Handelsblatt - 30.07.2019

(Nandana) #1

Kathrin Witsch Düsseldorf


E

s ist ein altbekanntes
Thema: Ohne Speicher
keine Energiewende. Bis-
lang waren solche Ener-
giespeicher jedoch sehr
teuer. Nun zeigt eine neue Studie der
Bank of America, die dem Handels-
blatt exklusiv vorliegt, dass sich bei
den Preisen etwas tut. Schon in den
nächsten fünf Jahren sollen die Kos-
ten für die Zukunftstechnologie um
50 Prozent fallen. Dadurch würde das
Marktvolumen bis 2030 auf 27 Milliar-
den Dollar weltweit anwachsen.
„Energiespeicher werden in den
2020ern die zweite große Phase der
Energiewende einläuten“, schreiben
die Autoren der Studie. Durch den
erwarteten Elektroauto-Boom wür-
den die Kosten für Lithium-Ionen-
Batterien deutlich sinken. Das könn-
te gleichzeitig den Durchbruch für
die Speicherbranche bedeuten, die
zum großen Teil ebenfalls auf die
Lithium-Ionen-Technologie setzt.
„Die Kostenreduktion geht weiter.
Was wir in den letzten Jahren gese-
hen haben, wird sich mit größerer
Dynamik fortsetzen“, glaubt auch
Batterieexperte Martin Ammon vom
Marktforschungsunternehmen
EuPD Research. Auch wenn er 50
Prozent, wie die Studie es formu-
liert, für etwas ambitioniert hält. Bei
dem rasant steigenden Anteil erneu-
erbarer Energien am Strommix sind
deutlich niedrigere Preise aber ele-
mentar.
Denn grüne Energiequellen wie
Sonne und Wind sind nicht immer
dann verfügbar, wenn man sie
braucht, anders als etwa Kohlestrom

oder Atomenergie. Um die Gefahr ei-
ner sogenannten Dunkelflaute zu um-
gehen, braucht es Speichertechnolo-
gien, die auch dann Strom liefern,
wenn es windstill ist und keine Sonne
scheint. Das können riesige Lithium-
Ionen-Batterien sein, so wie der
50-Megawatt-Speicher des Kohleun-
ternehmens Leag in der Lausitz. Aber
auch die Power-to-X-Technologie
kann überschüssigen Strom in Form
von Gas zwischenspeichern und bei
Bedarf zurück in Strom verwandeln
und wieder ins Netz einspeisen. Der
bislang größte Batteriespeicher der
Welt steht aktuell in Australien, hat
eine Leistung von 100 Megawatt und
wurde von dem kalifornischen E-Au-
to-Pionier Tesla gebaut.

Der Weg zum Massenmarkt
In den nächsten zehn Jahren sollen
Energiespeicher von einer Rand -
erscheinung zum Massenphänomen
werden. Dabei helfen nicht nur die
fallenden Preise für E-Auto-Batterien,
sondern auch ein steigender Strom-
preis und die gleichzeitig immer
günstiger werdenden erneuerbaren
Energiequellen. Die Autoren der Stu-
die prognostizieren einen rasanten
Preisverfall – von 500 Dollar pro Kilo-
wattstunde 2018 auf unter 250 Dollar
im Jahr 2025. Schon jetzt steigen
auch immer mehr große Unterneh-
men in den Speichermarkt ein, sei es
der Ölkonzern Shell mit dem Kauf
des deutschen Solarbatterieherstel-
lers Sonnen oder Siemens mit seiner
eigenen Heimspeichermarke. „Der
Markt wird sukzessive zum Massen-
markt“, prophezeit Ammon.

