Die Welt - 22.07.2019

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2 FORUM DIE WELT MONTAG,22.JULI


Ein flotter


VVVierer für ierer für


die SPD


PAUL NOLTE

D


as Bild dieser Woche: der Stab-
wechsel im Bundesverteidigungs-
ministerium. Drei mächtige Frauen,
die sich untereinander gut verstehen: die
neu gewählte EU-Kommissionspräsidentin
und scheidende Ministerin Ursula von der
Leyen, ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-
Karrenbauerund die Bundeskanzlerin An-
gela Merkel. So weiblich war Politik in
Deutschland und in Europa noch nie. An
die Bilder mächtiger Frauen haben wir uns
gewöhnt, zumal in der Politik – weniger
noch in der Wirtschaft, in der Führung von
Unternehmen. Aber lange Zeit waren das
keine Gruppenbilder – höchstens männ-
liche Gruppenbilder mit Dame. Es war die
einzige Frau, oder die einsame Frau an der
Spitze, die dem Bedürfnis nach Gleich-
stellung Rechnung zu tragen schien.
Vor etwas mehr als 50 Jahren, im Ok-
tober 1969, trat das erste Kabinett des neu-
en sozialdemokratischen Bundeskanzlers
Willy Brandt in Bonn vor die Kameras:
lauter Herren im ewig gleichen schwarzen
Anzug, doch unter ihnen eine einzige Frau,
Käte Strobel, die Ministerin für, ja was
wohl, Jugend, Familie und Gesundheit.
Seitdem erwies sich der Fortschritt, mit
Günter Grass gesprochen, als eine Schne-
cke. Bloß Angela Merkel ist seit bald 14
Jahren Kanzlerin, und noch länger, seitdem
sie Wolfgang Schäuble den Parteivorsitz
entwand, lebt sie mit dem Klischee einer
Frau, die männliche Konkurrentenleichen
am Wegrand zurücklässt.
Und doch blieben die Verhältnisse nicht
eingefroren. Jedenfalls sorgte der Weg der
Frauen von der „Emanzipation“ älterer
Tage zum Gleichstellungsziel von heute, so
langwierig und kleinschrittig er sich voll-
zog, in manchen Zonen von Gesellschaft
und Politik für erhebliche Irritationen. Die
neue autoritäre Versuchung, der „Back-
lash“ gegen die liberale Demokratie, die
verschiedenen Varianten des Populismus –
sie verbindet nicht nur Nationalismus,
Fremdenfeindlichkeit und die Sehnsucht
nach homogener Gesellschaft, sondern
auch eine Klage über den Verlust männ-
licher Dominanz in Alltag, Arbeitswelt und
Politik. Diese Klage hat sich in neue For-
men des politischen Patriarchalismus und
Männlichkeitskults transformiert, deren
Erscheinungsformen, von Putin über Erdo-
gan bis zu Trump, ebenso bizarr wie ge-
fährlich sind: gefährlich nicht nur für Frau-
en, sondern für liberale Demokratie und
offene Gesellschaft. Insofern ist es kein
reiner Zufall, dass ein anderes Bild von
vier starken politischen Frauen in der ver-
gangenen Woche neben das von Merkel
und Co. getreten ist: das Bild jener demo-
kratischen Mitglieder des Repräsentanten-
hauses der USA, die Präsident Donald
Trumpschon seit einer ganzen Weile ein
Dorn im Auge sind und die er nun, da sie
nicht der weißen und angelsächsischen
Norm von früher entsprechen, mit bös-
artigen Angriffen auf Twitter ebenso wie
in Redeauftritten überzieht. Die vier Ame-
rikanerinnen stehen am linken Rand des
politischen Spektrums ihres Landes. Der
symbolische Kampf zwischen ihnen und
Trump spiegelt die extreme Polarisierung
im politischen Spektrum Amerikas und die
tiefe Zerrissenheit seiner Gesellschaft. Die
deutsche und europäische Frauenoffensive
dagegen ist eine der politischen Mitte –
einer Mitte, die in der europäischen politi-
schen Kultur auch unter dem Anprall des
Populismus nicht verloren gegangen ist.
Frauen machen nicht von Natur aus die
bessere Politik. Aber sie setzen Zeichen
gegen einen neuen Männlichkeitskult, der
liberale und europäische Werte in Gefahr
bringt, klug und mit viel Common Sense.
Das sollte auch der SPD zu denken geben.
WWWarum eigentlich arum eigentlich Doppelspitze? Eine
weitere Viererformation steht doch be-
reit, mit Barley, Dreyer, Schwan und
Schwesig. Nur Mut!

