Die Welt Kompakt - 31.07.2019

(lu) #1

14 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH, 31. JULI 2019


E

s war einer der weni-
gen kühlen Juli-Vor-
mittage am Stadtrand
von Berlin. Schwere
graue Wolken zogen am Diens-
tag über das Gelände des Flug-
hafens Berlin-Brandenburg.
Fast sah es so aus, als würde das
Richtfest für das neue Terminal
2 noch ins Wasser fallen und die
in Sachen BER ohnehin nur mä-
ßig ausgeprägte Feierstimmung
in der Hauptstadt vollends wie-
der kippen. Ohnehin dürfte
kaum jemand in Berlin zur
Kenntnis genommen haben,
dass an der peinlichen Groß-
baustelle im Südosten ein wei-
teres Terminalgebäude irgend-
wann einmal fertig werden soll.


VON MICHAEL FABRICIUS

Flughafenchef Engelbert Lüt-
ke Daldrup zeigte sich wie
schon oft in den vergangenen
zweieinhalb Jahren jedoch un-
beirrt und versprach anlässlich
der Rohbau-Fertigstellung des
Terminals T2: Der BER wird wie
geplant bis Oktober 2020 fertig.
Und das neue Terminal gleich
mit. „Wenn das T2 in Betrieb
geht, erhöhen wir die Kapazität
des BER auf 28 bis 30 Millionen
Passagiere“, sagte er. „Zusam-
men mit dem Flughafen Schö-
nefeld, der ab dem nächsten
Jahr als Terminal 5 ein Teil des
Flughafens Berlin Brandenburg
wird, können am Standort dann
über 40 Millionen Passagiere
pro Jahr abgefertigt werden.“
Versprechungen und Progno-
sen gab es schon viele beim
BER. Der drittgrößte deutsche
Flughafen sollte eigentlich
schon im Herbst 2011 in Betrieb
gehen. Die Eröffnung wurde
aber sechs Mal verschoben.
Baumängel, Technikprobleme
und verheerende Planungsfeh-
ler verzögerten das Vorhaben.
Vor allem beim Brandschutz
gab es viele Umbauten, die Ent-
rauchungsanlage trug zwi-
schenzeitlich den Kosenamen
„Monster“. Die Kosten stiegen
von zwei auf inzwischen bis zu
sieben Milliarden Euro. Doch
Lütke Daldrup und den betei-
ligten Bau- und Planungsfirmen
scheint nun das Unmögliche zu


prinzipprüfungen. Dabei testet
der Tüv, ob alle wichtigen tech-
nischen Anlagen des Hauptter-
minals im Verbund funktionie-
ren. Die Prüfungs-Kaskade ist
eine Voraussetzung für die Ab-
nahme des Airports durch die
Baubehörde. Es geht um mehre-
re Hundert Szenarien, auch Ret-
tungs- und Notfalleinsätze. So
soll nicht nur klar werden, dass
bei einem Brand Alarm ausge-
löst wird. Es muss auch automa-
tisch an der richtigen Stelle ge-
nug Löschwasser aus den
Sprinklern kommen, Entrau-
chungsklappen müssen sich öff-
nen und Brandschutztüren
müssen sich schließen – eine
Aufgabe, für die im Jahr 2012
kurz vor der BER-Eröffnung
Hunderte von studentischen
Brandhelfern vorgesehen wa-
ren, die die Türen im Brandfall
per Hand hätten schließen sol-
len. Damals sprachen die Ver-
antwortlichen begeistert von ei-
ner „Mensch-Maschine-Kopp-
lung“. Die Bauaufsichtsbehörde
des Landkreises Dahme-Spree-
wald stoppte jedoch das Vorha-
ben und legte damit das ganze
Projekt auf Eis.
Sieben Jahre später wird es
wieder einmal knapp. Denn der
Plan sah Ende Juli als spätesten
Zeitpunkt für den Beginn der
Prüfungen vor. Der TÜV benö-
tigt rund zwei Monate für die
Wirkprinzipprüfung, und viel
darf dabei nicht schiefgehen.
Doch dass die Anlagen im Ein-
zeltest bisher nicht durchgefal-
len sind, lässt Lütke Daldrup
hoffen: „Wir erwarten keine
größeren Probleme“, sagte er.
Anders hingegen Verkehrsmi-
nister Scheuer. Obwohl die
Bundesregierung selbst mit 26
Prozent an der Flughafengesell-
schaft (FBB) beteiligt ist und im
Aufsichtsrat sitzt, beschwerte
er sich in einem Brief an Lütke
Daldrup über den engen zeitli-
chen Puffer. Scheuer forderte
eine Sonderaufsichtsratssit-
zung im August: „Falls Sie in ei-
ner solchen Sitzung nicht über
einen erfolgreichen Verlauf der
Wirkprinzipprüfung berichten
können, müssen Sie dann ein
schriftliches Gesamtkonzept
für den Fall vorlegen, dass der

