Der Stern - 01.08.2019

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Schön, schweigsam, tödlich: Wie ein Phantom
bewegt sich Nie Yinniang (Shu Qi) durch die Welt,
ohne wirklich ein Teil von ihr zu sein – außer in
jenen Momenten, in denen sie ihrer Bestimmung
folgt. Und die ist, im China des neunten Jahrhun-
derts den Feinden der Tang-Dynastie ein bluti-
ges Ende zu bereiten. Mit zehn Jahren wurde die
Generalstochter in die Obhut der Nonne Jiacheng
gegeben, die das Mädchen in der Kunst des Todes
unterrichtet hat. Jiacheng, ihres Zeichens selbst
eine Prinzessin der herrschenden Tangs, nutzt
nun ihre Schülerin als Schwert
gegen die Gegner ihrer Fami-
lie. „Töte erst, was dem Opfer am
liebsten ist, und dann das Opfer
selbst“, ist Jiachengs Strategie,
um ehrgeizige Statthalter und
Generäle vom Griff nach dem
Kaiserreich abzuschrecken: „Der
Weg des Schwertes kennt keine Gnade“. Doch
ihr Mordinstrument hat einen Makel, den die eis-
kalte Nonne nicht tolerieren kann: Yinniang hat
ihre Menschlichkeit nicht völlig abgelegt. Als sie
eine Zielperson verschont, stellt Jiacheng den Ge-
horsam ihrer Schülerin auf die Probe: Sie schickt
Yinniang zurück in ihre Heimatprovinz, um den
mächtigen Gouverneur Tian zu töten – Yinniangs
Cousin. Ihm war sie einst versprochen.


Eine Augenweide voller Melancholie


Mit „The Assassin“ erfüllte sich der preisgekrönte
taiwanesische Regisseur Hou Hsiao-Hsien („Die
Stadt der Traurigkeit“) den Traum, einen Ausflug


ins Wuxia-Genre zu unternehmen, also in die hohe
Kunst des Martial-Arts-Films. Wer allerdings ein
Werk im Stil von „Hero“ oder „Crouching Tiger,
Hidden Dragon“ erwartet, wird enttäuscht. Hous
Interpretation des Kampfkunstfilms kommt wie
eine Meditation in stillen, atmosphärisch kompo-
nierten Bildern daher, die mehr in den opulenten
Gewändern von Hofdamen und schönen Land-
schaften schwelgt als in den exakten, fast zurück-
genommenen Kampfsequenzen. „The Assassin“
ist seinem Genre zum Trotz eine leise, melancho-
lische Augenweide. Hou wurde
dafür bei den Filmfestspielen in
Cannes 2015 mit dem Regiepreis
ausgezeichnet.
Die Free-TV-Premiere von „The
Assassin“ läuft am 5.8. nach dem
Auftaktfilm zu Artes Themen-
schwerpunkt „Asiatisches Kino“,
Jet Lis Klassiker „Fearless“. Danach folgen noch
einige Erstausstrahlungen fernöstlicher Filmper-
len: Am 7.8. ist Zhang Yimous Romanverfilmung
„Coming Home“ mit Superstar Gong Li zu sehen,
gefolgt vom philippinischen Drama „Das Mädchen
Insiang“. Nur wenige Tage später gibt es am 12.8.
ein Wiedersehen mit Tian-Darsteller Chang Chen
aus „The Assassin“: In „Mr. Long“ spielt der tai-
wanesische Star einen geläuterten Profikiller, der
von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Den Ab-
schluss macht am 14.8. das intensive chinesische
Sozialdrama „Weichen des Lebens“.

Montag, ARTE, 21.55 Uhr

„Töte erst, was dem
Opfer am liebsten
ist, und dann das
Opfer selbst.“

In perfekt komponierten Bildern inszenierte Regisseur Hou


Hsiao-Hsien die Geschichte einer Killerin zwischen Herz und


Pflicht. Arte zeigt „The Assassin“ in der Reihe „Asiatisches Kino“


Mordsschön


Oben: Shu Qi als
„The Assassin“.
Rechts: Chen Tao
(r.) in „Die Wei-
chen des Lebens“.
Unten: Jet Li
und Betty Sun in
„Fearless“. Ganz
unten: Chang
Chen als Killer
„Mr. Long“, Gong
Li in „Coming
Home“ (r.)

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MAGAZIN Highlight


Titelfoto: ARTE France/SpotFilms | Fo

tos: Arte | Text: Kristin Lenk
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