Die Zeit - 08.08.2019

(C. Jardin) #1

  1. August 2019 DIE ZEIT No 33


W


enn samir Mandi satellitenbil-
der von Häfen im Nahen Osten
und Positionsdaten von tankern
studiert, lüftet er dabei oft die
geheimnisse des internationalen
Erdölhandels. so fiel ihm am 19. Juli auf, dass der
britische tanker Mesdar in der straße von Hormus
von seinem Kurs abgewichen war und sich der
Küste des Iran näherte.
Es dauerte nicht lange, ehe die Nachricht die
Runde machte, die iranische Marine hätte den tanker
abgedrängt, ebenso wie kurz zuvor den tanker Stena
Imperio. Mandi suchte in seiner Datenbank nach der
Mesdar. Mandi ist gründer von tankertrackers.com,
einer Webplattform, die Informationen über den
weltweiten tankerverkehr zur Verfügung stellt. Bei
seiner suche nach der Mesdar fand er heraus, dass das
schiff in den vergangenen zwei Jahren mehrfach
zwischen dem Ölhafen Ras tanura in saudi-Arabien
und China verkehrte. Da war er sich sicher, dass die
Mesdar trotz des Manövers der iranischen Marine
nicht beschlagnahmt werden würde. »Mit Öl für
China an Bord kriegt man keine Probleme mit dem
Iran«, sagt Mandi.
In der straße von Hormus verdichtet sich gerade
die Weltpolitik auf kleinem Raum. Die Meerenge
zwischen dem Oman und dem Iran verbindet den
Persischen golf mit dem Indischen Ozean, an der
engsten stelle ist sie nicht einmal 40 Kilometer breit.
und sie ist zum schauplatz um die sanktionspolitik
gegen den Iran geworden.


Nach Angaben der amerikanischen Energy In-
formation Administration wurden im vergangenen
Jahr fast 21 Millionen Fass Rohöl täglich durch die
Meerenge transportiert, das ist rund ein Fünftel der
weltweiten Erdölexporte. Die Lieferungen stammen
aus dem Irak, dem Iran, Kuwait, Bahrain, Katar,
saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emi-
raten. Rund drei Viertel der transporte gehen nach
Japan, Indien, singapur und vor allem China. Die
straße von Hormus ist eine Art Nadelöhr des Erd-
ölhandels. Wenn an dieser stelle der schiffsverkehr
stockt, drohen unternehmen überall auf der Welt
Probleme zu bekommen – und nun ist es so weit.
Die usA versuchen mit maximalem Druck, ein
neues Abkommen mit dem Iran zu erzwingen, in dem
sich das Land bereit erklärt, sein Atomprogramm
zurückzufahren. Daher haben sie die sanktionen
gegen die iranische Erdölindustrie verschärft.
Der Iran seinerseits droht damit, die straße von
Hormus zu schließen. seit Mai sind sechs Öltanker
in der Region angegriffen worden, die usA machen
den Iran dafür verantwortlich. Am 19. Juli dann be-
schlagnahmte die iranische Marine den unter briti-
scher Flagge fahrenden tanker Stena Imperio. Offen-
bar aus Vergeltung. Kurz zuvor hatte die britische
Marine nämlich vor gibraltar einen iranischen
tanker gestoppt, der unter umgehung des sues kanals
angeblich Erdöl nach syrien liefern sollte, gegen das
die usA ebenfalls sanktionen verhängt haben.
Ein Einzelfall ist das offenbar nicht. Zumindest
berichtet der Marktbeobachter Mandi von mehreren

tankern, die er auf satellitenbildern entdeckt habe
und die dem Iran dabei helfen würden, die us-sank-
tionen zu brechen. sie laden ihre Fracht im Iran,
durchqueren die straße von Hormus, fahren dann
das Rote Meer bis zum sueskanal hinauf. Danach

schalteten sie das system zur automatischen Positions-
bestimmung aus. sie können dann elektronisch nicht
mehr verfolgt werden. Auf satellitenbildern von der
syrischen Entladestation von Banijas tauchen sie
schließlich wieder auf.
Das Paradoxe daran: Mandi will ermittelt haben,
dass die Lieferungen vom Iran nach syrien infolge