TDer Autor, Jahrgang 1963,
lehrt Neuere Geschichte und Zeitgeschichte
an der Freien Universität Berlin

GASTKOMMENTAR


U


nd jedem Anfang wohnt ein
Zauber inne“ – mit diesen
Worten begrüßte Angela
Merkel am 15. Mai 2017 den
neu gewählten französi-
schen Präsidenten in Berlin.
Zwei Jahre später könnte
Emmanuel Macron, der „Président littéraire“,
die deutsche Kanzlerin an eine andere Passage
aus Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ er-
innern: „Kaum sind wir heimisch einem Le-
benskreise/ Und traulich eingewohnt, so droht
Erschlaffen./ Nur wer bereit zu Aufbruch ist
und Reise,/ Mag lähmender Gewöhnung sich
entraffen.“ 2017 konnte man vom Duo Merkel-
Macron eine Auffrischung der deutsch-franzö-
sischen Beziehungen und eine neue Dynamik
im europäischen Einigungsprozess erwarten.
Das Gegenteil ist eingetreten. Frankreich ist,
so sieht es Macron, bereit zu „Aufbruch“ und
„Reise“, für die „lähmende Gewöhnung“ der
europäischen Politik macht er Deutschland
verantwortlich.
Die deutsche Regierung hat auf die Vor-
schläge Emmanuel Macrons zur Reform und
Neubelebung der EU mit mürrischer Zurück-
haltung reagiert. Und als die Antwort kam,
musste Emmanuel Macron sie als Provokation
empfinden. Denn dem protokollbewussten
französischen Präsidenten antwortete nicht
die deutsche Kanzlerin, sondern die Vorsitzen-
de der CDU. In der Replik Annegret Kramp-
Karrenbauers auf Macron – „Europa richtig
machen“ – sahen die Franzosen ein weiteres
Beispiel der deutschen Belehrungs-Unkultur:
Den Vorschlag, das Europäische Parlament nur
noch in Brüssel, aber nicht länger im elsässi-
schen Straßburg tagen zu lassen, empfanden
sie als Unverschämtheit.
Dennoch besteht kein Grund für Merkel, auf
die Verschlechterungder deutsch-französischen
Beziehungen mit dem Eingeständnis „mea cul-
pa“ zu reagieren. An den Vorschlägen Macrons
zur Reform der EU ist deutlich geworden, dass
auch die französische Politik zur Arroganz fähig
und nicht frei von Selbstüberschätzung ist.
Macron hatte seine Reformideen in zwei sorg-
fältig präparierten Reden vorgetragen: am 7.
September 2017, mit der Akropolis im Hinter-
grund, auf der Pnyx, dem Ort der Volksver-
sammlung im antiken Athen, am 26. September
des gleichen Jahres im Amphitheater der Pari-
ser Sorbonne. Beide Redeauftritte wurden in
Deutschland von vielen Politikern und von
großen Teilen der Öffentlichkeit enthusiasti-
scher aufgenommen als in Frankreich. Ein
Grund dafür lag auch darin, dass die Deutschen
die Fähigkeit französischer Präsidenten zur
wirksamen Selbstinszenierung bestaunen, die
Franzosen sind seit Charles de Gaulle, der darin
bis heute unübertroffen ist, daran gewöhnt.
Über dem Europapathos der beiden Reden –
Macron gab seinem Reformprojekt die stolze
Überschrift „Renaissance“ – wurde vielfach

Macron gab seinem Reformprojekt die stolze
Überschrift „Renaissance“ – wurde vielfach

Macron gab seinem Reformprojekt die stolze

der darin enthaltene, energische Anspruch
Frankreichs übersehen, auf dem Kontinent
wieder die Führungsrolle einzunehmen, die
das Land seit der Wiedervereinigung und der
Osterweiterung der EU an Deutschland ver-
loren hatte. Seine Vision eines „souveränen,
geeinten und demokratischen Europas“ stellte
Macron in einen Zusammenhang mit dem
Gründungsakt der Europäischen Union, der
französischer Initiative zu verdanken gewesen
sei: „Es ist erneut an der Zeit, dass Frankreich,
zusammen mit allen Europäern, welche dies
wünschen, Vorschläge macht, wie Europa vo-
rankommt. In diesem Augenblick denke ich an
den 9. Mai 1950, als in Paris Robert Schuman
es wagte, den Vorschlag zum Aufbau Europas
zu machen.“ Das eigene Projekt als zweiten
Schuman-Plan zu preisen markiert den Füh-
rungsanspruch Frankreichs.
Mit der von ihm eingefädelten Wahl Ursula
von der Leyenszur neuen Präsidentin der
EU-Kommission wird sich dieser Führungs-
anspruch noch verstärken. Auf der einen Seite
kann man sich davon, dass mit Ursula von der
Leyen und Christine Lagardeals Präsidentin
der EZB eine Deutsche und eine Französin
EU-Spitzenpositionen besetzen, eine Stärkung
des deutsch-französischen Tandems erhoffen.
Paris nahm mit Sympathie zur Kenntnis, dass
von der Leyen in ihrer Bewerbungsrede nicht
nur die „carte féminine“, sondern auch die
deutsch-französische Karte ausspielte, als sie
daran erinnerte, dass vor genau vierzig Jahren
eine Frau erste Präsidentin des Europäischen
Parlaments wurde – Simone Veil, eine Jeanne
d’Arc der französischen Nachkriegspolitik.
Auch wenn, was die Wahl Ursula von der
Leyens angeht, sowohl vom „Coup“ Angela
Merkels wie vom „Coup“ Emmanuel Macrons
die Rede sein kann – an der europapolitischen
Börse ist nach dieser Wahl vor allem die Aktie
Macron gestiegen. In Frankreich ist mit Blick
auf das neue Brüsseler Personaltableau etwas
überschwänglich von der „Pranke“ Macrons –
„une vraie patte macronien“ – die Rede. Aber
auch die angelsächsische Presse konstatiert
lapidar: „The winner is ... Emmanuel Macron“.

