Die Welt - 22.07.2019

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DIE WELT MONTAG,22.JULI2019* POLITIK 7


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s wird langsam einsam um Ge-
nier Hernández. Der Guatemal-
teke ist Chef einer Kaffeefarm in
Hoja Blanca. Mehr als die Hälfte der
Menschen, die auf seiner Farm arbeite-
ten, haben das mittelamerikanische
Land inzwischen verlassen oder haben
Kinder, die Guatemala den Rücken ge-
kehrt haben.

VON TOBIAS KÄUFER
AUS RIO DE JANEIRO

Migration aus Guatemala in Richtung
USA gab es schon immer, doch seit gut
zwei Jahren gibt es immer mehr Abwan-
derung aus dem mittelamerikanischen
Land. Und der fällt zeitlich mit dem
massiven Verfall des Kaffeepreiseszu-
sammen.
Für den Kaffeefarmer ist klar: „Das
Problem der Migration ist in Wahrheit
ein Problem des Kaffees“, sagt
Hernández dem Magazin „El Ceo“. Kaf-
feepflücker Rodrigo Carrillo, ebenfalls
aus Hoja Blanca, sagte der „Washington
Post“: „Man kann mit dem Kaffee kein
Geld mehr verdienen. Ich werde in elf
Tagen gehen.“
Erst im Februar dieses Jahres warnte
die Nationale Kaffee-Vereinigung Gua-
temalas (Anacafé) in einem Brief: Der
anhaltend niedrige Kaffeepreis bringe
125.000 Familien in Gefahr. Die Ten-
denz geht seit Jahren nach unten. Am
Warenterminmarkt kostet das US-
Pfund der Sorte Arabica (453 Gramm) in
der ersten Jahreshälfte zeitweise weni-
ger als 88 Cent. Vor acht Jahren lag er
noch bei knapp drei Dollar – also mehr
als das Dreifache.
Das ist fatal für die Bauern – sogar für
jene, die in Fairtrade-Abkommen einge-
bunden sind. Sie erhalten zwar einen
Mindestpreis, der teils doppelt so hoch
ist wie der aktuelle Börsenpreis – aber
trotzdem weit unter den Preisen aus gu-
ten Zeiten.
Die Zahl der mittelamerikanischen
Migranten, die illegal über die mexika-
nische Grenze in die USA gelangen, ist
zu Beginn dieses Jahres zeitgleich zu
dieser Entwicklung noch einmal deut-
lich angestiegen. Die meisten Migran-
ten kamen aus Guatemala: Von Oktober
bis Mai wurden 211.000 Migranten aus
dem mittelamerikanischen Staat an der
Südgrenze der USA festgenommen,

mehr als doppelt so viele wie noch 2014.
Es gebe Orte in Guatemala, in denen es
einen „wahren Massenexodus der Men-
schen“ gegeben habe, sagte der dortige
Erzbischof Gonzalo de Villa y Vásquez
am Wochenende. „Ich glaube, der größ-
te Grund für die Migration ist das Feh-
len von Chancen und Perspektiven.“
Die USA verstärken indes ihren
Grenzschutz, Mexiko setzt inzwischen
an der Süd- und Nordgrenze Tausende
Sicherheitskräfte der Nationalgarde
ein, um die anhaltende Migration aus
dem Süden zu stoppen. Die US-Regie-
rung will Guatemala zum sicheren
Drittstaat erklären, um so Asylanträge
aussichtslos zu machen. US-Präsident
Trump Donald hatte erst im März die
Finanzhilfen für Guatemala, Honduras
und El Salvador auf Eis gelegt und da-
mit die Situation noch einmal ver-
schärft. Trump wirft den drei Ländern
vor, Migranten nicht an der Flucht in
Richtung USA zu hindern.
Der Grund für die niedrigen Kaffee-
preise ist einerseits die gute Ernte in
Brasilien und Vietnam, die den Markt
überschwemmte. „Mit diesen Preisen
ist eine wirtschaftliche Nachhaltigkeit
in allen Erzeugerländern in Gefahr“,
sagt Anacafé-Chef Bernardo Solano. In
den Abnehmerländern wiederum gibt es
einen extrem harten Kampf um Kun-
den. Auch in deutschen Supermärkten:

