druck gebracht wurde. Das war
mir zu wenig, das habe ich den
Schülern auch gesagt.“ Sie habe
sich gefreut, als die Bewegung
konkrete Ideen formulierthabe.
Doch Politikwissenschaftler
Straßner sieht die medialen Auf-
tritte auch skeptisch: „Es müssen
charismatische Personen über
Thunberg und Neubauer hinaus
in die erste Reihe gestellt wer-
den, wenn die Bewegung so prä-
sent bleiben will“, sagt er. Unter
den Jugendlichen herrscht aller-
dings zum Teil Unmut über ei-
nen „Personenkult“ um einige
wenige Personen.
Zu den anderen – überwiegend
weiblichen – prominenten Ver-
treternder Bewegung zählt Spre-
cherin Carla Reemtsma, 21. „Wir
haben es geschafft, dass sich im-
mer mehr Menschen fragen, wie
es sein kann, dass abgesprochene
Klimaziele nicht eingehalten
werden“, sagt sie zu WELT über
den Einfluss der Bewegung. Doch
das ist Reemtsma und ihren Mit-
streitern noch zu wenig. Sie for-
dert „endlich konkrete Maßnah-
men“ anstatt „neue Ziele, die
wieder mit Anlauf verfehlt wer-
den“. Politiker aller Parteien re-
deten zwar über Klimaschutz –
dann jedoch komme zu oft ein
„„„ja, aber...“, ärgert sie sich.ja, aber...“, ärgert sie sich.
Dieses „ja, aber...“ lässt auch
bei CSU-Umweltpolitikerin
WWWeisgerber nicht lange auf sicheisgerber nicht lange auf sich
warten. Sie freue sich über den
neuen Schwung, den ihr Thema
bekommen habe. „Es ist klar,
dass die Jugendlichen sehr weit-
reichende Forderungen stellen.
Die Verantwortung von uns in
der Politik ist jetzt aber, das Gan-
ze zu Kompromissen zu formu-
lieren.“
Umwelt, Klima, Wirtschaft
und Soziales müssten alle unter
einen Hut passen, um die Akzep-
tanz bei den Bürgern zu erhalten.
WWWeisgerber wirbt bei den Akti-eisgerber wirbt bei den Akti-
visten dafür, diese Kompromisse
dann auch zu akzeptieren:
„Nicht nur Fridays for Future hat
Interessen, sondern auch Ge-
werkschaften oder Arbeitgeber-
verbände.“
Zu Kompromissen rät auch
Politikwissenschaftler Straßner:
WWWo systematisch keine andereno systematisch keine anderen
Meinungen mehr zugelassen
wwwürden, fange Extremismus an.ürden, fange Extremismus an.
Die eigenen Interessen druckvoll
einzufordern, das ist für Straß-
ner die Urform der Demokratie:
Das dürfe Fridays for Future, das
müssten aber auch andere Inte-
ressengruppen dürfen. „Jedes In-
teresse hat zunächst einmal die
gleiche Legitimation“, betont der
Extremismusforscher. Daran
müsse sich auch die Jugend hal-
ten. Sonst verlasse sie den Boden
der Demokratie.
Bei radikaleren Gruppierun-
gen wie „Extinction Rebellion“,
die in London bereits weite Teile
der Infrastruktur lahmlegten,
oder „Ende Gelände“, die im
Kampf gegen Kohlekraft privates
Eigentum zerstörten, könne man
schon von Klimaextremismus
sprechen, sagt Straßner. Er sieht
die Gefahr, dass auch Fridays for
Future dahin abdriften könnte:
„Es ist nur logisch, dass in Bewe-
gungen, die mit einem alleinigen
WWWahrheitsanspruch auftreten, anahrheitsanspruch auftreten, an
den Rändern militante Struktu-
ren entstehen.“ Damit würden
sich die Protestierenden jedoch
selbst diskreditieren, warnt er –
und damit würde auch ihre Wirk-
macht schwinden.