Ein rhetorisch geschickt getarnter, zu-
nächst sanfter Nationalstolz verbarg sich von
Anfang an in der Europapolitik Emmanuel
Macrons. Die Pressekonferenz vom 25. April
dieses Jahres, in der Macron im Élysée-Palast

Macrons. Die Pressekonferenz vom 25. April
dieses Jahres, in der Macron im Élysée-Palast

Macrons. Die Pressekonferenz vom 25. April

die Ergebnisse der landesweiten „Großen
Debatte“ präsentierte, mit denen er auf die
Aktionen der Gilets Jaunes geantwortet hatte,
war dafür ein Beispiel. Danach gefragt, be-
kannte Macron sich zur deutsch-französi-
schen Freundschaft und sprach von der „Kul-
tur des Kompromisses“, die ihn mit der deut-
schen Kanzlerin verbinde. Die Bereitschaft
zum Kompromiss aber sei an ihre Grenzen
gelangt. Es sei im europäischen Interesse,
dass sein Land notfalls im Alleingang vor-
presche: „Il faut que la France propose!“
Macron sprach zunächst beschwichtigend
von „fruchtbaren Konfrontationen“ in den
deutsch-französischen Beziehungen, doch
dann wurde er deutlich und verzichtete auf die
ritualisierte Freundschaftsrhetorik. Letztlich

machte er die deutsche Austeritätspolitik für
die Probleme der europäischen Südländer
verantwortlich und stellte in einem fast hä-
mischen Ton fest, dass in der Wirtschaft das
deutsche Wachstumsmodell an sein Ende ge-
kommen sei. Es war ein Zufall, dass die Dis-
tanzierung von Deutschland in einer Presse-
konferenz deutlich wurde, deren Anlass die
Reaktion Macrons auf die Gelbwesten-Proteste
war. Dennoch besteht zwischen beiden ein
Zusammenhang. Kommentatoren haben die
Innen- und Außenpolitik Macrons mit den
Verben „germaniser“ und „franciser“ cha-
rakterisiert. Er habe die französische Innen-
politik mit Reformen nach dem Vorbild Ger-
hard Schröders „deutscher“ und die deutsche
Außenpolitik mithilfe des „Renaissance“-Pro-
jekts „französischer“ machen wollen – und sei
mit beidem gescheitert.
Es ist zu früh, darüber ein Urteil zu fällen.
Sichtbar wird aber, dass die Proteste der Gilets
Jaunes Macron paradoxerweise geholfen ha-
ben, in der Außenpolitik, nicht zuletzt mit
Blick auf Deutschland, einen festeren Ton zu
finden. Mit der Ausweitung der Protestbewe-
gung, der Zunahme der Gewalt und der Un-
fähigkeit der Regierung, darauf wirksam zu
reagieren, konnte es eine Zeit lang scheinen,
als könne dies zu einer Schwächung, wenn
nicht Amtsaufgabe Macrons führen. Das Ge-
genteil ist der Fall. Macron wurde gestärkt.
Wie die Ergebnisse der Europawahlen gezeigt
haben, sind die Gelbwesten in sich zu zer-
stritten, als dass sie zu einer parlamentarisch
einflussreichen Kraft werden könnten.
Wichtiger noch: Es ist keiner der etablierten
Parteien gelungen, vom Wählerpotenzial der
basisanarchischen Gelbwesten zu profitieren.
Das Rassemblement National Marine Le Pens
wie Macrons Partei La République En Marche
bleiben zwischen 20 und 25 Prozent der Wäh-
lerstimmen stabil, die Sozialisten wie die Kon-
servativen überleben mühsam als Splitter-
parteien. Bei den Wahlen 2022 werden sich mit
hoher Wahrscheinlichkeit Marine Le Pen und
Emmanuel Macron erneut im Duell um die
Präsidentschaft gegenüberstehen. Auch wenn
der Abstand zwischen ihnen geringer werden
mag, ist schwer vorstellbar, dass Marine Le
Pendie Mehrzahl der Franzosen für sich ge-
winnt. Macron hat auf die Verstetigung dieser
Konstellation gehofft.
Innenpolitisch abgesichert, kann er selbst-
bewusst umso größeren außenpolitischen
Ehrgeiz zeigen. Dazu gehört die Verfolgung
eines in den Anfang des 19. Jahrhunderts zu-
rückreichenden Ziels der französischen Poli-
tik: in Europa einen „lateinischen Block“ ge-
gen die Machtansprüche Deutschlands zu
formieren. In der Sorbonne-Rede formulierte
Macron eine klare Priorität der französischen
Außenpolitik: „Zuallererst das Mittelmeer, das
Herz unserer Zivilisation. Wir haben ihm zu