Kaffee gilt als Produkt mit Signalpreis –
deshalb taucht er oft in Sonderangebo-
ten, um Kunden in die Läden zu locken.
Wie im Einzelhandel üblich, geht es
dabei vor allem um den Wettbewerb
zwischen den Supermarkt-Ketten – die
Rücksicht auf nachhaltige Erzeugerprei-
se fehlt oft in der Rechnung. Anacafé-
Chef Solano sagt: Wenn der Kaffeepreis
weiterhin so gedrückt werde, werde die
Produktion zerstört, und dann gebe es
keinen Kaffee: „Und dann gibt es kein
Geschäft für niemanden mehr.“
Eine Ansicht, die auch Manuel Otero,
Direktor des Interamerikanischen
Landwirtschaftsinstituts IICA mit Sitz
in Costa Rica, teilt: „Inzwischen ist ein
Szenario erreicht, in dem landwirt-
schaftliche Aktivität nicht mehr renta-
bel ist.“ Die Konsequenz ist laut Er-
kenntnissen seines Instituts „eine star-
ke Migration aus den ländlichen Regio-
nen in die urbanen Zentren oder in an-
dere Länder. Die betroffenen Menschen
sind auf der Suche nach besseren Le-
bensumständen.“ Die Auswirkungen
der niedrigen Preise betreffen rund 14
Millionen Menschen von Mexiko über
Mittelamerika, die Karibik bis in die An-
denstaaten und schließlich Brasilien.
Die Gewinne in den USA und Europa
hatten zuletzt kaum gelitten. Die Kaf-
feehauskette Starbucks verkündete En-
de April Rekordzahlen. Im ersten Quar-
tal kletterten die Erlöse im Jahresver-
gleich um knapp fünf Prozent auf umge-
rechnet 5,7 Milliarden Euro. Der Ge-
winn legte auf 663 Millionen Dollar zu.
Die Aktie verdoppelte ihren Wert inner-
halb eines Jahres auf ein neues Rekord-
hoch von 80,70 Euro.
In der vergangenen Woche trafen
sich die Kaffeeerzeugerländer zum
Weltforum im São Paulo. Die Situation
in den Herkunftsländern war auch in
der brasilianischen Metropole das be-
herrschende Thema. Besonders hart
kritisierte der Chef der kolumbiani-
schen Kaffeeföderation, Roberto Vélez
Vallejo, die Konsumländer. Es sei
ethisch nicht vertretbar, dass eine pro-
fitable Industrie den Kaffeeerzeugern
Preise zahle, die inzwischen unter den
Produktionskosten lägen.
In den Konsumentenländern fehle
das Verständnis für die Nöte der Kaffee-
produzenten. Konkret forderte Vélez
Vallejo einen Mindestpreis von zwei

Dollar pro Pfund, der den Produzenten
ein würdiges Leben und die Möglichkeit
eröffne, die Kaffeeproduktion auch an
die nächste Generation weiterzugeben.
Die Kaffeeproduzenten müssten ihrer-
seits garantieren, dass diese zwei Dollar
auch tatsächlich bei den Kaffeebauern
ankämen.
Starbucks weist die Kritik zurück:
„Seit 2015 werden 99 Prozent unseres
Kaffees moralisch vertretbar angebaut.
Wir sind der größte Kaffeehändler, der
diesen Meilenstein erreicht hat“, erklär-
te eine Sprecherin auf WELT-Anfrage
und verweist auf über 100 Millionen
Dollar an Investitionen, „um den Wohl-
stand und die Widerstandsfähigkeit der
Bauern und der Arbeiter zu erhöhen, die
weltweit Kaffee anbauen“. Auf die aktu-
elle Lage mit Preisen unter den Produk-
tionskosten habe das Unternehmen mit
einem 20 Millionen US-Dollar schweren
Notfallfonds für Mexiko, El Salvador,
Nicaragua und Guatemala reagiert.
Unterdessen erhöht US-Außenminis-
ter Mike Pompeo den Druck auf Latein-
amerika. Vor einer Reise nach Argenti-
nien, Ecuador, Mexiko und El Salvador
sagte Pompeo, die Herkunftsländer der
Migranten müssten endlich Maßnah-
men ergreifen, denn die US-Sicher-
heitskräfte könnten nicht allein die gan-
ze Arbeit machen. Über eigene Maßnah-
men sprach Pompeo nicht.

