empfindet die deutsche Energiepoli-
tik seit Jahren als Katastrophe.
Tatsächlich zahlen deutsche Unter-
nehmen im europäischen Vergleich
die höchsten Strompreise. Das gilt
zumindest für die Unternehmen, die
nicht in den Genuss von Ausnahme-
regelungen kommen. Die wohl be-
deutendste Ausnahme stellt die „Be-
sondere Ausgleichsregelung“ des Er-
neuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
dar. Sie befreit rund 2 200 „Abnah-
mestellen“ von einem erheblichen
Teil der EEG-Umlage. Es profitieren
in erster Linie große, energieintensi-
ve Unternehmen. Im Umkehrschluss
heißt das aber auch, dass der aller-
größte Teil der Unternehmen die
EEG-Umlage in voller Höhe zahlt.
Gerade für den industriellen Mittel-
stand stellt das eine enorme Belas-
tung dar.
Altmaier hatte sich deshalb in den
vergangenen Monaten immer wieder
herber Kritik des industriellen Mittel-
stands stellen müssen, teilweise auf
offener Bühne. Auch in der Frage der
Strompreise weckte Altmaier anfangs
hohe Erwartungen: „Ich werde mich
vordringlich darum kümmern, dass
der Strompreis nicht weiter zum Pro-
blem für den industriellen Mittel-
stand wird. Wir müssen für die vielen
Mittelständler, die viel Strom ver-
brauchen, aber knapp unter be-
stimmten Schwellenwerten liegen,
Lösungen finden“, sagte Altmaier im
März vergangenen Jahres. Die Unter-
nehmen dürften keine Nachteile ge-
genüber europäischen Wettbewer-
bern haben. Geschehen ist bislang
allerdings nichts.
Die künftige Abteilungsleiterin von
Ahlefeldt steht nun vor der schwieri-
gen Aufgabe, den Erwartungen des
Mittelstands gerecht zu werden und
für Entlastung zu sorgen. Zugleich, so
die Hoffnung von Beobachtern aus
dem Wirtschaftsflügel der Union,
wird sie darauf achten, dass aus der
geplanten Bepreisung von CO 2 keine
neuen Belastungen für Unternehmen
erwachsen. Bundeskanzlerin Angela
Merkel hatte zuletzt deutlich ge-
macht, dass sie einer Bepreisung von
CO 2 in den Sektoren, die bislang nicht
in das europäische Emissionshan-
delssystem einbezogen sind, offen
gegenübersteht. Bereits im Septem-
ber sollen erste Beschlüsse fallen.
Die personellen Veränderungen
sind nur ein Teil der Strategie Altmai-
ers, den Mittelstand in den Fokus zu
rücken. Zusätzlich will er Ende Au-
gust zu einer mehrtägigen „Mittel-
stands-Reise“ aufbrechen. Geplant
sind Besuche bei kleinen wie großen
Mittelständlern aus verschiedenen
Branchen, bei traditionsreichen Fa-
milienunternehmen, Handwerksbe-
trieben sowie Weltmarktführern im
ländlichen Raum.
Mein Ziel ist es,
das Bundeswirtschafts -
ministerium als
Mittelstandsministerium
zu positionieren.“
Peter Altmaier
Bundeswirtschaftsminister
Verkehrsministerium
Ex-Daimler-Manager für Klimafragen
Seit seinem Amtsantritt hat
Minister Scheuer etliche
Führungsposten neu besetzt.
Nun trifft es erneut zentrale
Abteilungen.
Daniel Delhaes Berlin
D
as Bundesverkehrsministeri-
um kommt nicht zur Ruhe.
Nachdem Minister Andreas
Scheuer (CSU) mit seinem Dienstan-
tritt im vergangenen Jahr neben zwei
Staatssekretären auch zwei Abtei-
lungsleiter gefeuert und mehrere Un-
terabteilungsleiterstellen neu besetzt
hat, gibt es jetzt die nächsten Rocha-
den auf der Führungsebene.
Neuer Leiter der Grundsatzabtei-
lung wird Klaus Bonhoff, einst Mana-
ger bei Daimler und seit 2008 Ge-
schäftsführer der NOW GmbH. Die
Gesellschaft setzt für das Ministerium
die Wasserstoff- und Brennstoffzel-
lenprogramme um, ebenso fördert
sie den Ausbau der Elektromobilität
und den Aufbau der Ladeinfrastruk-
tur. Das Bundeskabinett soll die Per-
sonalie am Mittwoch beschließen.