Jugendforscher Hurrelmann
betont, dass die jungen Freitags-
demonstranten bislang nur ge-
gen eine Regel verstoßen hätten,
nämlich die Schulpflicht. „Und
das mit Kalkül, um ihre Eltern
und Lehrer zwingend in die De-
batte reinzuziehen.“ Ansonsten
handelten die Aktivisten mit viel
AAAugenmaß, es werde nur die Ein-ugenmaß, es werde nur die Ein-
haltung politisch bereits ausver-
handelter Ziele wie das Pariser
AAAbkommen eingefordert. Genaubkommen eingefordert. Genau
das mache auch die Stärke von
Fridays for Future aus: „Diese
Mischung aus Enthusiasmus, In-
ffformiertheit und die Regelkon-ormiertheit und die Regelkon-
ffformität – das hat viele Men-ormität – das hat viele Men-
schen tief beeindruckt“, sagt
Hurrelmann. Wie Straßner ist er
sicher, dass ein radikaleres Auf-
treten die Wirkmacht des Pro-
tests schwächen würde. Er
schließt eine Radikalisierung al-
lerdings auch nicht aus – im Ge-
genteil: „Sollten bis Ende des
Jahres oder bis Anfang 2020 kei-
ne konkreten Gesetze verab-
schiedet sein, dann müssen wir
damit rechnen, dass die Jugend-
lichen sich mit den extremeren
AAAuslegern verbrüdern.“uslegern verbrüdern.“
Doch wie kann Fridays for Fu-
ture auch in Zukunft den Ton in
der Debatte vorgeben? Hurrel-
mann sagt, die Aktivisten sollten
genauso weitermachen wie bis-
her: „Sie müssen dadurch beein-
drucken, dass sie beharrlich blei-
ben – auch wenn so schnell
nichts Konkretes passiert.“ Fri-
days for Future sollte zudem par-
teiunabhängig bleiben.
Politikwissenschaftler Straß-
ner hingegen sagt, die Bewegung
habe ihren Peak in der öffentli-
chen Wahrnehmung bereits er-
reicht. „Dieses Maß an öffentli-
cher Präsenz kann nicht mehr
dauerhaft aufrechterhalten wer-
den.“ Insbesondere, wenn dieser
Sommer nicht mit einer ähnli-
chen Dürre wie der letzten auf-
warten sollte, sei er skeptisch.
Daher müsse jetzt nach der Kür
die Pflicht folgen – und diese
Kernarbeit finde in einer Demo-
kratie in Parteien und Parlamen-
ten statt. Entweder könnten die
jungen Leute eine eigene Partei
gründen: „Das wäre angesichts
der Debatte über die Herabsen-
kung des Wahlalters gar nicht so
aaabwegig.“ Oder, was aus seinerbwegig.“ Oder, was aus seiner
Sicht deutlich schneller ginge,
sie könnten sich in den etablier-
ten Parteien engagieren: „Wenn
da eine große Masse eintritt,
könnten sie die Parteiströmun-
gen schon bald beeinflussen.“
AAAus jugendlicher Perspektiveus jugendlicher Perspektive
dürfte es zwar zunächst unbe-
fffriedigend wirken, in Parteienriedigend wirken, in Parteien
und Parlamenten langwierige
demokratische Kompromisse zu
fffinden. „Aber auf lange Sicht wä-inden. „Aber auf lange Sicht wä-
re das die bessere Lösung als ein
Schnellschuss, bei dem perma-
nent nachgebessert werden
muss.“
DPA
/ PATRICK SEEGER
DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH, 31. JULI 2019 PANORAMA 31
Die Veranstaltung findet
vom 3 1. Juli bis 4. August
im Revierpark in Dortmund
statt. Mehr als 1400 Ak-
tivisten haben sich ange-
meldet. Das Treffen sei das
größte dieser Art in der
Geschichte der noch jungen
Bewegung, hieß es vorab.
Die jungen Aktivisten – es
haben sich meist Minder-
jährige und Studenten
angemeldet – wollen sich
gemeinsam mit den Forde-
rungen der Fridays-for-
Future-Kampagne und den
dahinter steckenden Be-
gründungen auseinander-
setzen, aber auch metho-
disches Rüstzeugbekom-
men. Es gibt etwa Argu-
mentationstrainings und
Referenten zur Frage, wie
man eine gute Rede hält
oder bei YouTube möglichst
viele Menschen erreicht.
Zudem erklärenNaturwis-
senschaftlerund erfahrene
Protestler wichtige Grund-
lagen für die klimapoliti-
schen Forderungen der
Schüler und Studenten: Wie
wirkt sich die CO 2 -Zunahme
global aus, oder was ist so
problematisch am Insek-
tensterben? Eingeladen
sind auch erfahrene Um-
weltlobbyistenoder Ver-
treter anderer Institutionen
wie Gewerkschaften oder
Verbände. Sie sollen Ein-
blicke und Anregungen
geben, welche politischen
Aktionsformen möglich und
potenziell erfolgreich sind,
erläuterten die Organisato-
ren vorab. So will die Bewe-
gung sich weiter vernetzen
und neue Kampagnen und
Aktionsformenanstoßen.
