Die Zeit - 08.08.2019

(C. Jardin) #1

jetzt oft versucht haben, die Akten zu bekommen,
war das die einzige richtige Konsequenz, dem einmal
ins Bein zu ballern. Ähm, ich ... der hat die Botschaft
schon verstanden, und was ich wiederum gehört hab,
hmm, hmm, (...) ähm, ein Freund von mir kennt
den Chef von ... Und der meint, der Typ ist völlig
gestört jetzt. Der hat die Angst. (...)
Ciko B.: Müsst ihr halt noch bei den anderen
irgendwas machen.
Falk: Jaja, wir müssen mal gucken (...). Es gibt
diesen zweiten Typen noch. R. hat die Unterlagen,
die Computer und die Sachen, die hat er jetzt zu
Hause. So. Wir, wir waren schon mal da vorher, du
erinnerst dich? Auf dem Klingelschild steht aber der
Name von seiner Frau. (...)
Dritte Person: In Hamburg?
Falk: Nee, Frankfurt. Frankfurt. Frankfurt.
Ciko B.: Das war das erste Mal, wo die Fotos, die
du mir. Aber das war doch der, der jetzt ins Bein ge-
schossen.
Falk: Das waren zwei. Das eine war Winterbach-
straße. Das ist ein Mehrfamilienhaus.
Ciko B.: Wir haben doch J. ins Bein geschossen.
Falk: Ja, jaja, klar.
Ciko B.: Und das war seine Wohnung.
Falk: Jaja, klar, klar, klar. Aber dieser R. (...) ist
schon ’n richtiges Superarschloch. Aber der Punkt ist
der, (...) wir müssen uns die Akten einmal schnap-
pen. Und das macht man am besten, indem man bei
R. einmal einbricht, Sachen rausholt und fertig.
Ciko B.: Sascha, ääh ... Jeder kann irgendjeman-
den ins Bein schießen oder irgendwas machen. Wich-
tig ist, dass man sich nicht erwischen lässt, dass man
keine Spuren hinterlässt.
Falk: Jaja, natürlich. Ja, ja, ja, auf jeden Fall.
Das war ja auch perfekt. Das war ja perfekt.
Ciko B.: Deshalb hat das auch lang gedauert,
wie bei den anderen Sachen, zum Beispiel. Verstehst
du das?
Falk: Jaja. Ja. Die einzige Sache, die bedauerlich
ist, ist, dass das damals mit dem Experten nicht ge-
klappt hat. (...) Im Herbst 2007 wollten wir die
Sachen ja kriegen. Und das hätte natürlich dazu
geführt, dass, ääh, mein Verfahren sofort zu Ende
gewesen wäre, wenn ich die Sachen bekommen hätte.
So, und jetzt ist es natürlich schwierig, die noch ein-
zubringen. Aber zumindest im Zivilverfahren kann
ich sie nutzen. Und, ääh, insofern müsste ich die
Sachen schon besorgen.
Ciko B.: Wenn ihr noch mal was machen wollt,
müsst ihr einfach nur Bescheid.
Falk: Ja, ja.
Ciko B.: Wie, was.
Falk: Nee, aber ist, ääh, gut gelaufen, ähm, im
Nachhinein.
Ciko B.: Die wissen ganz genau jetzt, mit wem
sie es jetzt zu tun haben. Auch wenn sie es sich er-
laubt haben, haben sie es bereut. Der den Beinschuss
bekommen hat, auf jeden Fall.
Falk: Jaja, klar. Ich hab gejubelt, als hätte ich ei-
nen Elfmeter reingeschossen, und es hat mir große
Freude bereitet.
Dieser Mitschnitt, so jedenfalls scheinen es die
Ermittler zu sehen, ist der Jackpot. Das Motiv, die
offensichtliche Freude über die Tat – alles da, alles
dokumentiert. Und hat sich Wolfgang J. nicht,
ganz wie Falk es wollte, kurz nach der Tat aus dem
Mandat zurückgezogen?
Endlich ergibt alles einen Sinn.
Ergibt irgendetwas einen Sinn?
Ganz so eindeutig, wie es zunächst klingt, ist
die Sache nicht. Da sind Schönheitsfehler: An
keiner Stelle bestätigt Falk, dass er den Auftrag zu
dem Attentat auf Wolfgang J. gegeben habe; und
er sagt schon gar nicht, dass er J. habe tot sehen
wollen, wie es die Ankläger in Frankfurt anneh-
men. Und Ali B. sagt nicht, dass er den Auftrag
von Falk erhalten habe.
Dass Alexander Falk in diesen acht Minuten
menschenverachtend wirkt, dass viele seiner
Worte dumm und böse sind – all das ist offen-
sichtlich. Was aber beweist das Band? Und wel-
che strafrechtliche Rolle darf es spielen, wenn
nicht einmal geklärt ist, wieso die Aufzeichnung
von dem Abend im Restaurant so kurz ist? Was
fehlt? Wurde geschnitten? An welchen Stellen?
Wurde montiert?
Es stellt sich auch die Frage, wieso Alexander
Falk eigentlich den Tod von Wolfgang J. herbeige-
wünscht haben sollte. J. war zwar mit dem Zivil-
verfahren gegen Falk befasst und arbeitete für die
mutmaßlich Geschädigten, aber er war bloß Teil
eines Teams, ein Angestellter der Kanzlei Clifford
Chance. Er hatte eher wenig zu sagen, und wenn
einer wie J. aus dem Spiel genommen wird, wird
ein anderer wie J. eingewechselt.
Tatsächlich ein Mordmotiv?
Alexander Falks Anwälte und Freunde erklä-
ren bereits diesen Gedanken für undenkbar.
Klar: Sie sind die Anwälte und Freunde. Aber sie
können helfen, die Abgründe dieser Geschichte
zu begreifen.


