Die Welt Kompakt - 22.07.2019

(avery) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,22.JULI2019 WIRTSCHAFT 11


E


r läuft und läuft und
läuft. Was in der Wer-
bung einst auf den
VW Käfer gemünzt
war, kann heute für den Wirt-
schaftsaufschwung in den USA
gelten. Quartal für Quartal geht
es aufwärts, eine Rezession ist
nicht in Sicht – bereits seit nun-
mehr genau zehn Jahren nicht.
Und damit wurde nun ein alter
Rekord gebrochen.

VON FRANK STOCKER

Denn dieser Juli ist der 121.
Monat einer ungebrochenen
wirtschaftlichen Expansions-
phase in den USA – damit ist
dies der längste Aufschwung in
der Geschichte des Landes.
Doch damit wächst auch die
Angst vor dem Absturz. Denn
eines ist sicher: Irgendwann
wird die nächste Rezession
kommen. Fraglich ist nur,
wann. Doch vieles deutet da-
rauf hin, dass es nicht mehr all-
zu lange dauert. Seit 1854, seit
die Konjunktur jedes Quartal
vermessen wird, gab es in den

USA keine solch lange Phase, in
der die Wirtschaft stetig wuchs.
Traditionell waren diese Zeit-
spannen sogar wesentlich klei-
ner, meist ging es nur ein, zwei
oder drei Jahre aufwärts, bevor
die Rezession wieder zuschlug


  • per Definition muss die Wirt-
    schaftsleistung dafür zwei auf-
    einanderfolgende Quartale lang
    schrumpfen.
    Erst seit den 1980er-Jahren
    wurden die Expansionsphasen
    beständiger und länger. Der bis-
    her längste Aufschwung dauer-
    te von März 1991 bis März 2001.
    Parallel dazu entwickelte sich
    eine Blase an den Börsen in al-
    ler Welt, die ab März 2000
    platzte – und auch die Wirt-
    schaft in die Tiefe riss, nicht
    nur in den USA, sondern welt-
    weit. Auch diesmal boomt die
    Börse. In den USA haben sich
    die Kurse seit März 2009 ver-
    vierfacht, auch in Deutschland
    hält der wirtschaftliche Auf-
    schwung bereits ähnlich lange
    an. Doch von einem Absturz
    wie nach der Jahrtausendwende
    geht derzeit niemand aus. Denn


die klassischen Auslöser dafür
sind derzeit nicht vorhanden.
„Rezessionen werden entwe-
der durch eine zu hohe Inflati-
on ausgelöst“, sagt Andrew Bo-
somworth, Anlagechef in
Deutschland beim weltgrößten
Anleiheninvestor Pimco. Die
Notenbankenreagieren darauf
üblicherweise, indem sie die
Zinsen anheben, was die Kon-
junktur dann schwächt. „Oder
aber Rezessionen werden durch
Blasen an den Finanzmärkten
ausgelöst“, nennt er als andere
Ursache. „Doch derzeit sehen
wir keines von beidem.“
Die Inflation wird in Schach
gehalten, ist in den USA zuletzt
sogar wieder auf 1,6 Prozent zu-
rückgegangen. Auch die Kredit-
vergabe ist insgesamt eher mä-
ßig. „Die einzige anfällige Stelle
könnte der Bereich der Unter-
nehmenskredite sein“, glaubt
Bosomworth. Rund zehn Billio-
nen Dollar an Verbindlichkei-
ten haben die US-Unternehmen
aufgetürmt. Vor der Finanzkri-
se waren sie nur halb so hoch.
Allerdings ist das so lange kein

Problem, wie die Zinsen niedrig
sind. Und das bleiben sie – sie
sinken sogar wieder. Denn die
US-Notenbank hat in den ver-
gangenen Monaten deutlich ge-
macht, dass sie den Leitzins
schon bald senken wird.
Die Notenbanken sind über-
haupt der wichtigste Faktor für
die lange Dauer des Auf-
schwungs. Sie stützen die Kon-
junktur seit Jahren mit ihrem
billigen Geld, weltweit. Hinzu
kamen in den USA im vergange-
nen Jahr drastische Steuersen-
kungen, die über eine horrende
Neuverschuldung des Staates
finanziert wurden. Dadurch
sprangen die Gewinne der Un-
ternehmen in die Höhe, und
auch wenn diese ihre Investi-
tionen kaum erhöhten, verzich-
teten sie wenigstens auf um-
fangreiche Spaßmaßnahmen.
Allerdings könnten sie nun
zunehmend unter Druck kom-
men. Auf dem Papier sind die
Gewinne zwar auch zuletzt
noch gestiegen. Ein wesentli-
cher Faktor dabei war jedoch,
dass die börsennotierten Un-

