Handelsblatt - 30.07.2019

(Nandana) #1

Frank M. Drost Berlin


M

it knapp einjähriger
Verspätung sollen
sie nun kommen:
Vergleichsseiten im
Internet, auf denen
Girokontoinhaber die Gebühren ih-
res Kreditinstituts mit den Konditio-
nen anderer Banken abgleichen kön-
nen. Verbraucherschützer halten dies
für sinnvoll, monieren allerdings das
komplexe Zulassungsverfahren. Eini-
ge große Anbieter von Vergleichssei-
ten scharren indes schon mit den Hu-
fen. Die Finanzaufsicht Bafin rechnet
künftig mit mehr Kontowechseln.
„Wir begrüßen die Möglichkeit,
dass Verbraucher künftig über zertifi-
zierte Vergleichswebsites einen Über-
blick über die von Banken und Spar-
kassen angebotenen Girokonten er-
halten sollen“, sagt Claudio Zeitz von
der Verbraucherzentrale Bundesver-
band (vzbv). Im vierten Quartal soll
es nach Auskunft der Initiatoren spä-
testens so weit sein.
Zwar müssen auch Kreditinstitute
ihre Kunden regelmäßig über erho-
bene Gebühren oder Zinsen auf dem
Girokonto informieren. Doch ob die-
se nun im Vergleich hoch oder nied-
rig sind, erschließt sich naturgemäß
nicht. Gerade in Zeiten, in denen vie-
le Institute die Entgelte hochschrau-
ben, könnten Verbraucher von unab-
hängigen und umfassenden Ver-
gleichsportalen profitieren, um
leichter zu einem günstigeren Konto
zu gelangen, erklärt Verbraucher-
schützer Zeitz. Absehbar ist, dass die
Versuchung für Banken in Zeiten an-
haltender Niedrigzinsen und damit
sinkender Erträge zunimmt, ihre Ein-
nahmen über höhere Gebühren zu
steigern.
Dabei können Banken relativ viele
Stellhebel betätigen – und ebendiese
können Kunden künftig vergleichen:
Es geht um Gebühren für die Konto-
führung, Überweisungen, Dauerauf-
träge, Lastschriften, der Ausgabe von
Debit- oder Kreditkarten, Bargeldein-
und -auszahlungen am Schalter, Bar-
geldein- und auszahlungen mit der
Debit- oder Kreditkarte an Geldauto-
maten in Euro oder Fremdwährun-
gen sowie Kosten für die Überzie-
hung des Kontos.
Allerdings sei das Projekt „Ver-
gleichswebsite“ überfällig, stellt Zeitz
fest. Eigentlich sollten Verbraucher
dieses Instrument bereits seit Ende
Oktober 2018 nutzen können. „Der
Zeitverzug dürfte auch an dem kom-
plizierten Verfahren liegen, für das
sich die Bundesregierung entschie-
den hatte“, meint der Verbraucher-
schützer.
Gesetzliche Grundlage für die neu-
en Vergleichsinternetseiten ist die
EU-Zahlungskontenrichtlinie aus
dem Jahr 2014. Diese setzt die Bun-
desregierung mit dem Zahlungskon-
tengesetz und der Vergleichswebsite-
Verordnung um. Die EU schreibt den
Mitgliedstaaten vor, ihren Bürgern ei-
nen entgeltfreien Zugang zu mindes-
tens einer Vergleichswebsite zu ver-
schaffen. Die Bundesregierung stellt
sich hier mehrere Websites vor, die
bestimmte Ansprüche erfüllen müs-
sen. Dafür sollen diese Internetseiten
zertifiziert werden von einer soge-
nannten Konformitätsbewertungs-
stelle. Das können Prüfunternehmen
wie der Tüv oder die Dekra sein.
Groß war das Interesse von Unter-