W


ilfried Beeck empfängt im Ham-
burger Büro seiner Firma ePages,
eines Soft ware- Dienst leis ters für
Internet-Shops. Beeck ist ein
enger Vertrauter Falks, ein Pio-
nier der deutschen Internet-Wirtschaft, seit mehr
als 35 Jahren im Geschäft. In den Neunzigerjahren
baute Beeck den Soft ware- Rie sen In ter shop auf,
der auf dem Höhepunkt der New-Economy-Phase
mehr als elf Mil liar den Euro wert war, damals un-
gefähr so viel wie ThyssenKrupp. Heute blickt
Beeck durchaus verblüfft auf den Wahnsinn jener
Jahre zurück.
Er setzt sich auf einen Hartplastikstuhl, der
Raum ist vollgepackt mit T-Shirts, Wein, Taschen
mit dem Logo seiner Firma. Auf einem Beistell-
tisch steht ein Modellschiff. Auf dem Wasser sind
Beeck und Falk leidenschaftliche Konkurrenten.
Wilfried Beeck lernte Alexander Falk in den
späten Neunzigerjahren kennen, als beide mit ih-
ren Unternehmen an die Börse gingen. Falks Fir-


ma Ision war Kunde von In ter shop – ebenso wie
der britische Telekommunikationsriese Energis,
an den Falk später sein Unternehmen Ision ver-
kaufte. Beeck sagt, dass man die aktuellen Vor-
würfe gegen Falk nicht verstehen könne, ohne die
Geschichte von damals zu kennen.
In den Neunzigerjahren habe es für Firmen wie
ihre nur einen Weg gegeben, und der ging so
schnell wie steil nach oben. Der Markt war bis
zum Bersten aufgepumpt: In ter shop vervielfachte
Jahr für Jahr seinen Umsatz, täglich stampften
Glücksritter Unternehmen aus dem Boden, oft
ohne Substanz. »Die Investorenerwartungen wa-
ren gigantisch, es gab jeden Tag Mörderdruck«,
sagt Beeck. Und auch wenn In ter shop und Ision
nicht zu den unseriösen Unternehmen ohne Ge-
schäftsgrundlage gehörten, wie Beeck sagt, »so
waren wir dennoch völlig überbewertet«.
In jenen Jahren saßen der junge Falk und der
etwas ältere Beeck häufig zusammen und schüttel-
ten die Köpfe. Was war denn hier los?
Alles lief auf einen Crash zu, doch zu sehen
vermochte ihn damals kaum jemand. Falk ver-