lange den Rücken zugekehrt, haben die dorti-
gen Krisen nicht gesehen.“ Damit knüpft Ma-
cron an das von Nicolas Sarkozy und seinem
Berater Henri Guaino entwickelte Projekt
einer Mittelmeerunion an, der die südeuropäi-
schen wie nordafrikanischen Anrainer des
Mare Nostrum angehören würden und die
unabhängig von der Europäischen Union agie-
ren sollte. Als Guaino nach der Zielrichtung
dieser Mittelmeerunion gefragt wurde, ant-
wortete er, ohne zu zögern: „Contre les Alle-
mands!“ Es war folgerichtig, dass Angela Mer-
kelmit ihrem Veto die Union Sarkozys zu Fall
brachte und stattdessen eine „Union für das
Mittelmeer“ durchsetzte, welche in die be-
stehenden Strukturen der Europäischen Uni-
on eingebettet wurde – politisch wirkungslos,
aber Brüsseler und damit auch deutscher Kon-
trolle unterworfen.
Macron hatte im letzten Jahr eine Mittel-
meerkonferenz angekündigt. Heraus kam, an
einem Juni-Wochenende dieses Jahres in Mar-
seille, der „Gipfel der beiden Ufer“ – und wur-
de zum Desaster. Dennoch bleibt der Versuch
aussichtsreich, in der EU eine Art „lateini-
schen Block“ zu bilden. Macron unternimmt
jetzt diesen Versuch – „contre les Allemands“.
Auf der einen Seite wächst nach dem sicher zu
erwartenden Brexit und den sich daraus er-
gebenden Stimmen- und Machtverschiebungen
in den Brüsseler Institutionen der Einfluss des
„Club Med“, der danach drängt, die deutsche
Austeritätspolitik zu beenden. Der Süden hat
große Sympathien für die Vorschläge Macrons
zu einer stärkeren Vergemeinschaftung inner-
halb der Europäischen Union.
Auf der anderen Seite hat sich unter Füh-
rung des niederländischen Ministerpräsiden-
ten Mark Rutte eine fast wie ein Geheimbund
operierende Hanseatische Liga aus zwölf nörd-
lichen EU-Ländern gebildet, die in der Wirt-
schaftspolitik einen entschieden liberalen Kurs
vertreten und sich gegen jede Vertiefung der
Europäischen Union wehren. Es bleibt ab-
zuwarten, wie sich in Zukunft das Kräftever-
hältnis zwischen dem „Club Med“ und der von
den Südländern spöttisch so genannten
„Schlechtwetterkoalition“ gestaltet.
1994 legten Wolfgang Schäuble und sein
CDU-Kollege Karl Lamers ein Konzeptpapier
vor, das für ein Europa der zwei oder mehr
Geschwindigkeiten plädierte. Sie prägten dafür
den Begriff der „variablen Geometrie“. Heute
ist die europäische Geometrie variabler als je
zuvor. In der Wahl Ursula von der Leyens zur
Präsidentin der EU-Kommission und der Wahl
Christine Lagardes zur Präsidentin der EZB
setzte sich noch einmal die deutsch-französi-
sche Interessengemeinschaft durch. Wer die
Erfolgsgeschichte der Europäischen Union
miterlebt hat, wird die Abkühlung des deutsch-
französischen Verhältnisses mit Nostalgie und
Bedauern zur Kenntnis nehmen.

ESSAY


Die Nase im Wind


WOLF LEPENIES

Das


deutsch-französische


Verhältnis ist


abgekühlt. Präsident


Macron ist überzeugt,


nur gegen die


Deutschen die EU


voranbringen zu


können. Er schmiedet


eine neue Allianz


des Südens –


und hat noch dazu


Ursula von der Leyen


Der französische Präsident Emmanuel Macron ist ein Meister der Selbstinszenierung

LUDOVIC MARIN/ AFP/ GETTY IMAGES

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