DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,31.JULI2019 LIFESTYLE 25
mehreren Farben, mit Gold und
Silberrahmen.
In den Nullerjahren hingegen
lag die rahmenlose Brille im
Trend. „Tatsächlich geht der
Trend langsam wieder zur rah-
menlosen Brille“, meint Bürster.
In der Fashionszene sei sie schon
wieder sehr gefragt. Allerdings
seien die Gläser nicht mehr
schmal, sondern übertrieben
groß oder rund.
Auch an Farbverläufe würden
sich immer mehr Herren trauen.
Prominentes Stilvorbild? Brad
Pitt, der sowohl um die Jahrtau-
sendwende herum und auch vor
ein paar Jahren wieder zu leicht
getönten Gläsern griff.
Farbenfroh geht es auch bei
den Gestellen zu. Statt Hornop-
tik oder gedecktem Schwarz, ste-
hen bei Funk Optik eine Menge
gelber, blauer oder gemusterter
Fassungen im Regal. Wie alltags-
tauglich ist so etwas? „Ein auffäl-
liges Accessoire wirkt immer
durch seine Kombination“, meint
Bürster. „Trägt man einen seriö-
sen Maßanzug, kann man mit ei-
ner gelben Brille durchaus Per-
sönlichkeit zeigen“. Wer nicht so
dick auftragen will, greift zu zu-
rückhaltenderen Nuancen, wie
Nude-Tönen oder halbtranspa-
renten Farben. Auch mit einem
gelbstichigen Champagnerton
kann man sich an das Thema Far-
ben herantasten. „Gerade bei
Männern mit seriösen Berufen
sind diese dezenten Töne sehr
beliebt“, sagt Bürster.
Preislich liegt man bei den
neuen Modellen etwa bei 200-
400 Euro. Dafür bekommt man
eine ehrliche Beratung und nicht
selten auch mal ein Feierabend-
bier, um die Atmosphäre aufzulo-
ckern. Denn sich ausführlich mit
ihrem Aussehen zu beschäftigen,
sei für viele Männer immer noch
nicht selbstverständlich. Sicher-
lich hilft es auch, wenn der Laden
einem modernen Conceptstore
gleicht, in dem man sich wohl-
fühlt und in dem Mitarbeiter ar-
beiten, mit denen sich die Kun-
den identifizieren können. Vor
ein paar Jahren war das noch an-
ders. Da dominierten die große
Ketten den Markt, wo der modi-
sche Aspekt nicht unbedingt im
Vordergrund stand.
Heute eröffnen beliebte
Trendmarken wie Viu, Mykita
oder Ace & Tate zusätzlich zum
Vertrieb über Einzelhändler auch
ihre eigenen Stores. Auch Funk
verkauft die in der eigenen Werk-
statt hergestellten Modelle über
andere Optiker. Wer im Berliner
Store bei einer Auswahl an über
5000 Stück nicht fündig wird, hat
die Möglichkeit, sich ein indivi-
duelles Gestell anfertigen zu las-
sen. Diesen Service bieten immer
mehr Optiker an. Denkbar sind
dann zahlreiche Variationen.
Man kann etwa ein Gestell in
Hornoptik mit einem Titan-Bü-
gel kombinieren oder die Fas-
sung individuell an die Nase an-
passen lassen.
Überholt sind diverse My-
then, was die Gesichtsformen
angeht. Lange hieß es, wer einen
herzförmigen Kopf hat, solle
eckige Brillenwählen. Und dass
runden Gesichtern kreisförmige
Gestell nicht stünden. „Das ist
Quatsch“, so Bürster „aber na-
türlich sollten am Ende die Pro-
portionen stimmen“.
Laut dem Optiker stecke im
Markt um Sichtbrillen noch viel
Potenzial. Es sei sogar absehbar,
dass bei Männern, ähnlich wie es
bei Frauen schon üblich ist, die
Nachfrage nach Brillen mit Fens-
terglas steigt. Immerhin sei die
Brille wichtiges Persönlichkeits-
merkmal. Wichtig ist es dann,
dem Berater mitzuteilen, welche
Botschaft man mit dem Modell
senden will. „Neulich kam ein
Kunde zu uns in den Laden, der
sich von seinen Kindern nicht
ernst genommen fühlte und der
Meinung war, eine Brille könne
daran etwas ändern. Gemeinsam
haben wir dann ein schmales Mo-
dell in Schwarz ausgesucht. Da-
mit sah er tatsächlich ziemlich
streng aus.“
Jürgen Klopp und Joko Winterscheidt machen es vor:
Brillen gelten inzwischen auch bei Männern als
Mode-Accessoire. Welche Modelle wem stehen und
wie man sich gewagten Formen und Farben nähert
E
infach mal nichts tun.
Sich in den Sessel ku-
scheln, aus dem Fenster
schauen, dem Vogelgezwitscher
zuhören. Man muss mit nieman-
dem reden, man muss sich nicht
mal auf etwas Bestimmtes kon-
zentrieren. Man kann einfach
nur sein. Klingt herrlich.
VON SILVIA IHRING
Aber auch wahnsinnig schwie-
rig. Denn gefühlt kommt heute
fast nichts im Leben eines mo-
dernen Menschen seltener vor,
als mal nichts zu tun zu haben.
