Handelsblatt - 30.07.2019

(Nandana) #1

  1. Mut zum Risiko


Einmal begonnen, ist es besonders wichtig, die pri-


vate Altersvorsorge auch in Phasen ohne Erwerb


durchzuziehen, betonen Expertinnen. Dennoch


findet Finanzexpertin Härtel-Herrmann: „Jede Ge-


schichte ist individuell, die eine Lösung gibt es


nicht.“ Selbst, wer spät mit der privaten Altersvor-


sorge beginnt, könne viel erreichen, beispielsweise


durch ein Erbe, einen Karrieresprung oder einen


Berufswechsel, der es erlaubt, zu einem späteren


Zeitpunkt noch viel zu investieren. Wer aber durch-


gehend investiert, sollte auch Risiken eingehen.


Helma Sick rät: „Frauen sind meist risikoscheuer


als Männer. Um langfristig gute Erfolge mit einem


Sparplan zu erzielen, müssen sie aber vernünftige


Risiken eingehen. Also Aktiensparplan statt Spar-


buch.“ Bei aller Risikofreude warnt Expertin Goris-


sen-van Hoek aber vor Kryptowährungen: „Das ist


ein hochspekulatives Thema. Finger weg davon.“


Das Risiko sollte im Verhältnis zur Lebensplanung


stehen, fasst sie zusammen: „Die Betrachtung der


Gesamtsituation ist letztendlich das Wichtigste.“



  1. Für Alleinerziehende lohnt die
    Riester-Rente
    Fast 90 Prozent der Alleinerziehenden in Deutsch-
    land sind Frauen. Für sie ist die Riester-Rente beson-
    ders interessant, wie Expertin Mischke-Flach erklärt:
    „Es gibt Fälle, bei denen Frauen 60 Euro jährlich ein-
    zahlen und 800 oder 900 Euro jährlich – je nach An-
    zahl der Kinder – an staatlicher Zulage erhalten. Das
    lohnt sich auf jeden Fall.“ Auch Helma Sick rät: „Wer
    Kinder hat, sollte unbedingt einen Riester-Vertrag ab-
    schließen. Bei geringem Einkommen fällt auch nur
    ein kleiner Beitrag an. Die Förderung – 300 Euro pro
    Kind und 175 eigene staatliche Zulage – ist geschenktes
    Geld, also Geld, das frau nicht selbst sparen muss.“

  2. Netzwerken
    Adina Pfennigsdorf betreibt den Finanz-Blog „Lady
    Invest“. Die größte Hürde für Frauen sieht sie im ers-
    ten Kontakt mit der Altersvorsorge: „Sie haben keine
    Zeit oder keine Lust, sich selbst um ihre private Al-
    tersvorsorge zu kümmern, oder haben es nie ge-
    lernt“. Immer mehr Plattformen wollen das ändern,
    beobachtet sie, darunter Blogs, Podcasts, Frauen-Fi-
    nanz-Communities oder Social-Media-Gruppen, in de-
    nen sich Frauen untereinander austauschen können.
    Selbst online könne das helfen, Ängste zu nehmen
    und Lust auf das Thema zu machen. Gerade auf dem
    Land ist der Austausch für Frauen derzeit noch
    schwierig, zudem gibt es dort kaum Beraterinnen, be-
    dauert Mischke-Flach. Wie viele Expertinnen bezeugt
    sie, dass sich Frauen eine Beratung von Frau zu Frau
    wünschen.

