Der Stern - 01.08.2019

(nextflipdebug2) #1
Playa de Palma. Und man sieht die
Windmühlen mit ihren charakteris-
tischen quadratischen Sockeln aus
hellbraunem Gestein. Die meisten
sind verfallen, von den Flügelrädern
ist nur noch kahles, rostiges Ge-
stänge übrig. Zwischen meterhohen
Disteln und Agaven knabbern
Pferde an dürren Gräsern – es sieht
aus, als hätte man Autobahnkreuze
und Landebahnen in die staubige
Ku lisse eines alten Wilwestfilms
montiert.
Die Windmühlen sind Zeugnisse
einer Zeit, in der Casa Blanca und die
umliegenden Orte noch eigenstän-
dige Bauerndörfer waren und nicht
zum Gebiet der Inselhauptstadt Pal-
ma gehörten. Zu diesem Rathaus
und seinen Politikern, die viel zu

weit weg seien, um sich um die
Bewohner am Rand zu kümmern,
beschweren sich hier einige. Etwa
150 Menschen leben noch in der
Ortschaft, insgesamt kommt der
Bezirk Casa Blanca auf rund 1400
Bewohner. Viele arbeiten als
Taxifahrer oder im Schichtbetrieb
hinter den Kulissen des Flughafens,
der täglich bis zu 180 000 Passagie-
re abfertigt. Sie fühlen sich als Teil
einer Maschinerie, die den Wohl-
stand der Insel am Laufen hält –
aber nicht davon profitiert. „In den
Vororten, in denen viele Ausländer
leben, wird Geld investiert. Aber

so wie sich schon die Eltern und
Großeltern kannten.
Casa Blanca ist eines dieser Dör-
fer im Hinterland von Palma de Mal-
lorca, das jeder anreisende Tourist
sieht, aber kaum einer besucht. Es
liegt direkt in der Einflugschneise
des Flughafens, durchtrennt von der
Schnellstraße Ma 15, die Palma mit
Manacor verbindet – ein Ort, an
dem man vorbeifährt. Von oben
sieht man die struppigen Wiesen,
die jetzt trocken und gelb sind. Man
sieht die Asphaltbahnen und Pisten,
gebaut für den reibungslosen
Abtransport der Urlaubsgäste zur

hier, wo die Einheimischen wohnen,
passiert gar nichts“, sagt ein älterer
Herr, der mit seinen Freunden beim
Bier die Mittagshitze verdampfen
lässt. Wenn sie nicht zu Palma
gehörten und man ihnen den
Flughafen zuordnen würde, der ja
schließlich auf ihrem Land erbaut
wurde, dann wäre die Region reich.
So geht das Gespräch weiter – sie
führen es nicht zum ersten Mal.
Außer einer Kläranlage liegt zwi-
schen den Dörfern auch Son Banya,
Palmas berüchtigtes „Drogenvier-
tel“. Eine kleine Siedlung mit un-
befestigten Straßen, einstöckigen
Häusern, Wellblechdächern und je-
der Menge Schrott: ausgebrannte
Autos, angeschmorte Sofas, aufge-
türmte Müllsäcke. Wie eine kleine

S

Seit wann es das Geschäft gibt, weiß
sie nicht, es war schon da, als sie
noch ein Kind war, und jetzt ist sie
über 80 Jahre alt. Antonia Pou trägt
ein schwarzes Kittelkleid und keine
Strümpfe. „Juli ist der heißeste

Monat“, sagt sie, und die anderen
stimmen ihr zu. Dann ist es wieder
still im Landwirtschaftsladen „Ma-
gatzem Casa Blanca“. Nur die Wel-
lensittiche, die man hier kaufen
kann, piepsen in ihren Käfigen. Und
ab und zu gackert ein Huhn.
Antonia Pou sitzt auf einer Bank
hinter dem Tresen, „so hat man ein
wenig Gesellschaft“, sagt sie. Drei
Leute arbeiten hier, es gibt Tomaten
und frisches Obst, hinten im Lager-
raum liegen Säcke voller Saatgut
oder Tierfutter gestapelt. Es sind vor
allem die Landarbeiter, die morgens
und abends vorbeikommen, ihre
Trecker und Transporter am Stra-
ßenrand abstellen und kurz herein-
schauen, um auch ein wenig zu
plauschen – meist kennt man sich,

CASA BLANCA IST EINES DIESER DÖRFER IM HINTERLAND VON PALMA DE MALLORCA, DAS


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