kaufte seine Firma im Dezember 2000. Viele frag-
ten ihn, wie er das nur tun könne, sein Laden war
doch sein Leben. Seine Antwort: »Ich habe meinen
Grenzwert erreicht.« Als wenig später der Neue
Markt kollabierte, galt Falk vielen als Prophet.
Alexander Falk, ein moderner deutscher Held?
Der Zeitpunkt des Verkaufs war wohl Zufall.
Und der Erfolg, so urteilten die Richter später,
fußte auf Betrug.
»Alexander hat dummerweise, das muss man
im Nachhinein sagen, ein paar sehr riskante Bu-
chungen gemacht«, so formuliert es Beeck. Als
der Neue Markt kollabierte, verkaufte Falk für
100 Millionen Euro Energis-Aktien und jagte
das Unternehmen damit in den Abgrund:
Schnell war Ision pleite, kurz danach auch Ener-
gis. Und viele, viele Menschen waren blamiert
und wütend.
Langsam baute sich eine Welle auf, und Falk
sah sie nicht kommen. Der Kern der vielen Vor-
würfe: Mit Scheingeschäften und Luftbuchungen
hätten Falk und vier mitangeklagte Helfer vor
dem Verkauf die Bücher der Ision AG frisiert.
Falk bestreitet dies bis heute.
Wenn man nun eintaucht in den Prozess von
damals, 157 Verhandlungstage in drei Jahren,
14.000 Beweisdokumente, 75 Zeugenaussagen,
stößt man bisweilen an die Grenzen des Versteh-
baren. Vieles aber ist auch ganz simpel: Am Tag
des Börsengangs war der Ision-Kurs von 69 auf
130 Euro gestiegen, und so musste es offenbar
weitergehen, auch wenn ewiges Wachstum nicht
der ökonomischen Wirklichkeit entspricht. Die

Firma meldete steigenden Umsatz, steigende Ge-
winne, aber sie machte Verluste.
In Falks Umfeld heißt es noch viele Jahre spä-
ter, dass die strittigen Zahlen nur fünf Prozent des
100-Millionen-Umsatzes ausgemacht hätten, die
Haftstrafe deshalb überhart gewesen sei; zumal die
Briten von allen Details, auch den seltsamen
Buchungen, Kenntnis gehabt hätten, was Falk
bloß nicht mehr habe beweisen können. Vielleicht
rührte daher sein brennendes Interesse an den
Daten aus der Kanzlei Clifford Chance.
Alexander Falk, das wird bei Lektüre der Doku-
mente von damals klar, empfand das ganze Ver-
fahren als Frechheit: Er hielt im Gerichtssaal
Power Point- Vor trä ge, erklärte Staatsanwälte und
Richter zu betriebswirtschaftlichen Laien, die
glaubten, dass »zwei und zwei gleich fünf und die
Erde eine Scheibe ist«. Falk dachte, so zitiert ihn
ein Jugendfreund: »Wenn ich sehe, was für ein
Blödsinn dieses Urteil ist, dann müssen es doch
auch alle anderen sehen können.« Und dann habe
er sich in der Methode vergriffen, um aus den
vielen Blinden »Sehende« zu machen.

