Alexander Busch São Paulo
E
s ist ganz sicher kein Zu-
fall: Vor einer Woche erst
hat die deutsche Digital-
bank N26 von Investoren
152 Millionen Euro an fri-
schem Kapital bekommen. Zugleich
verkündeten die N26-Manager, dass
sie auch nach Brasilien expandieren
wollten. Das muss der dortige Platz-
hirsch Nubank als eine Kampfansage
verstanden haben: Die Brasilianer
holten sich jetzt von Investoren unter
der Führung des kalifornischen
Fonds TCV 400 Millionen Dollar an
neuen Mitteln. Damit ist das Unter-
nehmen Schätzungen zufolge über
zehn Milliarden Dollar wert und stößt
damit in den Kreis der wertvollsten
jungen Wachstumsunternehmen in
der Finanzbranche vor.
Unmittelbare Sorgen über einen
Gegenangriff der Brasilianer muss
sich N26 in Berlin allerdings nicht
machen. „Wir wollen nicht in den
deutschen Markt“, betonte Nubank-
Gründer David Veléz im Gespräch
mit dem Handelsblatt. Das zusätzli-
che Kapital wolle seine Firma vor al-
lem für neue Produkte für die Kun-
den auf dem brasilianischen Heimat-
markt nutzen und gleichzeitig den
Markteintritt in Argentinien und Me-
xiko finanzieren.
Seit seinem Start vor fünf Jahren
konnte Nubank im stark konzentrier-
ten brasilianischen Banksystem mit
einer kostenlosen Kreditkarte rasant
Kunden gewinnen. Inzwischen nut-
zen zwölf Millionen Brasilianer die
violette Karte. Kontoeröffnung und
alle Bankleistungen werden nur über
Smartphones abgewickelt. Nubank fi-
nanziert sich vor allem mit den Ge-
bühren, die die acht Millionen kom-
merziellen Nutzer der Bankenplatt-
form bezahlen.
Jetzt will Nubank vor allem mit
Konsumkrediten und Konten für klei-
nere Geschäftskunden seinen Um-
satz ausbauen. Seit dem vergange-
nen Jahr hat das Unternehmen
nach eigenen Angaben seinen
Klientenstamm verdoppelt.
„Unsere Kundenzahl wächst
derzeit im Monat um zehn
Prozent“, erklärt Veléz, der zu-
sammen mit Cristina Junqueira
die Nubank führt. Junqueira hat-
te ihre erfolgreiche Karriere bei
der brasilianischen Großbank Itaú
abgebrochen, um das Start-up zu
gründen. Anders als die meisten jun-
gen im Fachjargon als Fintechs be-
kannten Finanzfirmen erzielt Nubank
nach Veléz’ Worten von Anfang an ei-
nen hohen Cashflow. „Wir sind sehr
entspannt mit unseren Ergebnissen.“
Jetzt gehe es vor allem darum, die
Größe des Geschäfts zu steigern. Nu-
bank hätte eine einmalige Wachs -
tums chance in Mexiko und Argenti-
nien – den nach Brasilien größten
Volkswirtschaften in Lateinamerika.
„Für Unternehmen wie uns ist der-
zeit viel Kapital verfügbar in der
Welt, und deswegen haben wir be-
schlossen, Gas zu geben“, sagt Veléz.
Schwächen der Konkurrenz
Bei seinen Wachstumsplänen setzt
der Manager auch auf die Schwächen
der Konkurrenz in Lateinamerika.
Denn dort bieten die Banken häufig
schlechten, aber teuren Service. Die
Margen der lokalen Geldhäuser zäh-
len auch deshalb zu den höchsten
weltweit. Gleichzeitig haben in die-
sen Staaten wegen der enormen Un-
terschiede zwischen Arm und Reich
ganze Bevölkerungsschichten keinen
Zugang zu offiziellen Bankdienstleis-
tungen. „Die meisten Verbraucher
zahlen absurde Zinsen und Gebüh-
ren bei lausigem Service“, meint
Veléz.
An Nubank haben sich in den
sechs Finanzierungsrunden zu-
vor zahlreiche bekannte Fonds
aus dem Fin-Tech-Bereich be-
teiligt. Zu den globalen Investo-
ren zählen DST Global, Sequoia
Capital, Dragoneer, Ribbit Capital
und Thrive Capital. Auch der chi-
nesische Technologieriese Tencent
gehört zu den Investoren von Nu-
bank.
Den Einstieg von TCV feiert die Nu-
bank jetzt als Ritterschlag: Seit seiner
Gründung hat der Beteiligungsfonds
über elf Milliarden Dollar in führende
Technologieunternehmen investiert,
darunter mehr als 1,5 Milliarden Dol-
lar in Fintechs. „TCV hat einige der
bemerkenswertesten Disruptoren un-
serer Zeit unterstützt, darunter Net-
flix, Spotify und Zillow“, sagt Veléz.
