Gesetzgebung und nach Maß-
gabe von Gesetz und Recht
durch die vollziehende Gewalt
und die Rechtsprechung.“
Durch die Bezugnahme auf die
„künftigen Generationen“ wer-
de das Ziel gesetzt, den Plane-
ten nicht als Müllhalde der Ge-
genwart zu missbrauchen, son-
dern auch in Zukunft ein ökolo-
gisches Existenzminimum zu
garantieren, sagt auch Horst
Dreier von der Uni Würzburg.
Eine Ausarbeitung der Wis-
senschaftlichen Dienste des
Bundestages von 2016, die sich
mit dem „Klimaschutz im
Grundgesetz“ beschäftigt, deu-
tet an, wie weitgehend dieser
Artikel zu verstehen ist: „Die
für den Klimaschutz wichtige
Frage, ob nur die natürlichen
Lebensgrundlagen innerhalb
oder auch außerhalb Deutsch-
lands zum Schutzbereich des
Art. 20a GG gehören, ist von
der Rechtsprechung bisher
nicht entschieden, wird jedoch
in der Literatur befürwortet.“
Horst Dreier sieht die be-
ständigen Versuche, das Grund-
gesetz um neue oder noch kon-
kretere Staatsziele zu ergänzen,
skeptisch: „Das Grundgesetz
schützt die Grundrechte der
Kinder ebenso, wie es das Klima
als Schutzgut betrachtet, wir
bräuchten hier keine Konkreti-
sierung. Das sind symbolische
Akte.“
Die Aufnahme von Kinder-
rechten ins Grundgesetz ist ei-
ne seit längerer Zeit erhobene
Forderung aus dem politischen
Raum. „Die Änderung des
Grundgesetzes wäre für die je-
weilige Partei, die sie angesto-
ßen hat, vor allem eine politi-
sche Trophäe.“
Dreiers Kollege Dietlein will
allerdings nicht ganz so weit ge-
hen: „Es würde die Sensibilisie-
rung staatlicher Gewalten und
Bürger für das Ziel befördern.“
Rechtlich folgt daraus aber we-
W
enn es die CSU
richtig ernst
meint – oder
ernst zu meinen
scheint –, bemüht sie die Ver-
fassung. Mal die bayerische,
mal die deutsche. Der damalige
CSU-Chef Horst Seehofer
sprach sich etwa 2011 für eine
Integrationspflicht aus, die er
in die bayerische Verfassung
schreiben wollte. Sein Nachfol-
ger im Amt, Markus Söder,
wollte 2018 eine Amtszeitbe-
grenzung auf zehn Jahre für
den bayerischen Ministerpräsi-
denten aufnehmen.
VON THOMAS VITZTHUM
Aus beiden Projekten ist
nichts geworden, die Koaliti-
onspartner oder die unwilligen
Oppositionsparteien, die für ei-
ne Zweidrittelmehrheit zur Ver-
fassungsänderung gebraucht
wurden, sperrten sich. So wie
auch im Februar dieses Jahres,
als die Landesregierung aus
CSU und Freien Wählern den
Klimaschutz verankern wollte.
Jetzt, zahlreiche Debatten,
Demos und Hitzewellen später,
hat Söder seinen Vorschlag er-
neuert und geht gleich in die
Vollen. Er will den Klimaschutz
als verpflichtende Staatsaufga-
be im Grundgesetz verankern.
In WELT AM SONNTAG for-
derte er: „Klimaschutz gehört
ins Grundgesetz und in die
bayerische Verfassung.“
Söder kann für die Idee aber
nicht die Urheberschaft bean-
spruchen. Schon im vergange-
nen September brachten die
Grünen einen entsprechenden
Antrag in den Bundestag ein, der
keine Mehrheit fand. Sie kosten
dies natürlich jetzt aus. „Markus
Söder ist herzlich eingeladen,
sich uns anzuschließen“, sagt
Grünen-Chef Robert Habeck.
WWWenn er es ernst meine, hießeenn er es ernst meine, hieße
das aber auch „Butter bei die Fi-
sche, auf allen Ebenen“. So solle
der bayerische Ministerpräsi-
dent im Bundesrat der entspre-
chenden Initiative aus Thürin-
gen, wo Linke, SPD und Grüne
regieren, zustimmen.
Eine Sprecherin von Bundes-
umweltministerin Svenja
Schulze (SPD) sagt zu Söders
Forderung, grundsätzlich sei
das gut, „auch wenn wir das ju-
ristisch nicht brauchen“. Damit
liegt sie richtig.
„Fragen des Klimaschutzes
sind bereits über den Artikel
20a des Grundgesetzes abge-
deckt“, sagt der Staatsrechtler
Johannes Dietlein von der
Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf WELT. Eine explizi-
te Aufnahme des Klimaschutzes
wäre allenfalls „eine Klarstel-
lung und sicher im Gefüge des
Grundgesetzes kein Fremdkör-
per“. In Artikel 20a heißt es:
„Der Staat schützt auch in Ver-
antwortung für die künftigen
Generationen die natürlichen
Lebensgrundlagen und die Tie-
re im Rahmen der verfassungs-
mäßigen Ordnung durch die
nig, weshalb die Verfassungsvä-
ter und -mütter vor 70 Jahren
von der Formulierung zahlrei-
cher Staatsziele bewusst absa-
hen. „Es kommt auf die tages-
politische Umsetzung an. Das
Parlament muss das Gemein-
wohl konkretisieren, dabei wird
ihm vom Verfassungsgericht
sehr großer Spielraum einge-
räumt. Die rechtliche Bin-
dungswirkung von Staatszielen
ist gering“, sagt Dietlein.