Scheuer verspricht sich von dem
promovierten Maschinenbauer, „die
Mobilität der Zukunft“ voranzubrin-
gen, wie er in einem Brief an die Mit-
arbeiter die Entscheidung begründet.
Bonhoff kenne „die Situation der
Branche und vor allem die Bedürfnis-
se der öffentlichen Hand“.
Der Minister steht in der Klimade-
batte unter Druck. Erst am Freitag
hatte er in einem Brief an die CSU-
Bundestagsabgeordneten noch ein-
mal seine Vorschläge für das Klimaka-
binett gerechtfertigt. Darin warb er
für „Unterstützung in den Haushalts-
verhandlungen“, um etwa syntheti-
sche Kraftstoffe zu fördern und den
Ausbau der Infrastruktur für neue
Antriebe und die Schiene zu erhalten.
Eine „nachhaltige Modernisierung“
gebe es „nicht zum Nulltarif “. In dem
Maßnahmenpaket, das auf alternative
Kraftstoffe setzt und das die Wirt-
schaft in der Expertenrunde der „Na-
tionalen Plattform Zukunft der Mobi-
lität“ präferiert hatte, belaufen sich
die nötigen Investitionen allein auf
230 Milliarden Euro – bis 2030.
Für den neuen Grundsatzabtei-
lungsleiter muss Norbert Salomon
weichen. Er war aus dem Bundesum-
weltministerium ins Haus gekommen
und sollte die Dieselproblematik und
die Nationale Plattform Zukunft der
Mobilität steuern. Allerdings nahm er
erst an den Sitzungen des unabhängi-
gen Gremiums teil, nachdem be-
kannt geworden war, dass die Exper-
ten auch über Verbote wie ein
Tempo limit diskutierten, um die Kli-
maziele zu erreichen. Scheuer zog
die Handbremse und erteilte öffent-
lich Denkverbote.
Auslöser für die Personalentschei-
dungen ist die Rückkehr von Astrid
Freudenstein in den Bundestag. Sie
rückte zum 1. Juli für Marlene Mortler
nach, die ins Europaparlament ge-
wählt wurde. Freudenstein hat 2017
den Wiedereinzug in den Bundestag
verpasst, woraufhin Scheuer seine
ehemalige Studienfreundin zur Leite-
rin der Zentralabteilung ernannte. Die
bis dahin wissenschaftliche Mitarbei-
terin der Uni Regensburg war zustän-
dig für Personalfragen, Juristisches
und den Haushalt. Freudenstein hatte
für reichlich Chaos und Frust im Haus
gesorgt. Der Krankenstand im Minis-
terium war unter ihr massiv gestiegen.
Vor ihrer Rückkehr ins Parlament er-
hielt sie aber ein Dankeschön vom Mi-
nister: Er ließ sie direkt nach der Eu-
ropawahl auf Lebenszeit verbeamten.
In dem Brief an die Mitarbeiter
dankte Scheuer Freudenstein „sehr
herzlich für ihre geleistete Arbeit“
und verkündete zugleich, mit Rein-
hard Klingen „einen der erfahrensten
Abteilungsleiter“ für die Leitung der
Zentralabteilung gewinnen zu kön-
nen. „Seit Jahren leitet er erfolgreich
die Abteilung Wasserstraßen“,
schrieb Scheuer weiter.
Was er nicht erwähnte: Bei seinem
Amtsantritt wollte der Minister jenen
Klingen wie weitere verdiente Abtei-
lungsleiter in den einstweiligen Ruhe-
stand versetzen, nahm den bereits
übermittelten Rausschmiss aber kurz
darauf wieder zurück, weil ein als
Nachfolger vorgesehener Partei-
freund abgesagt hatte.
Um die Wasserstraßen kümmert
sich in Zukunft Salomon. Scheuer
dankte ihm „für seine hervorragen-
de Arbeit in den vergangenen ge-
meinsamen 16 Monaten, insbesonde-
re bei den Themen klimafreundliche
Mobilität, alternative Antriebe und
Elektromobilität“ und wünschte ihm
„viel Erfolg“.
Klaus Bonhoff: Der
Experte für alternati-
ve Antriebe leitet die
Grundsatzabteilung.
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Wirtschaft & Politik
DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144
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