Und eben deswegen greifen
Wellnessfreunde momentan
wieder auf ein Konzept zurück,
das so altmodisch ist, dass es
schon wieder revolutionär neu
anmutet: Niksen. Eine Wohl-
fühlphilosophie aus Holland, die
das bewusste Nichtstun feiert,
um den Geist vom Dauerstress
des Alltags zu erleichtern. Der
Hype um eine neue Wellnessleh-
re kommt einem bekannt vor.
Da war doch schon mal dieses
„Hygge“, eine Idee aus Däne-
mark, die zum Rückzug ins ge-
mütliche Heim riet. Die Schwe-
den brachten uns „Lagom“ und
mahnten zu mehr Balance und
Maßhaltung.
Nun also Niksen.Sprachlich
ist der Begriff keine neue Erfin-
dung, nur war er früher negativ
konnotiert, beschrieb Faulen-
zer und Nichtsnutze. Doch in
einer Zeit, in der fast jede
Handlung nur auf ihre Effizienz
und ihren Nutzen hin bewertet
wird, in der Rumsitzen nur ak-
zeptiert wird, wenn es irgend-
wie der Selbstoptimierung
dient (Meditation! Achtsam-
keit!), erscheint bloße, aktions-
lose Präsenz ohne Sinn und
Zweck verlockend radikal.
Denn mit Meditation, bei der
es darum geht, die Gedanken so
gut wie möglich auszuschalten,
und sich zum Beispiel auf die At-
mung zu konzentrieren, hat Nik-
sen nichts zu nun. Stattdessen
steht das physische Nichtstun
im Vordergrund. „Anstatt dass
wir uns auf etwas fokussieren
erlaubt es uns Niksen, die Ge-
danken wandern zu lassen“, sag-
te Rutt Veenhofen, eine Soziolo-
gin und Glücksforscherin an der
Erasmus-Universität von Rot-
terdamder britischen „Vogue“.
Nachdenken, Tagträumen, alles
geht, solange man nicht zum
Smartphone greift.
Denn abgesehen vom schlech-
ten Image, das „Rumhängen“ in
einer Gesellschaft voller „busy
bees“ genießt, haben viele es
auch einfach verlernt, mit ihren
Gedanken alleine zu sein. Eine
20-minütige U-Bahn-Fahrt oder
die Wartezeit beim Arzthalten
nur noch die wenigsten ohne ir-
gendeine Form von Unterhal-
tungsprogramm aus. Wer nur
versucht, sich aufs Sofa zu set-
zen und gänzlich untätig zu blei-
ben, fühlt sich schnell unwohl –
und sucht nach Ablenkung. Oder
verpasst sich Elektroschocks,
wie die Probanden einer Studie
des US-Psychologen Timothy
Wilson von der University of
Virginia vor einigen Jahren. Wil-
son setzte Männer und Frauen
in einen Raum, ohne Ablen-
kungsmöglichkeit, dafür mit ei-
nem Knopf, der einen Elektro-
schock auslöste. Anstatt einfach
15 Minuten rumzusitzen, drück-
te jeder dritte männliche und je-
der vierte weibliche Proband lie-
ber auf den Knopf.
Nun kann man angesichts der
vielen modernen Glücksrezepte
auch über Niksen mit den Augen
rollen. Trendbegriffe nerven,
doch die Probleme, auf die sie
aufmerksam machen, sind echt:
Vor einigen Wochen erklärte die
„World Health Organisation“
Burnout offiziell zur chroni-
schen Krankheit, ausgelöst
durch den Stress des modernen
Lebens. Im April vermeldete ei-
ne Studie des Versicherungsan-
bieters Swiss Life, dass Burnout,
Angststörungen, Depression
und andere psychische Erkran-
kungen die wichtigsten Ursa-
chen für Berufsunfähigkeit in
Deutschland sind.
Irgendwas ist da aus dem
Gleichgewicht geraten – denn
eigentlich macht ein aktives,
bewegtes Leben glücklich, so
suggerieren es zumindest Stu-
dien. Forscher der Universität
im britischen Warwick veröf-
fentlichten 2015 „Happiness
and Productivity“, eine Studie,
die auf die Wechselwirkung
zwischen mehr Zufriedenheit
und mehr Produktivitätauf-
merksam machte.
Doch auch wenn wir viel tun,
nicht immer macht uns das, was
wir tun, auch glücklich. Hier
kann Niksen tatsächlich von
Nutzen sein: Denn die Idee,
dass Momente der Stille, in de-
nen man sinn- und ziellos sei-
nen Gedanken nachhängt, zu
Erkenntnissen, Ideen und ins-
gesamt mehr Klarheit im Kopf
führen können, findet in Me-
dien und Wissenschaft immer
mehr Zuspruch. Die BBC-Jour-
nalistin Amanda Ruggeri veröf-
fentlichte 2017 den Artikel „The
Compelling Case for Working a
lot less“ und wies darin auf un-
terschiedliche Forschungser-
gebnisse, wonach zu viel Arbeit
irgendwann Motivation und
Kreativität ausbremst – und
krank macht. Ganz so nutzlos
ist Niksen also nicht, im Gegen-
teil. Und vielleicht könnte diese
Erkenntnis so manchen rastlo-
sen Menschen dann doch dazu
bringen, sich dem Nichtstun
hinzugeben.
Bei diesem Wellnesstrend
dürfen Sie rumhängen
„Niksen“ ist eine Idee aus Holland,
die das Nichtstun feiert