Das Kongressgelände ist in
einem weitgeläufigen Park
einige S-Bahn-Stationen
von der Innenstadt ent-
fernt. Die Aktivisten schla-
fen in Zelten oder Turnhal-
len. Bei dieser Art Sommer-
lager-Feeling geschehe der
notwendige Austausch
untereinander wie von
selbst, glauben die Organi-
satoren: „Das meiste pas-
siert beim Mittagessen“,
sagte Aktivist Jakob Blasel.
„Es ist einfach auch mal ein
gutes Experiment, 1400
Aktivisten auf einen Haufen
zu werfen und mal zu gu-
cken, was passiert.“ An-
sonsten ist nächste größere
Aktion von Fridays for Fu-
ture für den 2 0. September
geplant – ein großer Streik
in in verschiedenen Städten
in ganz Deutschland.
Sommerkongress
der Klimaaktivisten
thema kommt niemand mehr
vorbei – keiner aus der Wirt-
schaft, keiner aus der Politik.
Und in allen Debatten wird im-
mer wieder auf die Jugend Bezug
genommen.“ Die Aktivisten hät-
ten „emotional Eindruck hinter-
lassen“.
Wie aber hat Fridays for Futu-
re diese große Wirkmacht entwi-
ckeln können? Und können die
deutlich radikaleren Aktivisten
von „Extinction Rebellion“ oder
„Ende Gelände“ mit ihren zum
Teil gesetzeswidrigen Aktionen
sogar noch mehr erreichen?
Politikwissenschaftler Alexan-
der Straßner sagt, für die Kürze
der Zeit habe Fridays for Future
ausgesprochen viel erreicht, das
Thema Klimawandel und -schutz
sei „wahnsinnig dominant“. Das
liege auch an äußeren Faktoren:
„Die Hitze und die Dürre im ver-
gangenen Sommer war mitent-
scheidend für den Erfolg von Fri-
days for Future“, führt Straßner
aus, der an der Universität Re-
gensburg lehrt und forscht.
Mit der Bewegung sei „das
richtige Produkt zur richtigen
Zeit“ entstanden. „Das ist ein
plastisches Bild, eine schöne Ge-
schichte: Eine junge Generation
ist verzweifelt um ihre Zukunft
besorgt und macht eine ältere
Generation dafür verantwort-
lich, die sie sie um diese Zukunft
betrogen hat.“ Tatsächlich lautet
eine der beliebtesten Parolen der
Klimajugend auf ihren Demos
überall in Deutschland: „Wir sind
hier, wir sind laut, weil ihr uns
die Zukunft klaut.“
Straßner spricht auch davon,
dass der Erfolg von Fridays for
Future auf der Professionalisie-
rung der Aktivisten beruhe. Al-
lein dass Thunberg auf dem
WWWeltwirtschaftsgipfel in Davoseltwirtschaftsgipfel in Davos
habe sprechen dürfen, mache das
deutlich. In kürzester Zeit
schafften es Kinder, Jugendliche
und junge Erwachsene danach,
über WhatsApp und Social Media
eine riesige Protestwelle auszu-
lösen: Demonstriert wird nicht
nur in den Metropolregionen,
sondern auch in kleinen Städten
überall in Deutschland.
In 20 Arbeitsgruppen arbeiten
Demonstranten zusammen: von
der Pressearbeit über die Forde-
rungs-AG bis hin zum Legal-
Team, das rechtliche Fragen zum
Beispiel für Schulschwänzer
klärt. Bei einem großen Sommer-
kongress in Dortmund tauschen
sich Aktivisten aus ganz
Deutschland ab diesem Mitt-
woch darüber aus, wie es mit Fri-
days for Future weitergehen soll.
Ein finanzielles Polster dafür
scheint vorhanden: Allein bei ei-
ner Online-Spendensammlung
auf der Plattform „Gofundme“
kamen bislang fast 95.000 Euro
zusammen. Darüber, wie hoch
das Vermögen insgesamt ist, hül-
len sich die Verantwortlichen in
Schweigen. Dabei treten die be-
kannten Gesichter, allen voran
Luisa Neubauer, 23, sonst gerne
vor Kameras und Mikrofone. Die
Medienöffentlichkeit haben sie
mit der Zeit immer geschickter
zu nutzen gelernt: Anfangs wa-
ren Interviewaussagen oft noch
schwammig, bei kritischen Fra-
gen auch ausweichend. Nach und
nach wirkten Interviews profes-
sioneller, die Aussagen wurden
mit eigenen Forderungen unter-
mauert. Das lobt auch CSU-Poli-
tikerin Weisgerber: „Zuerst war
es ja nur Unmut, der zum Aus-