht damit Handlungsbedarf. Denn vor zwei Jah-
ren legte er für den Vorstand einen Frauenanteil
von 2 von 8, also von 25 Prozent, als Zielgröße für
das Jahr 2022 fest. Im Moment wird die Quote mit
Kugel und Davis erreicht. Im Umfeld des Aufsichts-
rats hieß es, das Gremium müsse sich in den

nächsten Monaten mit vielen Personalfragen be-
schäftigen. „Diversity ist ein Aspekt dabei.“
Bei Siemens ist der Abgang Kugels auf allen Flu-
ren Thema. Wegen ihrer zahlreichen öffentlichen
Podiumsauftritte hat Kugel im Haus nicht nur An-
hänger. Manche werfen ihr auch vor, sie habe in
letzter Zeit eine gewisse Distanz zum Unternehmen
und zu Vorstandschef Joe Kaeser durchscheinen
lassen.
Doch im Personalbereich gab es viel Bedauern.
„Die Betroffenheit ist groß“, sagt ein Siemensianer.
„Für viele hat sie das andere Siemens verkörpert,
das wir gern hätten.“ Dank Kugel habe der Techno-
logiekonzern ein cooleres und moderneres Image
bekommen. Auch über Siemens hinaus gilt Kugel
in der deutschen Wirtschaft als Aushängeschild.
„Es gibt für mich niemanden, der so für Diversity
steht wie Janina Kugel“, twitterte zum Beispiel

„Für Siemens ein

großer Verlust“

Die scheidende Personalchefin Janina Kugel bekommt viele Solidaritätsbekundungen.


Auch die längerfristige Zukunft von Lisa Davis ist ungewiss. Das Ziel des Aufsichtsrats,


mindestens ein Viertel der Posten im Vorstand mit Frauen zu besetzen, ist in Gefahr.


Janina Kugel:
Die Personal-
chefin hat noch
Vertrag bis
Anfang 2020.

Joe Kaeser: Sein
radikaler Umbau
könnte zu einem
kleineren Vorstand
führen.

20

PROZENT


der beiden Führungs-
ebenen unter dem
Vorstand sollen bei
Siemens 2022 von
Frauen besetzt sein.

Quelle: Unternehmen


Unternehmen


& Märkte
1

DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144


16

Free download pdf