FFFür sechs Millionen ür sechs Millionen
Passagiere im Jahr
ausgelegt: das Terminal 2

DPA

/ SOEREN STACHE

Am BERist wieder etwas fertig – fast


Das Terminal 2 scheint fristgemäß in Betrieb zu gehen. Die TÜV-Tests laufen.


Es sieht so aus, als würde der Flughafen tatsächlich eröffnen können


Quelle: dpa

Dauerbaustelle BER
Die Planungen laufen seit ����,
gebaut wird seit ����
abgesagte Eröffnungstermineabgesagte Eröffnungstermineabgesagte Eröffnungstermine

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September
Erster Spatenstich:
Eröffnungstermin Okt. ����

Spatenstich für das Terminal

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Pleite einer Planungsfirma:
Eröffnung wird auf Juni ����
verschoben.

Probleme mit der Brand-
schutzanlage: Eröffnungs-
termin wird abgesagt und
auf März ���� verschoben.

Analyse legt zahlreiche
Mängel offen: Neuer Eröff-
nungstermin Oktober ����.

Weitere Baumängel werden
bekannt, die Eröffnung wird
auf unbestimmte Zeit
verschoben.

Der Aufsichtsrat gibt das
zweite Halbjahr ���� als
Eröffnungsziel bekannt.

Insolvenz des Gebäudetech-
nikausrüsters, die Fertig-
stellung nicht bis März ����.

Wegen Problemen mit den
automatischen Türen und
Sprinkleranlagen verschiebt
sich die Eröffnung auf ����.

Abschluss der Bauarbeiten
vorauss. August ����, eine
Eröffnung vor ���� ist aus-
geschlossen.

Für Fertigstellung und
weiteren Ausbau werden
zusätzliche Gelder benötigt.

Umfassende Technikprobe
unter TÜV-Aufsicht

geplante Gesamtkosten

�,� Mrd. €

�,� Mrd. €

Stand: Juli ����

Die Eröffnung soll im
Oktober ���� erfolgen.

