Die Zeit - 08.08.2019

(C. Jardin) #1
Ich liebe den Klang von Regentropfen auf Dächern. Der Bus, mit dem ich gerade auf Tournee bin, hat ein Metalldach, das besonders gut klingt. Als es neulich ein nächtliches Unwetter gab, habe ich mich hingelegt, den Regensound genossen und dann besonders gut geschlafen.Meistens schlafe ich 13 Stunden, was mir in der Band den Spitznamen »der 13-Stunden-Mann« eingebracht hat. Und ich träume jede Nacht. In letzter Zeit sind es stundenlange, epische Träume.In meinem ganzen Leben hatte ich allerdings noch keinen einzigen Traum, der angenehm oder entspannt gewesen wäre. Meine Träume sind immer stressig und problem





beladen. Manchmal geht es um Leben und Tod, manchmal um Musik. Ich träume oft von verstorbenen Musikern wie Prince oder Elvis, die mich auf die Bühne bitten, weil jemand aus ihrer Band ausgefallen ist. Ich bekomme dann in letzter Minute eine Gitarre in die Hand gedrückt, was mich total stresst, weil ich nicht weiß, was ich spielen soll. Letzte Nacht hatte ich wieder einen dieser epischen Träume: Ich bin in einem Saal, der mit Palmen geschmückt ist, und alle Menschen, die mir in meinem Leben wichtig gewesen sind, stehen da rum – Familienmitglieder, meine Kinder und Freun





de. Es ist eine Party, zu der ich aber offenbar nicht eingeladen bin. Alle verhalten sich so, als ob ich nicht da wäre. Ich spreche sie an, werde aber nicht wahrgenommen. Sie überreichen sich gegenseitig Geschenke. Im Schlaf fühlte ich mich betrogen von den Menschen, die mir nahestehen. Es kam mir vor wie eine finale Bestrafung – und ich bin wütend aufgewacht. Wir leben in einer Ära ohne Geheimnisse, ohne Mysterien. Das Digitale lässt keinen Raum für Fantasie und Träume. Wenn ich im Restaurant merke, wie ich beim Essen gefilmt werde, fliehe ich sofort. Ich besitze kein Handy, ich bin in keinem sozialen Netzwerk und werde nie einen Satz wie »Hey, das ist mein Essen!« ins Netz stellen. Es ist mir auch egal, was die Velvet-Underground-Leute gegessen haben. Ich liebe ihre Musik, alles andere soll ein Geheimnis bleiben. Die Teenager heute wissen alles über ihre Idole – wie öde! Mein gelebter Traum ist es, meine eigene Plattenfirma zu haben. Mein größter Traum ist, mit diesem Label einige Teenager mit meiner Liebe zur Musik zu infizieren. Bei meiner Plattenfirma mache ich Quatsch, den mir keine an-dere Firma erlauben würde. Mit meinen Kindern habe ich zum Beispiel einmal eine Testpressung meines vorigen Solo-albums bei uns im Garten an zwei große Ballons gehängt

und davonfliegen lassen, lange vor der Veröffentlichung. Ich habe gefilmt, wie meine Platte in den Himmel steigt und langsam am Horizont verschwindet. Wir haben so gelacht! Zum Glück hat die Platte niemand gefunden.

»Im Schlaf fühle ich mich betrogen von den Menschen, die mir nahestehen«


Jack White, 44, ist in Detroit geboren und aufAufgezeichnet von Christoph DallachZu hören unter http://www.zeit.de/audio





gewachsen. Bekannt wurde er als Sänger und Gitarrist der Band The

White

Stripes. Deren Song »Seven

Nation Army« wurde zu einer der meist

gespielten und

-gesungenen Stadionhymnen der Welt.

White

wurde bislang mit zwölf Grammys aus

gezeichnet.

Im Juni ist »Help Us Stranger« erschienen, das neue Album seiner Band The RaconteursFoto Anatol Kotte
Free download pdf