der härteren us-sanktionen gegen das Regime in
teheran sogar gestiegen sind. Laut seinen Berech-
nungen hat der Iran von August 2018 bis Ende ver-
gangenen Jahres 50.000 Fass Rohöl pro tag an syrien
geliefert. Von Januar bis Anfang Mai dieses Jahres war
es dann kein einziges. Doch von Mai bis Ende Juli
waren es 100.000 Fass täglich.
»Beide Länder sind mit sanktionen belegt«, sagt
Mandi. »Insofern ist es ihnen wohl egal.« Hinzu
kommt, dass der Iran sein Erdöl loswerden müsse. Es
gebe im Land schlicht nicht genug freie tanklager.
Das habe, so Mandi, einen einfachen grund: Die
iranischen Erdölfelder seien teilweise sehr alt. Es sei
daher nicht ganz einfach, das Öl aus dem Boden zu
pumpen. Drosselte man die Produktion, wäre der
Druck an den Bohrlöchern zu schwach, sie drohten
zu versiegen. sie danach wieder zu aktivieren wäre
teuer. Daher sei es für den Iran schwer möglich, die
Produktion zu drosseln. Also wird weiter gepumpt,
tanklager und tankschiffe werden gefüllt – und dann
muss das Öl schnell weg, egal wohin.
Die us-sanktionen treffen den iranischen Erdöl-
sektor schwer. Im April 2018 exportierte das Land 2,
Millionen Fass Rohöl pro tag, gegenwärtig sind es nur
mehr rund 700.000 Fass pro tag. »seit März hat der
Iran dadurch vier Milliarden Dollar verloren«, sagt
torbjorn soltvedt von der Risikoberatung Verisk
Maplecroft. Daher ist der Iran dringend auf China
angewiesen. Das Land unterwirft sich den us-sank-
tionen nicht und ist einer der wenigen großkunden
des Iran. China hat seine iranischen Erdöleinfuhren

zwar reduziert, aber nicht eingestellt; im Juni impor-
tierte China 6,3 Millionen Fass Rohöl aus dem Iran.
Die heikle Lage am Persischen golf hat Folgen.
Der Mineralölkonzern BP will vorerst keine eigenen
schiffe durch die straße von Hormus schicken, shell
will auf tanker unter britischer Flagge verzichten,
wenngleich der Marktbeobachter Mandi damit
rechnet, dass etwas Ruhe einkehrt. »Der Iran will auf
keinen Fall den Kunden China verlieren, dafür muss
die straße von Hormus frei bleiben«, sagt er.
Die Versicherungen sind vorsichtiger. sie hatten
bislang den totalverlust eines schiffes bezahlt, wenn
es 180 tage lang festgehalten wurde. Nach der Be-
schlagnahme der Stena Imperio wurde diese Frist von
den meisten Versicherern auf 360 tage heraufgesetzt.
Erst dann tritt nun der totalverlust ein. Für Fahrten
in den Persischen golf seien zudem die Prämien
deutlich gestiegen, heißt es bei dem Hamburger
schiffsversicherungsbroker georg Duncker.
Nur eines ist noch nicht geschehen: Der Erdölpreis
ist durch die spannungen an der straße von Hormus
nicht gestiegen, was man erwarten könnte, wenn das
gut knapper wird und teurer zu transportieren. Im
gegenteil. Im vergangenen Monat sank der Preis der
Nordseesorte Brent gar um sieben Prozent. Offenbar
halten die Händler einen Abschwung der Weltwirt-
schaft infolge des Handelskonflikts zwischen den
usA und China für so wahrscheinlich, dass sie in der
Folge mit einer geringeren Ölnachfrage rechnen.

siehe auch Politik, Seite 5: Die Nein-sager

D


onald trumps Welt der
schiefen Argumente ist nun
um ein besonders schiefes
Argument reicher: Der ame-
rikanische Präsident wirft
der chinesischen Regierung
Währungsmanipulation vor