Die Migranten


der Kaffeekrise


Die historisch niedrigen Preise lassen Familien in


Mittelamerika verarmen – und Richtung USA wandern


Ein Arbeiter trocknet Kaffeebohnen auf einer Plantage in Santiago Atitlan im Süden
von Guatemala. Das Land ist eines der größten Produzenten in Mittelamerika

PICTURE ALLIANCE / AP PHOTO

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in bisschen aufgeregt wirkt
Pritika Chandiramani, sie
hält eine kleine Stars-and-
Stripes-Fahne in den Hän-
den. Es gibt ja auch allen
Grund dazu: Die 34-jährige bekommt
heute die amerikanische Staatsbürger-
schaft verliehen. Vor allem aber ist
Chandiramani fröhlich und stolz: „Das
ist natürlich ein ganz besonderer Tag,
für jeden von uns, der heute hier ist.“

VON DANIEL FRIEDRICH STURM
AUS MOUNT VERNON

Die junge Frau ist vor vier Jahren aus
Indien in die USA gekommen, ihr Ehe-
mann besitzt bereits den amerikani-
schen Pass, das machte für sie die Büro-
kratie einfacher. Alle Formulare sind
ausgefüllt, alle Nachweise erfolgreich
erbracht. Chandiramani, die im Bundes-
staat Virginia lebt und im Personalbe-
reich der internationalen Unterneh-
mensberatung KMPG arbeitet, wartet
auf den Beginn der Zeremonie. „Ich
freue mich so sehr, Amerikanerin zu
werden“, sagt Chandiramani, „vor allem
darauf, viel zu reisen.“ Der amerikani-
sche Pass dürfte ihr da weit mehr und
einfacher Türen öffnen als ihre bisheri-
ge indische Staatsbürgerschaft.
Auf ihrem Schoß liegt ein Formular
zur Wählerregistrierung. „Klar“ werde
sie in den USA wählen, sagt sie, ver-
kneift sich aber jeden weiteren politi-
schen Kommentar. Nur so viel: Sie wol-
le, sagt Chandiramani, „ein aktiver Teil
der Gemeinschaft werden“. Das gelinge
als Bürger noch immer am besten. Über
Politik wollen Neubürger wie Chandi-
ramani an diesem Tag nicht reden. Sie
sind einfach nur froh und stolz, Ameri-
kaner zu sein, nachdem sie schon zum
Teil viele Jahre hier leben, lieben, arbei-
ten, Steuern zahlen und ihre Freizeit
genießen.
Pritika Chandiramani ist an diesem
Tag in Mount Vernon, dem Landsitz des
ersten amerikanischen Präsidenten Ge-
orge Washington, nicht die einzige, die
von nun an endlich Staatsbürger ist. Al-
lein rund um den 4. Juli, dem Unabhän-
gigkeitstag, nahmen landesweit 7500
neue Staatsbürger an Einbürgerungsfei-
ern teil. So berichtet es die bundesweite
Staatsbürgerschafts- und Einwande-
rungsbehörde USCIS, die dem Heimat-
schutzministerium untersteht.
Während die amerikanische Regie-
rung mit menschenunwürdigen Bedin-
gungen für Migranten an der Grenze
von sich reden macht und Präsident Do-
nald Trump Migranten wie andere Län-
der beleidigt, bürgern die USA so viele
Menschen ein wie lange nicht mehr. Es
scheint paradox, aber im vorigen Jahr
erhielten mehr als 757.000 Menschen
die US-Staatsbürgerschaft. Das ent-
spricht einem Fünf-Jahres-Hoch und ei-
nem Zuwachs von 16 Prozent gegenüber
dem Jahr 2014, also unter der Präsident-
schaft Barack Obamas.
Der Einwanderungsbehörde USCIS
zufolge ist ebenfalls die Zahl der Anträ-
ge auf Staatsbürgerschaft gestiegen –
auf 850.000 im vorigen Jahr, das sind 18
Prozent mehr als 2014. Es sollte also
niemand denken, die amerikanische
Staatsbürgerschaft sei wegen des um-
strittenen Präsidenten weniger attrak-
tiv geworden. Seitdem Trump als Präsi-
dent amtiert, haben sie mehr als zwei
Millionen Menschen beantragt. Die Re-
gierung Trump argumentiert, gegen ei-
ne legale Einwanderung habe sie keiner-
lei Vorbehalte. Im Gegenteil: Unterneh-
men bräuchten Mitarbeiter, zumal jun-
ge und gut ausgebildete, und das Land
deren Erfindergeist.
Sie wolle nur die illegale Einwande-
rung stoppen, nicht zuletzt mit Trumps
Prestigeprojekt, dem Bau einer Mauer
zu Mexiko. Aus Mexiko stammten im
vorigen Jahr übrigens die meisten Ein-
gebürgerten, gefolgt von Indien, den
Philippinen, Kuba und China. Derzeit
sind bei der Einwanderungsbehörde
730.000 schwebende Bewerbungen re-
gistriert. Wie deren Arbeit weitergeht,
ist derzeit ungewiss. Trump nämlich
hat erst kürzlich Behördenchef Lee
Francis Cissna, 54, gefeuert. Der amtie-
rende USCIS-Direktor Ken Cuccinelli,
50, einst ein republikanischer Politiker,
gilt als konservativer Hardliner, der gar
Obamas amerikanischen Geburtsort an-
gezweifelt hatte.
Ende Juni beschuldigte Cuccinelli
den Migranten Óscar Alberto Martínez