Auch wenn Lithium-Ionen-Batte-
rien aktuell die am häufigsten ver-
breitete Speichervariante sind,
sehen Experten langfristig auch an-
dere Technologien auf dem Vor-
marsch, zum Beispiel die sogenann-
ten Ultrakondensatoren. Diese Art
von Speicher kann im Vergleich zu
herkömmlichen Akkus große Ener-
giemengen innerhalb weniger Se-
kunden aufnehmen und genauso
schnell wieder abgeben. Der Schlüs-
sel für all das ist der Grundstoff Gra-
phen, ein Kohlenstoffprodukt. Wäh-
rend der US-Hersteller Tesla erst vor
Kurzem das Ultrakondensatoren-
Start-up Maxwell Technologies aus
Nordamerika gekauft hat, sitzt ein
weiteres vielversprechendes Unter-
nehmen direkt in Deutschland: Ske-
leton. Mit seinen Ultracaps will der
Vorreiter aus Dresden Lastspitzen
abfedern und so die Lebensdauer
herkömmlicher Stromspeicher erhö-
hen.
Auch Feststoffbatterien gelten als
aussichtsreich. Anders als Lithium-
Ionen-Akkus kommen sie ohne flüssi-
gen Elektrolyt aus. Das macht sie si-
cherer, temperaturstabiler und er-
laubt eine höhere Energiedichte.
Aber genauso wie bei der zurzeit
gehypten Wasserstoff-Alternative
Power-to-X oder Redox-Flow-Batte-
rien kann es bis zum Eintritt in den
Massenmarkt noch ein paar Jahre
dauern. „Wenn wir über das Thema
2025 hinausgehen, werden andere
Technologien dazukommen“, ist
Ammon überzeugt. Das größte Po-
tenzial sieht er aktuell in der Power-
to-X-Technologie.

Energiewende


Speicher stehen kurz


vor dem Durchbruch


Energiespeicher galten bis vor Kurzem noch als extrem teuer.


Aber die Technologien werden immer günstiger. Für die


Energiewende ist das elementar.


Energiespeicher:
Ob im Haus, am
Netz oder im
Auto – in der
Zukunft werden
Speicher immer
wichtiger. picture alliance / Frank Duenzl

Energie -


speicher


werden


in den


nächsten


Jahren


deutlich


günstiger


werden.


Martin Ammon
EuPD Research

Windkonzern


Senvion sucht


weiter nach


Investor


Kathrin Witsch Düsseldorf


D


er insolvente Turbinenher-
steller Senvion braucht für
die Suche nach einem Käufer

mehr Zeit als geplant. Um den Zeit-


druck aus den Gesprächen über den


Verkauf zu nehmen und die Geschäf-


te weiter am Laufen zu halten, ver-


handelt der Hamburger Konzern des-


wegen mit seinen Gläubigern nun


über eine Verlängerung eines 100


Millionen Euro schweren Kredits. Das


erfuhr das Handelsblatt aus Unter-


nehmenskreisen. Zuvor hatte die


Nachrichtenagentur Reuters darüber


berichtet. Eine Entscheidung stehe


aber noch aus. Eigentlich sollte bis


Ende Juni geklärt sein, wie es mit


dem Unternehmen weitergeht.


Im April musste Senvion Insolvenz


anmelden. Gewinnwarnungen, Fi-


nanzierungssorgen und Lieferproble-


me hatten den Aktienkurs des Wind-


konzerns innerhalb eines Jahres um


fast 90 Prozent abstürzen lassen. Im


Februar musste Senvion schließlich


die Veröffentlichung seines Ge-


schäftsberichts verschieben, weil die


Kreditgeber einen Sanierungsplan


forderten, bevor noch mehr Geld in


den angeschlagenen Konzern fließt.


In den Wochen danach versuchten


der Haupteigentümer Centerbridge


und die kreditgebenden Banken, zu


einer Einigung zu kommen – ohne


Erfolg. Am Ende brauchte Senvion


nicht nur frisches Kapital, sondern


wegen Verzögerungen bei großen


Projekten auch noch 100 Millionen


Euro, um seine Geschäfte überhaupt


weiterführen zu können.


Unbekannte Interessenten


Seitdem gab es mehrere Gerüchte


um potenzielle Käufer. Interesse sol-


len zum Beispiel Konkurrenten wie


Siemens Gamesa, Vestas oder Toshi-


ba haben. Mit dem Verkauf beauf-


tragt ist die Investmentbank Roth-


schild. Auf Anfrage wollen sich weder


Senvion, Rothschild oder die mögli-


chen Interessenten zu dem Thema


äußern.


Obwohl Senvion trotz Insolvenz im


ersten Halbjahr 2019 doppelt so viele


Windanlagen installiert hat wie im


Vorjahreszeitraum, lässt die Unge-


wissheit über die Zukunft des Unter-


nehmens den Aktienkurs des Turbi-


nenherstellers weiter abstürzen. Seit


April ist der Kurs noch einmal um


über 46 Prozent gefallen und stand


am Montag bei 48 Cent je Aktie.


Windrad: Für Senvion wird ein
Käufer gesucht.


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DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144


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