  • obwohl diese einfach nur damit aufgehört hat,
    den Kurs ihrer Währung künstlich zu stützen.
    Vordergründig ist das bloß eine neue Wendung
    in einem Konflikt, der schon seit vielen Monaten
    schwelt. tatsächlich aber macht der Vorstoß deutlich,
    dass trump in seinem chinesischen Amtskollegen Xi
    Jinping allem Anschein nach einen gegner gefunden
    hat, der sich nicht so leicht niederringen lässt wie
    andere. Für den Rest der Welt verheißt der Kampf
    der giganten nichts gutes. Eine aktuelle umfrage
    des Beratungsinstituts Oxford Economics zeigt:
    Nichts lässt geschäftsleute weltweit derzeit so sehr
    bangen wie die Handelskriege und ihre Folgen für
    die globale Konjunktur.
    Dabei hat trump sich in diesen Auseinanderset-
    zungen nach seinen eigenen Maßstäben bislang recht
    erfolgreich geschlagen. Ein Land nach dem anderen
    hat ihm Zugeständnisse gewährt, als er mit straf-
    zöllen drohte. Die südkoreaner haben die Einfuhr-
    regeln für amerikanische Autos gelockert, Mexiko hat
    die grenzkontrollen für Flüchtlinge aus Zentralame-
    rika verschärft, zuletzt hat die Eu zugesagt, mehr
    Rindfleisch aus den usA zu importieren.
    Dass das der amerikanischen Wirtschaft tatsäch-
    lich zu neuer größe verhilft, bezweifeln die meisten
    Ökonomen. Für Donald trump waren dies aber sym-
    bolische Erfolge, die bei seiner Basis gut ankamen


und seinen aggressiven Politikstil zu bestätigen schie-
nen. Lange sah es so aus, als würden sich auch die
Chinesen auf das spiel einlassen: hier ein wenig mehr
amerikanische sojabohnen einführen, dort den ei-
genen Markt ein stück weit für ausländische Konzer-
ne öffnen und dann eine schöne Zeremonie, bei der
ein neuer Handelsvertrag unterzeichnet wird. Dieses
szenario rückt nun in die Ferne. In den chinesischen
staatsmedien jedenfalls wird den usA vorgeworfen,
das Land zur »Kapitulation« bewegen zu wollen, wo-
gegen man sich wehren werde.
tatsächlich gibt es in der amerikanischen Regie-
rung Kräfte, denen es um mehr geht als darum, die
abgeschotteten chinesischen Märkte zu öffnen. Die-
se Fraktion – der trumps Handelsdirektor Peter
Navarro zugerechnet wird – möchte vielmehr den
ökonomischen und geopolitischen Aufstieg Chinas
zur Weltmacht verhindern. Der Handelskonflikt ist
aus sicht jener Leute ein Instrument, um dieses Ziel
zu erreichen. trump folgt dabei einem von ihm be-
kannten Muster. Er erhöht laufend den Druck, in der
Hoffnung, sich am Ende durchzusetzen.
Die jüngste Eskalationsstufe: In der vergange-
nen Woche kündigte trump an, chinesische Wa-
ren im Wert von 300 Millionen Dollar mit Ein-
fuhrzöllen zu belegen – zusätzlich zu den bereits
bestehenden strafmaßnahmen. Damit fallen nun
praktisch alle chinesischen Exporte in die Vereinig-
ten staaten unter das Zollregime.
Die Führung in Peking sorgte daraufhin dafür,
dass die heimischen unternehmen weniger landwirt-
schaftliche Produkte aus den usA einführen, was die
ländlich geprägten amerikanischen Bundesstaaten
trifft. Dort leben viele der Anhänger von Donald

trump. Vor allem aber ließ Peking zu, dass die Wäh-
rung des Landes – der Yuan – kurzzeitig gegenüber
dem amerikanischen Dollar auf den niedrigsten Wert
seit elf Jahren fiel. Dadurch werden chinesische Wa-
ren in Dollar gerechnet günstiger.
um die Aufregung zu verstehen, muss man wis-
sen, dass der Wert der chinesischen Währung seit je

ein Politikum ist. Chinas Notenbank hat in den
Neunzigerjahren angefangen, das eigene geld künst-
lich zu verbilligen – indem sie Yuan verkauft und
Dollar gekauft hat. Ziel: Den heimischen Exporteu-
ren sollte gegenüber der Konkurrenz ein Preisvorteil
auf dem Weltmarkt verschafft werden. Diese Politik
war ein wichtiger grund für den Erfolg des chinesi-
schen Industrialisierungsmodells.