Ende Juni beschuldigte Cuccinelli
den Migranten Óscar Alberto Martínez

Ende Juni beschuldigte Cuccinelli

Ramírez, 25, der mit seiner Tochter aus

El Salvador in die USA fliehen wollte,
für seinen Tod und den der einjährigen
Valeria verantwortlich gewesen zu sein.
Das Foto der beiden Ertrunkenen am
Ufer des Rio Grande war um die Welt
gegangen. Behördenchef Cuccinelli
nahm Anfang Juli an einer Einbürge-
rungsfeier („Naturalization Ceremo-
nie“) für 52 Männer und Frauen am
Denkmal für die Terroranschläge vom


  1. September 2001 in New York teil. „Es
    ist eine Ehre für mich, diese neuen US-
    Bürger zu begrüßen“, sagte er hier.


Ob die Zahl der Einbürgerungen un-
ter Cuccinelli weiter steigen wird? Alle-
mal dürfte der Behördenchef genug
Handhabe besitzen, die Zahl der Ein-
bürgerungen zu steuern, zumal manche
Bedingung dafür gewiss Auslegungssa-
che ist. So muss, wer US-Bürger werden
will, unter anderem mindestens 18 Jahre
alt sein, mindestens fünf Jahre lang in
den USA residiert haben, davon körper-
lich präsent mindestens 30 Monate. Je-
der Bewerber muss außerdem unter an-
derem einen guten Leumund haben,

Englisch sprechen, lesen, schreiben und
verstehen können und die amerikani-
sche Geschichte kennen.
Rafael Via, 29, hat all das erfolgreich
nachweisen können. Er nahm Anfang
Juli, wie die indisch-stämmige Pritika
Chandiramani, an der Einbürgerungs-
feier am Mount Vernon teil. Via ist al-
leinerziehender Vater eines fünfjähri-
gen Kindes, stammt aus Bolivien und
lebt im Großraum Washington. Er kam
mit zwölf Jahren in die USA, absolvierte
hier Schule und College. „Ich werde di-
rekt am Samstag meinen Pass beantra-
gen“, sagt Via stolz. Der Pass, den man
in den USA nicht zwangsläufig besitzen
muss, nämlich sei Voraussetzung, um
sich bei der Luftwaffe zu bewerben.
„Ich will versuchen, Pilot zu werden.
Das ist mein wichtigstes Ziel“, sagt Via.
In den USA mit ihrer reichen, beein-
druckenden Einwanderungsgeschichte
ist solch ein Lebensweg möglich und
durchaus üblich. Bisher arbeitet Via als
Techniker in der Klimaanlagen-Indus-
trie. Von der Staatsbürgerschaft erhofft
er sich ganz generell bessere Berufsaus-
sichten. Wer den jungen Mann so reden
hört, hat wenig Zweifel, dass er diese
Chancen ergreifen wird. Den separaten
Antrag auf den amerikanischen Reise-
pass wollen einige der 51 Neubürger
stellen, die Anfang Juli die Staatsbür-
gerschaft in Mount Vernon bekommen