  3. Vorsicht vor Marketing-Fallen
    Auch Finanzberater sprechen Frauen mittlerweile ge-
    zielt an, etwa mit Slogans wie „Gold – Der glänzende
    Allrounder für SIE“. Doch Mischke-Flach warnt vor
    Anbietern, die behaupten, ein bestimmtes Finanzpro-
    dukt sei für Frauen besonders geeignet: „Es gibt keine
    speziellen Produkte für Frauen. Wenn jemand das so
    beschreibt, ist das einfach eine Werbekampagne.“
    Helma Sick ist zuversichtlich: „Frauen merken durch-
    aus, wenn es um Marketing statt um sie und ihre Le-
    benssituation geht.“
    Bei allen Tipps gilt jedoch: Viele Angebote errei-
    chen ausgerechnet jene Frauen nicht, die die passen-
    de Zielgruppe wären. Claudia Müller wendet sich des-
    halb auch direkt an die Arbeitgeber. Das Konzept: Die
    Unternehmen zahlen ihr Honorar, die weibliche Be-
    legschaft nimmt teil. So können sich auch jene Frauen
    informieren, die sich das Seminar nicht leisten kön-
    nen. Ihr nächstes Ziel: „Mein größter Traum wäre es,
    die Seminare auch bei Lidl oder DM für die Kassiere-
    rinnen anzubieten.“


Bulle & Bär


Etwas mehr


Rendite für


mehr Risiken


S


ind 1,125 oder auch 1,625 Prozent
Zinsen viel? Eigentlich nicht. Doch
wenn Unternehmen wie zu Wochen-
beginn der Versorger EnBW Anleihen mit
dieser Verzinsung begeben, sind institu-
tionelle Investoren hellauf begeistert. Die
beiden EnBW-Anleihen im Volumen von
zusammen einer Milliarde Euro waren
sechseinhalbfach überzeichnet. Die hohe
Nachfrage liegt nicht nur daran, dass es
sich um einen im Trend liegenden Green
Bond handelt, bei dem die eingesammel-
ten Mittel nur für klimafreundliche Projek-
te ausgegeben werden sollen. Entschei-
dender für die Nachfrage ist ein anderer
Vergleich: Eine schon länger ausstehende
in fünf Jahren fällige Anleihe des baden-
württembergischen Versorgers mit guter
Bonität rentiert mit minus 0,9 Prozent.
EnBW hat sich bei den neuen Anleihen
aber nicht heftig verkalkuliert. Die jetzt
platzierten Zinspapiere sind sogenannte
hybride Anleihen und damit eine Mi-
schung zwischen Anleihen und Aktien.
Damit sind sie wesentlich riskanter als
herkömmliche Bonds. Das macht die ab-
solut schon geringe Rendite noch weniger
interessant.
Bei hybriden Bonds können sich Anle-
ger nicht auf die Zinszahlung verlassen.
Die Entscheidung darüber liegt – je nach
Geschäftslage – bei den Unternehmen.
Zweitens haben die Anleihen eine sehr
lange oder sogar unendliche Laufzeit. Die
neuen Anleihen von EnBW laufen theore-
tisch bis zum Jahr 2079. Sie können – wie
alle hybriden Anleihen – vorab gekündigt
werden. Bei EnBW ist das bei der 1,25 Pro-
zent verzinsten Anleihe nach fünf, bei der
1,75-prozentigen Anleihe nach acht Jahren
der Fall. Doch auch auf die vorzeitige Til-
gung können sich Anleger nicht verlassen.
Als drittes Risiko kommt hinzu, dass die
Besitzer der hybriden Anleihen bei einer
Pleite des Schuldners erst nach allen an-
deren Gläubigern bedient werden.
Diese Risiken klingen so, als könnten
Anleger auch gleich Lotto spielen. Doch
so groß sind die Gefahren nicht. Bislang
ist noch kein Zins einer hybriden Anleihe
ausgefallen. Die meisten Bonds werden
zum frühestmöglichen Zeitpunkt getilgt.
Und bei Unternehmen mit guter Bonität
wie EnBW ist die Insolvenzgefahr gering.
Genau deshalb sind hybride Anleihen
bei Investoren auf der Suche nach Rendite
so gefragt. Attraktiv sind sie aber kaum.

Der tägliche Kommentar
des Handelsblatts analysiert
die Entwicklung
an den Finanzmärkten.
Von Andrea Cünnen

Rentnerin am Strand:
Abmachungen inner-
halb der Partnerschaft
gehören auch zur
Altersvorsorge.

mauritius images / Philipp Mansmann

Altersvorsorge in Deutschland


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DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144


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