Als die internationale Kritik daran zunahm, weil
andere Länder um die Marktanteile ihrer unterneh-
men fürchteten, fuhren die Chinesen die Devisen-
interventionen schrittweise zurück, und der Yuan
gewann an Wert. Zuletzt aber hatten sich die Verhält-
nisse umgekehrt: Die Währung verlor an Wert, was
auch mit trumps Zöllen zu tun hat. Wenn chinesi-
sche Firmen weniger Waren in den usA verkaufen,
dann nehmen sie weniger Dollar ein, die sie in der
Heimat in Yuan umtauschen. Die Nachfrage nach
Yuan sinkt und damit der Kurs der Währung.
um das zu verhindern und keine neue interna-
tionale Kritik auf sich zu ziehen, hat die chinesi-
sche Zentralbank die eigene Währung in den ver-
gangenen Monaten immer wieder gestützt – und
nicht etwa geschwächt. Dass der Kurs zu Wochen-
beginn auf talfahrt ging, lag vor allem daran, dass
die Zentralbank Chinas diese stützung zugunsten
der Amerikaner eingestellt hat.
Ist das nun Manipulation? Das Fundament der
amerikanischen Vorwürfe ist jedenfalls nach Ansicht
der meisten Ökonomen sehr wacklig. Die Regierung
in Washington behaupte, China habe »konkrete
schritte« zur Abwertung der eigenen Währung un-
ternommen, könne aber »keine Maßnahmen nen-
nen«, sagt Clemens Fuest, Präsident des Münchner
Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Diese Ein-
schätzung wird auch in der deutschen Bundesregie-
rung geteilt. Dort hält man die Vorwürfe der Ame-
rikaner für wenig überzeugend – und fürchtet, dass
eine Eskalation der Auseinandersetzung die ohnehin
schwächelnde deutsche Wirtschaft zusätzlich belastet.
schließlich ist China für die hiesigen Firmen ein
wichtiger Absatzmarkt.

Finanzminister Olaf scholz rief deshalb die Kon-
fliktpartner zur Mäßigung auf. Dass sich trump da-
von beeindrucken lässt, ist unwahrscheinlich. Aus
amerikanischer Perspektive haben die Chinesen mit
der Freigabe des Yuan signalisiert, dass sie bereit sind,
ihrerseits aufzurüsten und neue strafzölle währungs-
politisch zu neutralisieren. Die Logik: Ein amerika-
nischer Zoll verteuert die Exporte aus China, eine
Abwertung der chinesischen Währung würde sie
wieder verbilligen. Deshalb hat trumps Wirtschafts-
berater Larry Kudlow die amerikanische Notenbank
bereits aufgefordert, ihrerseits die Zinsen weiter zu
senken, um den Dollar abzuwerten.
gewinnen kann einen solchen Abwertungswett-
lauf niemand, die Frage ist eher, wer zuerst entnervt
aufgibt. Die Amerikaner können den Chinesen zwar
größeren schaden zufügen als umgekehrt, weil chi-
nesische Exporteure von Amerika abhängiger sind als
amerikanische von China. Doch trump will im kom-
menden Jahr wiedergewählt werden, während die
Begrenzung von Präsident Xis Amtszeit praktischer-
weise im vergangenen Jahr aufgehoben wurde. In den
chinesischen staatsmedien jedenfalls argumentieren
die Kommentatoren, dass das Durchhaltevermögen
der Chinesen höher sei als das der Amerikaner.
Ob das so ist, wird sich zeigen, aber mit einer
schnellen Beilegung der Auseinandersetzung ist an-
gesichts der Erfahrungen mit Donald trump kaum
zu rechnen. Adam Posen vom Peterson Institute for
International Economics in Washington erwartet
sogar, dass trump in der Auseinandersetzung mit
China ein »ökonomisches Afghanistan« erleben wird:
einen endlosen, kostspieligen Konflikt ohne Aussicht
auf Erfolg. MITARBEIT: TUCKER JIANG

18 WIRTSCHAFT


ZEIT-GRAFIK
500 km

SYRIEN

ISR AEL

AFGH A
NISTAN

Arabisches
Meer

Straße von
Hormus

IRAK

Teheran

SAUDI
AR ABIEN
V. A. E.

JEMEN

OMAN

IRAN

Kursverlauf des chinesischen
Yuan in US-Dollar

0 ,15 0

0,

0,
Stand: 6.8.2019 Jan. 2019

Quelle: finanzen.net

Jun. 2019

Abwärts


Hauptsache,


dagegen


Es wird eng in der Straße von Hormus


Die us-Regierung fordert, dass der Iran kein Erdöl mehr exportiert. Dadurch eskaliert die Lage an der wichtigsten tanker-Route der Welt VON INGO MALCHER


Chinesen und Amerikaner liefern sich nun neben dem Handels-


auch noch einen Währungskrieg. Das kann


heiter werden VON MARK SCHIERITZ

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