Klar wird auch, dass die Richter im Saal 300
des Hamburger Landgerichts keinerlei Zweifel
hatten: Sie verurteilten Falk im Mai 2008 wegen
Betrugs zu vier Jahren Gefängnis. Bundesgerichts-
hof und Bundesverfassungsgericht sahen keinen
Anlass, das Urteil aufzuheben.
Im Zivilverfahren erstritten die Gläubiger des
britischen Konzerns Energis 209 Millionen Euro
Schadensersatz von Falk. Das Urteil fiel 2012.
Dies ist der Rechtsstreit, dessentwegen angeblich
Wolfgang J., der Gläubigeranwalt, sterben oder
eingeschüchtert werden sollte.
Die Staatsanwaltschaft glaubt offenbar an das
Tondokument, und sie glaubt den Aus sagen des
Zeugen Etem E., andernfalls gäbe es keine Anklage.
Etem E. ist in ihren Augen ein vertrauenswürdiger
Zeuge ohne Belastungstendenz, wie Juristen sagen,
und das Bundeszentralregister weist keine Vorstrafen
gegen ihn aus. Ein unbescholtener Bürger. Welchen
Grund sollte er haben, Falk anzuschwärzen?
Nun.
Wer sich bei der Hamburger Staatsanwaltschaft
nach Etem E. erkundigt, hört ein seufzendes »Ach

ja, der Herr E.«, als sprächen sie dort von einem
alten Bekannten. Und wenn man dann recher-
chiert, wird deutlich, dass auch das Bundeszentral-
register nicht immer die ganze Wahrheit kennt.
Zwischen 1999 und 2018 trat Etem E. 24-mal
polizeilich in Erscheinung, wegen verschiedener
Gewaltdelikte, auch wegen versuchter Erpressung.
Einige Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, in
anderen Fällen wurde er freigesprochen. Mindes-
tens zweimal allerdings wurde er zu einer sechs-
monatigen Bewährungsstrafe verurteilt – einmal,
nach Informationen der ZEIT, 2009, nachdem er
ohne Waffenerlaubnis einen geladenen Revolver
mit sich geführt hatte, und einmal, 2003, nach-
dem er einem Mann eine durchgeladene Waffe in
den Mund gesteckt und ihn gemeinsam mit ande-
ren mit Fäusten traktiert hatte.
Warum verschweigen die Ankläger E.s krimi-
nelle Vergangenheit? Und warum sind die Vor-
strafen nicht vermerkt? Falks Unterstützer vermu-
ten, dass E. als V-Mann des LKA Hamburg tätig
war oder ist. Einen Beweis dafür gibt es nicht. Die
Staatsanwälte äußern sich nicht. Es scheint jeden-
falls ein Verfahren im Graubereich des Rechts zu
werden: Um Interpretationen wird es gehen, um
Glaubensfragen. Um die Frage, wer vor einem
Jahrzehnt wovon getrieben wurde.
War Alexander Falk damals ein Mann, der im
Gefängnis Freundschaften suchte? Sah er dann,
zurück in Freiheit, verbissen einen Lebenssinn da-
rin, der Welt die eigene Unschuld zu beweisen?
Falls es so war, dann hatte er für diesen Kampf die
falschen Verbündeten. Wenn es darum geht, den