Oktober
Aktuell geplante Eröffnung

Eröffnungstermin im Oktober
2020 nicht gehalten werden
kann.“ Dazu gehörten Angaben,
wie es mit den Flughäfen Tegel
und Schönefeld weitergehe. Im
Berliner Abgeordnetenhaus
stieß das auf Befremden. „Man
kommt immer mehr zu dem
Eindruck, dass der Bundesver-
kehrsminister eher der Interes-
senvertreter des Flughafens
München ist als Anteilseigner
am BER“, sagte Jörg Stroedter,
Vizechef der SPD-Fraktion im
Abgeordnetenhaus.
Insbesondere unter den Be-
fürwortern eines Weiterbe-
triebs des alten Stadtflughafens
Tegel herrscht BER-Katastro-
phismus. Sebastian Czaja, FDP-
Fraktionschef im Abgeordne-
tenhaus, platzte im April voll-
ends die Hutschnur. „Flugha-
fen-Chef Lütke Daldrup hat
sich als notorischer Lügner er-
wiesen“, sagte Czaja in Bezug
auf unterschiedlich lange Män-
gellisten in einem Tüv-Bericht
und einer Darstellung Lütke
Daldrups. Dagegen wehrte sich
der Flughafenchef mit einer
Unterlassungserklärung. Es
handele sich um eine „unzu-
treffende Tatsachenbehaup-
tung, die zugleich beleidigen-
den Charakter hat“.
Es gibt zwar immer noch vie-
le Mängel, aber die sind nicht
relevant für die Wirkprinzip-
prüfung und sollen in den
nächsten Monaten abgearbeitet
werden, verspricht die FBB.
Von falschen Dübeln jedenfalls
ist keine Rede mehr. Im Herbst
soll die Baufreigabe bei der
Baubehörde beantragt werden.
Und für Ende des ersten Quar-
tals rechnet Lütke Daldrup mit
der Nutzungsfreigabe. Dann
beginnen die Probeläufe und
die schrittweise Inbetriebnah-
me des BER. Und nicht etwa
der Abriss. Den nämlich hatte
Lufthansa-Vorstand Thorsten
Dirks bei einem Managertref-
fen vor eineinhalb Jahren vor-
hergesagt: „Meine Prognose ist:
Das Ding wird abgerissen und
neu gebaut.“ Es könnte einer
der größten BER-Fehlprogno-
sen gewesen sein, gleich hinter
den gebrochenen Eröffnungs-
versprechen.

gelingen: die größte Katastro-
phenbaustelle der Nation fer-
tigzustellen und den Flughafen
an den Start zu bringen. Das
wiederum lässt Politiker und
Experten, denen es manchmal
weniger um sachliche Kritik
geht, als darum, mit schlechter
BER-Stimmung zu punkten, zu-
nehmend schlecht aussehen –
auch Bundesverkehrsminister
Andreas Scheuer (CSU).
Das neue Terminal T2 wird
im Gegensatz zum Katastro-
phenbau T1 von einem General-
unternehmer gebaut, der Bre-
mer Zech Group. Geschäftsfüh-
rer Kurt Zech sah sich offenbar
genötigt, beim Richtfest eine
pünktliche Fertigstellung zuzu-
sagen: „Ich habe dafür Wetten
angenommen“, sagte er. Wenn
in diesem Tempo weitergear-
beitet werde, bestehe am Fer-
tigstellungstermin kein Zwei-
fel. Das Terminal für sechs Mil-
lionen Passagiere wird im einfa-
chen Industriebaustil errichtet.
„Es ist keine Kathedrale des
Verkehrs“, sagte Flughafen-Ge-
schäftsführer Lütke Daldrup.
„Die haben wir bereits mit un-
serem Terminal 1.“
Auch beim T2 läuft nicht al-
les glatt. Auch dort gab es an-
fangs Planungsschwierigkeiten,
die ursprünglich veranschlag-
ten Kosten stiegen deutlich,
von 100 auf bis zu 200 Millio-
nen Euro – so jedenfalls hieß es
in einem Gutachten der Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft
Pricewaterhouse Coopers
(PwC). Lütke Daldrup begrün-
dete die gestiegenen Kosten vor
allem mit aktualisierten Anfor-
derungen an die Security-Lini-
en, die deutlich vergrößert wer-
den mussten. Von 200 Millio-
nen Euro sei man aber „weit
entfernt“, der Zeitplan sei nicht
gefährdet, sagte er vor einem
Sonderausschuss des Landta-
ges in Potsdam.
Neben dem Terminal-Richt-
fest erreichte die Flughafenge-
sellschaft Anfang dieser Woche
einen weiteren Meilenstein.
Seit Montag laufen im Haupt-
terminal die zentralen Wirk-
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