nehmen allerdings nicht, Konformi-
tätsstelle zu werden. Nach Kenntnis
der Bundesregierung durchläuft bis-
lang mit dem Tüv Saarland nur eine
Institution das Akkreditierungsver-
fahren. Die Zulassung erteilt die
Deutsche Akkreditierungsstelle
(Dakks). Die Prüfungen der Dakks
stehen nach Informationen des Han-
delsblatts kurz vor dem Ab-
schluss. Bestandteil des Ak-
kreditierungsverfahrens
für eine Konformitäts-
stelle ist auch der Test
eines Pilotkunden. Of-
fenlegen müssen die
Website-Betreiber
gegenüber der Kon-
formitätsstelle dabei
den vollständigen
Programmcode für
die Berechnung des
Vergleichsergebnisses. Ist
der aufwendige Akkreditie-
rungsprozess geschafft, sollten
die neuen Vergleichswebsites dann
relativ schnell zertifiziert und genutzt
werden können.
Und einige Platzhirsche am Markt
für Vergleichsportale bringen sich be-
reits in Position. „Wir sind interes-
siert, uns als Vergleichswebsite zerti-
fizieren zu lassen“, sagte ein Spre-
cher von Check24. Das bestätigt auch
Konkurrent Verivox – mit Einschrän-
kungen. „Wir haben aktuell die Ver-
gleichskriterien überprüft, die die Fi-
nanzaufsicht Bafin für den Erwerb
des Zertifikats vorgegeben hat. Auf
dieser Basis erweitern wir unsere Da-
tenbank um Kriterien wie die Kosten
für Überweisungen und Daueraufträ-
ge und Angaben zu den Geldautoma-
ten“, sagte ein Sprecher. Ob Verivox
allerdings ein Zertifikat erwerbe,
hänge davon ab, wie die Vergleichs-
kriterien konkret umzusetzen seien.
„Für uns ist entscheidend, dass ein
Rechner für Verbraucher einfach zu
bedienen ist und schnell ein über-
sichtliches Ergebnis auf Basis der
wichtigsten Kriterien bringt“, erklärt
der Verivox-Sprecher.
Das Portal Finanzcheck hat sich
ebenfalls nach eigener Aussage noch
nicht entschieden, ob es sich zertifi-
zieren lässt.
Unterm Strich hofft die Bundesre-
gierung, dass dieses Angebot es Ver-
brauchern leichter macht, ein für sie
passendes Girokonto zu finden. „Au-
ßerdem werden sie helfen, den Wett-
bewerb um kundenfreundliche Bank-
dienstleistungen zusätzlich anzukur-
beln“, ist man im Verbraucher-
ministerium überzeugt. Denn die
entsprechenden Voraussetzungen für
einen problemlosen Kontowechsel
hat der Gesetzgeber bereits geschaf-
fen. Der vollständige Kontowechsel
muss innerhalb von zwölf Tagen voll-
zogen sein. Sofern der Kunde grünes
Licht gibt, müssen die Banken die
entsprechenden Zahlungsdaten aus-
tauschen.
Bislang gilt die Wechselbereitschaft
der Bankkunden aber als übersicht-
lich. Aus Sicht der Bafin ist das ver-
ständlich: „Wie soll ich herausfinden,
welches Zahlungskonto am besten
für mich geeignet ist, wenn ich mir
keinen Überblick über den Markt ver-
schaffen kann?“ Transparenz über
die Kosten sei daher entscheidend
für die Wechselbereitschaft. Das, so
heißt es bei der Bafin, habe man
auch schon im Telekommunikations-
und Energiemarkt gesehen.

Girokonten


Hohe Bankkosten


leicht entlarvt


Kunden können durch ein Onlineportal


Kontogebühren bald besser vergleichen. Das soll


ihnen helfen, ein günstiges Girokonto zu finden.


Recherche
per Internet:
Künftig werden
mehr Kunden ihr
Konto wechseln,
erwarten Fachleute.

Austin Distel/Unsplash

Wir sind


interessiert, uns als


Vergleichswebsite


zertifizieren zu lassen.


Check24-
Pressesprecher

Private Geldanlage
DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144

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