Beweis der Unschuld anzutreten, ist der Weg in
die Halbwelt ungeschickt. Und gefährlich. Denn
Verbündete von gestern können dort schon mor-
gen zu Feinden werden.
In den Jahren 2010 bis 2017 gingen im Haus
der Familie Falk diverse Erpresserbriefe ein. Die
ersten, das bestätigen die Brüder Ali und Ciko B.
inzwischen, stammten von ihnen. Offenbar waren
die beiden wütend auf Falk, weil aus den Immo-
biliengeschäften in Istanbul nichts geworden war;
und die geliehenen 250.000 Euro hatte Falk auch
nicht zurückgezahlt. Die Familie zeigte die
Erpressungen nie an. Die Falks hatten Angst vor
jener Öffentlichkeit, unter der sie im ersten
Strafverfahren »unglaublich« gelitten hätten, so
schreibt es Nadia Falk in einer Stellungnahme für
die Ermittler: »Kein Mensch, der nicht einmal in
einer ähnlichen Si tua tion gewesen ist, vermag zu
beurteilen, wie es ist, von der öffentlichen Mei-
nung so kleingemacht zu werden. Alles Private
wird nach außen gezerrt.«
Weitere Erpresserbriefe, in denen Falk mit der
Veröffentlichung des Tondokuments gedroht
wird, stammen wohl von Etem E., der einst als
Laufbursche der Brüder B. galt. Dieser Etem E.
wollte mit dem Mitschnitt des Istanbuler Ge-
sprächs Geld verdienen. Die Falks weigerten sich,
sie zahlten nicht. Jahrelang. Als schließlich eine
Kanzlei, die mit dem Opfer J. in Verbindung
steht, für Hinweise auf den Täter eine Belohnung
von 100.000 Euro auslobt, sieht E. einen ande-
ren Weg, an Geld zu kommen. Bereits bei seiner
ersten Vernehmung in Frankfurt erkundigt er
sich danach, wie er an die 100.000 Euro gelangen
kann. Inzwischen ermittelt die Staatsanwalt-
schaft Hamburg gegen den Kronzeugen der
Staatsanwaltschaft Frankfurt – wegen Erpressung
der Familie Falk.
Die Anklage gegen Alexander Falk stützte sich
zunächst noch auf einen zweiten Zeugen, der bei
dem so wichtigen Gespräch im Block House selbst
anwesend gewesen sein will. In einer Vernehmung
vom 1. November 2018 bestätigte dieser die An-
gaben von Etem E.: Falk habe es »völlig ernst ge-
meint, dass man das Schwein erledigen müsse«, so
steht es in der Anklageschrift. Dieser zweite Zeuge


  • es handelt sich um Etem E.s Cousin – erklärt
    aber heute, dass seine Aus sage frei erfunden gewe-
    sen sei, und beruft sich auf sein Zeugnisverweige-
    rungsrecht, weshalb er vor Gericht wohl keine
    Rolle mehr spielen wird.