ternehmen viele eigene Aktien
zurückkauften. Dadurch ver-
teilt sich der Gewinn auf weni-
ger Aktien, sodass der Gewinn
je Aktie selbst dann noch stei-
gen kann, wenn er insgesamt
stagniert oder sogar zurück-
geht. Und genau das ist zuletzt
passiert. „Ohne die Aktienrück-
käufe sind die Gewinne um ein
Prozent zurückgegangen“, sagt
Luca Paolini, Chefstratege bei
der Schweizer Privatvbank
Pictet, und er folgert: „Die In-
vestoren sind zu optimistisch
in Bezug auf die USA.“
Ist das nun der erste Riss im
scheinbar tadellosen Bild von
der US-Konjunktur? Vielleicht.
Allerdings dürfte dies nicht
ausreichen, um eine Rezession
am Horizont zu wähnen. Doch
es könnten weitere Mosaik-
steinchen hinzukommen, und
möglicherweise gibt es bei der
nächsten Rezessionnicht einen
Auslöser, sondern mehrere Fak-
toren, die zusammenspielen.
Einer davon könnte in den
Handelskonflikten liegen, die
US-Präsident Donald Trump
vom Zaun gebrochen hat und
die irgendwann außer Kontrolle
geraten können. „Die chinesi-
sche Regierung müsste ihre
Bürger nur mal dazu aufrufen,
keine iPhones mehr zu kaufen“,
sagt Loca Paolini. Ein Boykott
der chinesischen Konsumenten
für US-Produkte hätte sicher
drastische Effekte.
Aber auch innenpolitisch
droht in den USA Ungemach.
Denn die so genannte Schul-
denobergrenze, bis zu der die
Regierung höchstens neue
Schulden aufnehmen darf, wird
demnächst wieder Thema wer-
den. Durch diverse Buchungs-
tricks wird diese Grenze der-
zeit schon gedehnt, spätestens
im September dürfte dieser
Rahmen jedoch ausgeschöpft
sein. „Es gibt zudem Risiken,
dass der Finanzierungsbedarf
des US-Bundes schon Ende Au-
gust ein Niveau erreichen
könnte, bei dem ohne einen
Kongressbeschluss ein partiel-
ler Zahlungsausfallder Regie-
rung unvermeidlich wäre“, sagt
Patrick Franke, Ökonom und
US-Experte bei der Landesbank
Hessen-Thüringen.
Auf jeden Fall sagen inzwi-
schen aber 90 Prozent der 200
allmonatlich von Bank of Ame-
rica / Merrill Lynch befragten
Profi-Investoren, dass die Wirt-
schaft sich im Spätzyklusbefin-
de. Dieser kann lange dauern,
aber er dauert nicht ewig. Und
irgendwann folgt darauf dann
stets eine Rezession.
Die Frage ist, wie hässlich
diese wird. Werden sich die Kri-
sen von 2001 und 2009 wieder-
holen oder wird es ein eher
sanfter Abschwung? Paolini
rechnet eher mit einer sanften
Rezession, auch Bosomworth
geht von einer milderen Varian-
te aus. Allerdings könne sie da-
für umso länger dauern.
Schließlich hatte auch der Auf-
schwung davor Rekordlänge.

Schockstarre an den Börsen: Im Spätsommer 2007 trifft die Finanzkrise die USA

GETTY IMAGES

/MARIO TAMA

Was folgt auf den Aufschwung?


Die USA erleben den längsten wirtschaftlichen Aufschwung der Geschichte. Niedrige


Zinsen und Steuergeschenke auf Pump halten ihn am Leben, doch das Ende ist absehbar


Wirtschaftliche Aufschwungsphasen in den USA seit 


Quelle: NBER

Dauer in Monaten Seit Juni ����:
längster Konjunkturaufschwung der Geschichte


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Länge bisheriger Haussen am Aktienmarkt und Ertrag

Quelle: JP Morgan AM/eigene Recherchen

Dauer in Monaten Ertrag in Prozent

Hausse-Beginn

Dauer in Monaten Ertrag in Prozent


         

Juni


April


Juni


Juni


Mai


Okt.


Aug.


Dez.


Okt.


März


        

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