Wenn ein Bürger mit dem
Vorwurf, der Staat oder gar an-
dere Bürger würden das Klima
schädigen, vor das Verfassungs-
gericht zöge, hätte er damit
höchstwahrscheinlich kaum Er-
folg. „Es leiten sich keinerlei
subjektive öffentliche Rechte
aus den Staatszielen ab“, er-
klärt Dietlein.
Es greift das sogenannte Un-
termaßverbot. Es verpflichtet
den Staat dazu, zumindest mi-
nimale Maßnahmen zu ergrei-
fen, um die Grundrechte zu
schützen. Heißt: Nur wenn der
Staat überhaupt nichts für den
Klimaschutz täte, würde das
Verfassungsgericht ihn zwingen
können, etwas zu tun. Doch das
ist pure Theorie. Und selbst da-
für bräuchte es keinen Satz im
Grundgesetz, der das Wort
„Klimaschutz“ enthält, der Ar-
tikel 20a deckt dies ab.
Allerdings ist dieser selbst
noch eine recht junge Ergän-
zung des Grundgesetzes. Er
kam in einer ersten Version
1994 in die Verfassung. Bis da-
hin war der Naturschutz nicht
im Grundgesetz zu finden.
Doch mit der industriellen Ent-
wicklung, der für jeden sichtba-
ren Umweltzerstörung – das
Waldsterben der 80er-Jahre
steht dafür exemplarisch – än-
derte sich das Bewusstsein. Es
entstanden die Grünen. Doch
noch 1986, so beschreibt es ein
Dokument des Bundestages zur
Genese des Artikels, „lehnte die
CDU/CSU-Fraktion die Veran-
kerung eines solchen Staats-
ziels komplett ab, während die
SPD dies befürwortete“.
Es dauerte bis 1994, bis das
Grundgesetz schließlich er-
gänzt wurde – nachdem sich ei-
ne Verfassungskommission im
Auftrag von Bundestag und
Bundesrat auf eine Kompro-
missformulierung verständigt
hatte. Die Änderung stand also
am Ende einer langen Entwick-
lung. 2002 folgte noch die Auf-
nahme des Tierschutzes.
Das ist vielleicht der wesentli-
che Unterschied zu heute: Die
Politik vollzog damals mit der
Ergänzung der Verfassung sehr
spät nach, was längst tief im Be-
wwwusstsein der Bürger verankertusstsein der Bürger verankert
war. Die Gesellschaft war weiter
als die Politik. Jetzt erweckt die
Politik hingegen den Eindruck,
die Aufnahme des Klimaschutzes
im Grundgesetz stünde am An-
fffang einer Entwicklung, die sieang einer Entwicklung, die sie
nun durchaus bewusst gestalten
wolle – und vor allem könne. Sie
erweckt damit hohe, vielleicht
unerfüllbare Erwartungen.
Es braucht keinen Satz im
Grundgesetz, der das Wort
„Klimaschutz“ enthält
Es ist Sommer in München, und die Klimapolitik steht auf der Tagesordnung: Ministerpräsident
Markus Söder (CSU, vorn) tagt mit seinem Kabinett im Hofgarten
DPA
/ LINO MIRGELER
DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,31.JULI2019 POLITIK 5
Die Bayerische Staatsregie-
rung will eine Bundesrats-
initiative für ein deutsch-
landweites Plastiktüten-
verbotstarten. Das kündig-
te Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) nach einer
Kabinettssitzung im Münch-
ner Hofgarten an. Die Ko-
alition von CSU und Freien
Wählern will von der Bun-
desregierung ein Verbot für
neue Plastiktüten. „Wir
wollen ein Signal für die
Umwelt setzen, über das
Thema Energie hinaus.“
Bayerische Ministerien und
Behörden sollen demnach
mit gutem Beispiel voran-
gehen und auf Tüten, Folien
und sonstiges Einwegplastik
verzichten. Umweltminister
Thorsten Glauber (Freie
Wähler) will außerdem im
Herbst mit dem Einzel-
handel besprechen, wie sich
Plastikmüll bei Verpackun-
gen reduzieren lässt.
Der Anti-Plastik-Vorstoß ist
Teil eines bayerischen Kli-
maschutzprogramms, das
die Staatsregierung im
Herbst beschließen will. „Es
muss am Ende ein Jahr-
hundertvertrag werden“,
sagte Söder. Angesichts der
Widerstände in Teilen der
Bevölkerung gab er die De-
vise „Integrieren statt Pola-
risieren“ aus. Unter ande-
rem will Söder den Klima-
schutz als Staatsaufgabe in
die bayerische Verfassung
aufnehmen lassen. Den
Großteil der einzelnen Maß-
nahmen hatten Söder und
seine Minister in den ver-
gangenen Wochen schon
verkündet. So sollen die
Bayerischen Staatsforsten
- mit 800.000 Hektar
Fläche der größte deutsche
Forstbetrieb – alljährlich
eine Million mehr Jung-
bäume pflanzen als bisher.
„Unsere Wälder müssen
klimafest, klimaresistent
werden“, sagte Agrarminis-
terin Michaela Kaniber
(CSU).
Bayern prescht mit Plastiktütenverbot vor
CSU-Chef Söder will den Begriff in der Verfassung verankern.
Die Grünen applaudieren, andere halten das für überflüssig