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Als ich 1974 anfing zu praktizieren, hatte ich bereits drei
Abschlüsse in Psychologie. Bald bemerkte ich, dass es eini
ge Klienten gab, mit denen alles gut zu laufen schien – bis
sie die Therapie plötzlich be ende ten, weil ich etwas getan
oder gesagt hatte, das sie kränkte. Und diese Klienten wa
ren extrem leicht zu kränken. Wie zum Beispiel die Frau,
die mich beschuldigte, sie absichtlich aus dem Raum für
die Gruppentherapie ausgesperrt zu haben. Oder der Taxi
fahrer, der völlig im Ernst vorschlug, ich solle meine Praxisin einen weniger teuren Stadtteil verlegen, damit ich mein
Honorar für ihn senken könne. Andernfalls werde er auf
hören. Ich wusste, dass es eine psychologische Ursache für
dieses Verhalten geben musste. Und so begann meine Ob
ses sion mit der Erforschung Narzisstischer und anderer
Persönlichkeitsstörungen.
Für alle, die keine Narzissten in ihr Leben lassen wollen:
Wie erkennt man diese rechtzeitig?
Wenn Sie nicht vom Fach sind, können Sie zum Bei
spiel auf die vier S achten: Selbstbezogenheit, Scham,
Sensibilität gegenüber Kritik, Statussuche. Stellen wir uns
vor, Sie hätten ein Date mit einem Mann. Er ist sehr gut
angezogen, macht Ihnen Komplimente, lädt Sie in Ihr
Lieblingsrestaurant ein. Sie beide unterhalten sich, und
Sie bemerken, dass er viel über sich redet und Sie kaum
etwas fragt, was Sie zunächst darauf schieben, dass er ner
vös ist. Als Sie an einen eher kleinen Tisch gesetzt werden,
wird er sichtbar ärgerlich. Sie versuchen, die Si tua tion mit
einem Scherz zu entschärfen, aber Ihr Date scheint das als
Kritik aufzufassen und fängt an zu schmollen. Als Sie sei
nen Weingeschmack loben, hebt sich seine Laune wieder,
und er hält einen spontanen Vortrag über die Wahl des
richtigen Weines. Sie sagen nichts, obwohl Sie sich selbst
ziemlich gut auskennen. Am Ende des Abends sind Sie
erschöpft und bemerken, dass Sie die ganze Zeit damit
verbracht haben, ihn bei Laune zu halten.
Klingt fast wie die Karikatur eines Narzissten.
Auf diese Weise können Sie vor allem eine Untergruppe,
die wir exhibitionistische Narzissten nennen, schnell er
kennen. Die meisten Menschen assoziieren Narzissmus in
erster Linie damit. Aber es gibt andere Formen, wie die des
verdeckten Narzissmus. Der ist schwerer zu identifizieren.
Geben Sie uns einen Hinweis.
Die meisten verdeckten Narzissten fühlen sich zu expo
niert und verletzlich, um direkt Aufmerksamkeit auf sich
lenken zu wollen. Stattdessen schließen sie sich Men
schen, Gruppen, Organisationen, sogar Religionen an, die
sie idealisieren können. Oder sie idealisieren ihren Chef
und fühlen sich besonders, weil sie für diesen großartigen
Mann arbeiten dürfen.
Und wo liegt dann das Problem?
Auch verdeckte Narzissten können sehr abwertend sein,
vor allem wenn sie jemanden beneiden. Aber sie tun das
hinter dessen Rücken: »Ich spreche ja nicht gerne schlecht
über andere, und ich bin sicher, sie hat ihre Gründe ...« –
und dann reißen sie deinen Ruf in Stücke.
Aber läuft das nicht subtiler ab? Ich denke zum Beispiel an
einen Professor, der immer Fachausdrücke benutzt, wenn er
über sein Gebiet redet, obwohl er weiß, dass ich sie nicht
kenne. Sodass ich mir immer ziemlich dumm vorkomme.
Wenn er das aus narzisstischen Gründen tut, dann um
sich in eine überlegene Po si tion zu bringen. Dass Sie sich
entwertet vorkommen, ist ein Nebeneffekt. Außerdem
verhält er sich nicht sehr empathisch, weil er Ihren Wis
Foto sensstand nicht auf dem Schirm hat und auch nicht Ihre
Katharina Poblotzki
Elinor Greenberg, 74, ist Gestalttherapeutin in
New York und auf Persönlichkeitsstörungen spezia
lisiert. Mit ihren Texten über Narzissmus gehört
sie zu den meistgelesenen Autorinnen auf der Inter
netPlattform Quora, sie hat zwei Millionen Seiten
aufrufe pro Monat. Im Gegensatz zu anderen
Therapeuten hält Greenberg Nar zisstische Persön
lichkeitsstörungen für behandelbar. Sie schrieb
das Buch »Bor der line, Narcissistic, and Schizoid
Adaptations« und hat einen Kurs für die Behand
lung von Narzissmus am Gestalt Center for
Psychotherapy and Training in New York entwickelt