Die Zeit - 08.08.2019

(C. Jardin) #1

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Eigentlich ist die dreiteilige Überwachungsserie der vergangenen
Ausgaben ja vorbei: Nach der Videoklingel, der 360-Grad-Kamera
und dem smarten Rauchmelder wollte ich mich wieder den schönen
Dingen des Lebens zuwenden. Auf schmerz liche Weise musste ich
vor ein paar Tagen aber doch noch mal an ein Überwachungsgerät
denken, das wunderbar in die Serie gepasst hätte, das ich aber leider
bis dahin nie ausgepackt hatte: den Wassersensor Grohe Sense, den
man auf dem Fußboden installiert und der einen per App warnt,
wenn irgendwo Wasser austritt, bei einem Rohrbruch zum Beispiel.
Es war so: Ich habe mir neulich eine neue Waschmaschine gekauft.
Sie steht bei uns im Badezimmer im Keller. Ich habe sie eingeschal-
tet und bin aus dem Haus gegangen. Als ich wieder nach Hause
kam, entdeckte ich, dass die Waschmaschine in der Zwischenzeit
ausgelaufen war. Der gesamte Keller stand unter Wasser! Der Fehler
war schnell zu erkennen, er lag bei mir: Ich hatte nicht aufgepasst
und die Waschmaschine einfach zu voll gestopft.
Auch wenn ich das Wasser schnell aufgewischt habe, ist das Pro-
blem nicht gelöst, denn die Rigipswände dort unten drohen jetzt zu
schimmeln. Bei Wasserschäden denkt man ja immer, die Wohnung
drunter wird ruiniert – aber mein Keller ist ja schon ganz unten.
Das Ärgerliche ist: Ich hatte genau das Gerät unausgepackt in der
Wohnung liegen, das mich vor dem Schlamassel hätte bewahren
können – den Wassersensor! Er hätte mich gewarnt, dass Wasser aus-
tritt, und ich hätte sofort kommen und die Waschmaschine abstellen
können. Ich schwöre, ich werde den Sensor jetzt installieren.

Mirko Borsche


ärgert sich über sich selbst


Foto

Grohe

Technische Daten
Größe: Durchmesser 84 mm; Long-Life-Batterien inkl.;
App verfügbar für Android und iOS; Preis: 49 Euro

Stil Unter Strom

Von Tillmann Prüfer


Foto Peter Langer


Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Es ist der Sommer der Turnschuhe in klobigen Formen und mit


markanten Details wie etwa futuristischen Sohlen, mehrfarbigen
Nähten oder elastischen Schnellverschlüssen. Die sogenannten


Ugly Sneakers gibt es von Balenciaga, Prada oder Versace, aber
auch klassische Sportmarken wie Adidas oder Nike haben sie im


Programm. Solche Schuhe sind mit sehr viel Feinsinn so gestaltet
worden, dass sie aussehen, als hätten nachlässige Designer sie für


Grobmotoriker entworfen. Ugly Sneakers haben von allem etwas
zu viel, und nichts passt wirklich zusammen. Im Einzelnen sind


die Schuhe sehr unterschiedlich, doch eines haben sie gemein: Sie
machen keinen sehr schönen Fuß.


Das allerdings wirft Fragen auf. Was ist eigentlich ein schöner Fuß?
Es scheint etwas zu sein, das Frauen vorbehalten ist. Von kaum


einem Mann wird gesagt, er habe schöne Füße. Der männliche
Körper wird erst von der Wade aufwärts wahrgenommen. Einzig


den Frauen bürdet man auf, ihre Füße in Szene zu setzen. Wobei
ein schöner Fuß hier offenbar immer ein schmaler Fuß ist, der in


schlanken Fesseln endet.
Die Geschichte des feinen weiblichen Fußes ist eine Geschichte der


De for ma tion. Der Fuß ist ein Körperteil, dessen Form man nicht
durch einen bestimmten Lebensstil, Training oder Diät beeinflus-


sen kann. Wohl aber durch Tortur: Die chinesische Tra di tion des
Füßeabbindens wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein gepflegt. Es


galt als Zeichen des Wohlstands, wenn die Füße einer Frau durch
Bandagen daran gehindert wurden, über die Schuhgröße von Kin-


dern hinauszuwachsen. Mit solchen verkrüppelten Füßen konnte
die Frau keine weiten Strecken mehr zurücklegen. Also blieb sie


am besten zu Hause, um dort die ihr zugedachte gesellschaftliche
Rolle auszufüllen. Alles, was mit jener Tortur verbunden war – die


lebenslangen Schmerzen etwa –, musste fügsam erduldet werden.
Eine tugendhafte Frau zeichnete sich dadurch aus, ihr Leid tapfer


und stillschweigend zu ertragen.
Hier lässt sich eine Verbindung zur Tradition westlicher Damen-


schuhe herstellen, die in ihrer hochhackigen Variante so gestaltet
sind, dass sie für die Trägerin zur Tortur werden – und auch hier


gilt die stillschweigende Übereinkunft, des schönen Fußes wegen
tapfer zu leiden. Am brutalsten drückt dies vielleicht das ikonische


Bild einer Ballerina aus, die scheinbar leichtfüßig auf geschundenen
Zehen tanzt, um die totale Kontrolle über ihren Körper zu demons-


trieren. Man muss Ugly Sneakers nicht schön finden. Aber jeder
Schuh, der Frauen ihre Füße zurückgibt, ist gut. Im Übrigen kann


man damit auch bestens jemandem in den Hintern treten.


Schön hässlich

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