Auch wenn Nubank sich bei seiner
Expansion erst einmal auf Latein-
amerika konzentrieren will, sollte
sich N26 nicht zu sehr entspannen.
Denn ein Standbein haben die Brasi-
lianer bereits im deutschen Markt.
Seit Ende 2017 unterhält Nubank in
Berlin eine eigene Niederlassung.
Dort lässt das brasilianische Fintech
die Technologie für seine Aktivitäten
in Brasilien entwickeln. Auch dieses
Team von Informatikern und Pro-
grammierern will Veléz mit der Kapi-
talerhöhung nun weiter ausbauen.
Nubank
Erfolgreiche Brasilianer
Die brasilianische Nubank hat 400 Millionen Dollar bei internationalen
Investoren eingesammelt. Damit steigt das Unternehmen in den Kreis der
wertvollsten jungen Finanzfirmen weltweit auf.
Kreditkarte
der Nubank:
Anzahl der Kunden
stark gestiegen.
Nubank
Nubank-Manager
David Veléz und
Cristina Junqueira:
Ehrgeizige Pläne.
Bloomberg/Getty Images
Geldpolitik
Die Fed
vollzieht die
große Wende
Frank Wiebe Frankfurt
D
ie US-Notenbank (Fed) wird
am Mittwoch voraussichtlich
ihren Leitzins senken, ver-
mutlich um einen Viertel- oder um
einen halben Prozentpunkt. Wie Mi-
chael Feroli, Fed-Experte der US-
Bank JP Morgan schreibt, sind sich
Experten und Investoren noch nicht
einig, wie weit die Fed bei der Locke-
rung ihrer Geldpolitik gehen wird.
Feroli nennt gleich fünf Gründe,
warum er sich zum vorsichtigen La-
ger all jener zählt, die mit einer Sen-
kung um 0,25 Prozentpunkte rech-
nen. Erstens verweist er auf Berichte
in den US-Medien, die in diese Rich-
tung deuten. Außerdem haben sich
zweitens einige Angehörige des geld-
politischen Ausschusses skeptisch ge-
zeigt, ob derzeit überhaupt eine Zins-
senkung nötig ist. Feroli nennt als
Beispiel Eric Rosengren, den Chef
der regionalen Fed Boston.
Ein zu großer Schritt könnte „ei-
nen Bruch“ im Ausschuss nach sich
ziehen, schreibt Rosengren. Drittens
hat die Fed in früheren Zeiten die
Zinsen immer nur dann gleich um ei-
nen halben Prozentpunkt gesenkt,
wenn eine Krise oder deutliche wirt-
schaftliche Schwäche klar erkennbar
war. Viertens sind die wirtschaftli-
chen Daten seit der letzten Fed-Sit-
zung im Juni etwas besser als erwar-
tet ausgefallen. Und fünftens würde
ein aggressiver Zinsschritt die Erwar-
tungen der Märkte auf weitere Zins-
senkungen unnötig verstärken und
damit auch die Kluft zwischen den
Prognosen der Investoren und denen
der Fed erweitern.
Stopp beim Bilanzabbau
In den USA läuft die Konjunktur bis-
her noch reibungslos, zugleich liegt
die Inflation etwas unter dem zwei-
Prozent-Ziel der Notenbank. So
scheint der Schwenk zu einer locke-
ren Geldpolitik nicht unbedingt gebo-
ten – er bringt aber auch kein spürba-
res Inflationsrisiko mit sich. In der
Euro-Zone dagegen gab es zuletzt
schwächere wirtschaftliche Daten,
außerdem rutschten die Inflations -
erwartungen ab. Folglich dieser Ent-
wicklungen erscheint die Dringlich-
keit bei der Europäischen Zentral-
bank (EZB), gegenzusteuern, etwas
ausgeprägter zu sein. Experte Feroli
geht davon aus, dass die Fed zudem
den Abbau ihrer Bilanzsumme in die-
ser Woche stoppt. Ursprünglich war
das für September geplant. Die Fed
hatte ihre Bilanz durch Käufe von
Zinspapieren auf rund ein Viertel des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufge-
pumpt, sie danach aber wieder auf
knapp ein Fünftel schrumpfen las-
sen, indem sie auslaufende Papiere
nicht mehr durch Neukäufe ersetzte.
Die Bilanz wird so erheblich größer
bleiben, als sie vor dem Start der An-
kaufprogramme war.
Die Ökonomen der Deutschen
Bank in New York erwarten ebenfalls
nur einen Schritt von einem Viertel-
prozentpunkt. Die Deutschbanker ge-
hen davon aus, dass Fed-Chef Jerome
Powell weitere Senkungen andeutet,
aber von weiteren wirtschaftlichen
Daten abhängig macht. Sie halten es
für relativ wahrscheinlich, dass die
Fed im September noch einmal nach-
legt.
Finanzen & Börsen
DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144
32