A


m 26. Juni 2019 geht bei der Staats-
anwaltschaft Frankfurt ein Schreiben
des Anwalts von Ali B. ein. Gegen Ali
und auch gegen seinen Bruder Ciko
gibt es in diesem Verfahren schon seit
fast einem Jahr Haftbefehle, denen sie sich entzie-
hen. Sie halten sich in der Türkei auf.
Der Anwalt schreibt, dass Ali B. nun die Aus-
sage Falks bestätige, wonach das Gespräch im
Block House erst 2010, also nach dem Schuss auf
den Rechtsanwalt J., stattgefunden habe. Bei J.
einzubrechen, um dessen Computer zu stehlen, sei
Ciko B.s Idee gewesen; Falk habe davon nichts
gewusst, genauso wenig wie von dem Attentat.
»Zu keinem Zeitpunkt habe ihm«, so heißt es über
Ali B., »Herr Falk den Auftrag erteilt, die Ermor-
dung oder einen anders gearteten Anschlag auf
Herrn Rechtsanwalt J. zu organisieren.« Den
Überfall auf Anwalt J. habe jener vorbestrafte
mutmaßliche V-Mann Etem E. »mit seinen Leu-
ten« durchgeführt, denn ihr Ziel sei es gewesen, J.s
Laptop zu erbeuten. Und sowieso, die gesamte
Aussage des Etem E. sei frei erfunden, der Zeuge
E. »lüge bei fast allem, was er sage«.
Ali B. geht dann auf die fatale Aufnahme ein,
jene acht Minuten O-Ton aus Istanbul. Ali B. be-
richtet, Falk habe seinem Bruder Ciko jede Men-
ge Zusagen für gemeinsame Geschäfte in der
Türkei gemacht und sich dann »unangekündigt
und kommentarlos« zurückgezogen, weshalb die
Brüder B. »auf einem Berg von Schulden« geses-
sen hätten. Deshalb sei die Aufnahme entstan-
den: um Falk, der »unzuverlässig und unredlich«
gewesen sei, zur Einhaltung seiner Zusagen zu
bewegen. Die Aufnahme sei »heimlich gemacht
und zusammengeschnitten« worden. Etem E.
wiederum habe eine CD dieses Zusammen-
schnitts ergattert und damit seinerseits Alexander
Falk erpresst.
Falks Verteidiger Björn Gercke erwartet »einen
Freispruch, alles andere würde mein Rechtsver-
ständnis auf den Kopf stellen. Alexander Falk
hatte kein Motiv. Da sind zwei Zeugen, einer gibt
mittlerweile zu, dass er gelogen hat, und der ande-
re ist vielfach wegen schwerster Delikte bestraft
und hat den Angeklagten über Jahre zu erpressen
versucht. Und da ist eine Aufzeichnung, die illegal
mit dem Ziel der Erpressung entstand und formal
wertlos ist, da sie geschnitten wurde. Was bleibt
da übrig?«
Die Staatsanwaltschaft wird das vermutlich anders
sehen, hat jedoch nicht die Absicht, sich vor Beginn
der Hauptverhandlung zu äußern »und damit eine
Beweisaufnahme vorwegzunehmen«, wie Oberstaats-
anwältin Nadja Niesen der ZEIT schreibt.
Der Prozess am Landgericht Frankfurt beginnt
am 21. August. Alexander Falk sitzt seit einem Jahr
in Untersuchungshaft, was ungewöhnlich lang ist,
doch es wird Fluchtgefahr vermutet. Vor wenigen
Tagen beantragte Nadia Falk aufgrund der Er-
kenntnisse über Tonband und Zeugen die Freilas-
sung ihres Mannes. Das Gericht lehnte ab, der
Tatverdacht bestehe weiterhin.
Alexander Falk, heißt es, lese in seiner Zelle
Klassiker, Zeitungen und, immer wieder von vorn,
die eigene Akte. Seine Kinder berichten ihm von
ihren Schulferien, seine Freunde berichten ihm
von den Regatten des Segelsommers. Einen Fern-
seher hat Falk, angeblich als einziger Häftling im
gesamten Gefängnis, abgelehnt, »um nicht zu ver-
blöden«. Ein Rest von Bürgertum in der Zelle der
JVA Frankfurt am Main I, Planquadrat P15.

HINTER DER GESCHICHTE

Ausgangsfrage: Hat der Erbe und
Internet-Unternehmer Alexander
Falk tatsächlich einen Mord in
Auftrag gegeben, wie die Staats-
anwaltschaft glaubt?

Recherche: Unsere Autoren
sprachen mit dem Verteidiger, mit
Freunden sowie mit Gegenspielern
des Angeklagten. Die Autoren
kennen Teile der Gerichtsakte, und
sie konnten die erwähnte Audiodatei
anhören.

Besonderheit der Recherche:
Einer unserer beiden Autoren, Klaus
Brinkbäumer, kannte Alexander Falk
vor dieser Recherche flüchtig, einige
Male hat er gegen ihn gesegelt. Mit
Wilfried Beeck ist Brinkbäumer
befreundet, er segelt auf Beecks
Schiff »Trivia« in der Regattacrew.
Da Beeck wiederum mit Falk
befreundet ist, hat nicht Klaus
Brinkbäumer, sondern der zweite
Autor, Daniel Müller, das Gespräch
mit Beeck geführt und beschrieben.
Brinkbäumer war nicht dabei.

Er sei nicht gern allein, heißt es über Alexander Falk. Im Gefängnis ging er fatale Freundschaften ein


  1. AUGUST 2019 DIE ZEIT No 33 DOSSIER 13

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