  • aber längst nicht alle. Damit entspre-
    chen sie der amerikanischen Gesamt-
    bevölkerung, von der ein Teil keinen
    Pass besitzt, das große Land noch nie
    verlassen hat.
    Während der Zeremonie erinnert ein
    Regierungsvertreter an die USA als eine
    auf Ideen gegründete Nation, die sich
    selbst regiert, und nicht von einem Kö-
    nig. Er verweist auf Einwanderer wie Al-
    bert Einstein und Madeleine Albright,
    einst Außenministerin. Ein Schauspie-
    ler im Kostüm George Washingtons be-
    tritt die Bühne und erinnert an den Ur-
    großvater des ersten Präsidenten, John
    Washington, der aus England ausge-
    wandert war – in der Hoffnung auf ein
    besseres Leben.
    Während die Nationalhymne er-
    klingt, legen die Bewerber um die
    Staatsbürgerschaft ihre rechte Hand
    aufs Herz, die meisten jedoch sind ent-
    weder noch nicht textsicher oder ein-
    fach nur gehemmt. Mit Inbrunst spre-
    chen sie aber, die rechte Hand zum
    Schwur gehoben, den Blick auf die Fah-
    ne gerichtet, gemeinsam den Treueeid –
    was in den USA immer ein wenig einem
    säkularen Gebet ähnelt und Vorausset-
    zung für die Einbürgerung ist.
    Anschließend bekommen die Neu-
    bürger aus 28 Ländern von Afghanistan
    bis Vietnam ihre Einbürgerungsurkun-
    de ausgehändigt. Darauf stehen Name,
    Geburtstag, Geschlecht, Familienstand,
    Herkunftsland, Wohnort und Passfoto.
    Sie ist von Einwanderungs-Behörden-
    chef Cuccinelli unterschrieben und
    muss gleichfalls vom Neubürger sig-
    niert werden, „in schwarzer Farbe“, wie
    ein Verwaltungsmitarbeiter nachdrück-
    lich betont: „Und bitte bewahren Sie die
    Urkunde sicher auf.“
    Alle Neubürger erhalten sogleich das
    Formular zur Wählerregistrierung. Ver-
    treter des Landkreises verteilen Aufkle-
    ber mit amerikanischer Flagge und der
    Aufschrift „Künftiger Wähler“. Nicht
    zuletzt bei den Wahlen zu Kongress, Se-
    nat und Weißem Haus im kommenden
    Jahr können die Neubürger teilnehmen,
    außerdem bei Wahlen zu diversen kom-
    munalen Funktionen. Mit der Bürokra-
    tie aber ist es auch in den USA nicht so
    einfach getan. Bei der Sozialversiche-
    rungsbehörde müssen die Neu-Ameri-
    kaner alsbald, „bitte innerhalb von 15
    Werktagen“, ihren neuen Status ange-
    ben. Wer einen Pass bekommen will,
    kann ihn beantragen, recht einfach: per
    Formular und auf dem Postweg.
    Darum schert sich Mechel Kamal Ay-
    oub Khella, 32, ursprünglich aus Ägyp-


Darum schert sich Mechel Kamal Ay-
oub Khella, 32, ursprünglich aus Ägyp-

Darum schert sich Mechel Kamal Ay-

ten, in diesem Moment aber erst einmal
gar nicht. Überglücklich präsentiert der
junge Mann seine Einbürgerungsurkun-
de. Auch die 36-jährige Floristin Milena
Pari, die vor zehn Jahren aus Bolivien in
die USA kam, macht aus ihrer Freude
kein Geheimnis. Swathi Gaddam, 36, ist
Software-Entwicklerin und stammt aus
Indien. Sie trägt während der Feierlich-
keiten Anfang Juli einen Stars-and-Stri-
pes-Schal, da kann es noch so heiß sein.
Gaddam umarmt nach der Zeremonie
ihren Ehemann und ihre Kinder, zehn
und drei Jahre alt. Die beiden sind in
den USA geboren, mithin Amerikaner.
Ehemann Bazamurugan Thangamani,
seit 2000 in den USA, wurde vor einem
halben Jahr eingebürgert. „Ich kam mit
einem Studenten-Visum, bekam dann
ein Arbeitsvisum. Es war eine lange Rei-
se“, sagt er. Nun sind die beiden Er-
wachsenen mit ihren Kindern eine echt
amerikanische Familie. Swathi Gaddam,
die ihre Einbürgerungsurkunde sicher
verstaut, nachdem sie das Dokumen ei-
ner Reihe von Gratulanten präsentiert
hat, strahlt und sagt: „Ein Traum ist in
Erfüllung gegangen.“

Neubürger in


TTTrumps Amerikarumps Amerika


Der Präsident twittert ausländerfeindlich, will eine Grenzmauer bauen.


Derweil erhalten so viele Menschen die Staatsbürgerschaft wie lange nicht


Die Neu-Amerikaner singen die Nationalhymne bei der Zeremonie in Mount
VVVernon südlich der Hauptstadt Washingtonernon südlich der Hauptstadt Washington

DANIEL FRIEDRICH STURM

/

Mechel Kamal Ayoub Khella, 32, aus Ägypten, zeigt die Urkunde, die ihm be-
scheinigt, dass er nun ein Bürger der Vereinigten Staaten ist

DANIEL FRIEDRICH STURM

/

Die Flagge als Accessoire. Auch Swathi Gaddam aus Indien und Ehemann Baza-
murugan Thangamana sind gekommen, um sich einbürgern zu lassen

D
ANIEL FRIEDRICH STURM

/

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