Die Welt Kompakt - 22.07.2019

(avery) #1
te ein Chronist. Dabei unter-
schied Timur, obwohl fanati-
scher Muslim, nicht, ob seine
Gegner Anhänger des Prophe-
ten waren oder einem anderen
Glauben folgten.
In schneller Folge eroberte
Timur weite Teile Zentral-
asiens, des Iran, Armeniens, Ge-
orgiens, Syriens und des Irak.
1 398 überrannte er Delhi. Allein
bei der Plünderung von Damas-
kus 1401 sollen Zehntausende
hingemetzelt worden sein.
Handwerker und andere Spezia-
listen wurden dagegen ins Kern-
land seines Reiches deportiert,
wo sie beim Ausbau der Haupt-
stadt Samarkand eingesetzt
wurden.
Der Osmane Bayezid geriet in
Timurs Visier, als jener sich an-
schickte, einige Städte im Nor-
den des Irak unter seine Kon-
trolle zu bringen. Im Gegenzug
besetzte Timur 1400 die Stadt
Siwa in Zentralanatolien. Für
die Osmanen bedeutete Timurs
Macht auch eine Gefahr, weil sie
die unter großen Mühen nieder-
geworfenen, einst selbstständi-
gen türkischen Fürstentümer
Anatoliens zum Abfall provo-
zierte.
Beim westanatolischen Bur-
sa, der ersten osmanischen
Hauptstadt, sammelte Bayezid
im Frühjahr 1402 sein Heer.
Nach einer Quelle sollen es
1 40.000 Soldaten gewesen sein,
gegen die Timur 85.000 aufbie-
ten konnte, doch dürften die
Zahlen deutlich übertrieben
sein. Nach anderen Überliefe-
rungen war das Heer Timurs
den Truppen Bayezids zahlen-
mäßig überlegen, zumal es
durch Kontingente seiner türki-
schen Gegner verstärkt wurde.
Entscheidender waren jedoch
die taktischen Grundsätze,
nach denen die Heere geführt
wurden. Während der Osmane
sich vor allem auf seine Jani-
tscharen-Garde stützte, die sich
aus Kindern der Unterworfenen
rekrutierte, die islamisiert und
zu fanatischen Kriegern erzo-
gen wurden, vertraute Timur
weiterhin den Reitertruppen,
mit denen er sein Reich erobert
hatte. Diese waren hochmobil,
während die Janitscharen be-
reits in geordneten Schlachtrei-
hen zu Fuß kämpften.
Als Bayezid vorrückte, zog
sich Timur geschickt nach Os-
ten zurück. Das hatte zur Folge,
dass der türkische Anmarsch in
der sommerlichen Hitze das
Heer bereits zermürbt hatte,
bevor es bei Angora, dem heuti-
gen Ankara, auf den Gegner
traf. An einem Tag im Juli kam
es zur Schlacht. Obwohl sich
zeitgenössische Schilderungen

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,22.JULI2019 GESCHICHTE 27


erhalten haben, bleibt ihr Ab-
lauf verworren.
WWWasser scheint eine entschei-asser scheint eine entschei-
dende Rolle gespielt zu haben.
Nach einer Quelle blockierte
Timur einen Brunnen, sodass
Bayezid gezwungen war, in die
Offensive zu gehen. Ein italieni-
scher Zeitgenosse schreibt, dass
den Türken zahlreiche Pferde
bei der Tränke weggefangen
wurden.
Der bayerische Soldat Johan-
nes Schiltberger, der den Kreuz-
zug nach Nikopolis mitgemacht
hatte, dort in Gefangenschaft
geraten und ins Heer des Sul-
tans gepresst worden war, be-
richtet in seinem Reisebuch, die
„weißen Tataren“ in Bayezids
Heer seien zu Timur übergelau-
fffen, weil sie nicht gegen ihrenen, weil sie nicht gegen ihren
einstigen Herrn kämpfen woll-
ten. Auch hätten die indischen
Kriegselefanten, die dieser im
Zentrum hatte aufmarschieren
lassen, die türkischen Truppen
in Angst und Schrecken ver-
setzt.
Über viele Stunden soll die
Schlacht hin- und hergewogt
haben, wobei sich auf osmani-
scher Seite neben den Jani-
tscharen die 5000 „in schwar-
zes Eisen“ gekleideten Ritter
des serbischen Fürsten Stephan
hervortaten. Aber schließlich
gewannen die Truppen Timurs
die Oberhand, die „unermüdli-
chen Ameisen ähnlich“ vorgin-
gen, wie es ein byzantinischer
AAAutor plastisch beschriebenutor plastisch beschrieben
hat.
„Bayezid wandte sich zur
Flucht und zog sich mit wenigs-
tens 1000 Reitern auf einen
Berg zurück“, schreibt Schilt-
berger. „Timur umringte den
Berg, sodass jener nicht ent-
kommen konnte, und fasste
ihn.“ Als lebende Siegestrophäe
wurde der osmanische Sultan
von da an mitgeschleppt. Ein
Jahr später ist Bayezid gestor-
ben, möglicherweise beging er
Selbstmord.
Die Schlacht von Ankara gilt
als eine der schwersten Nieder-
lagen der osmanischen Ge-
schichte. Das Reich wäre ver-
mutlich zerbrochen, hätte Ti-
mur seinen Sieg ausgenützt.
AAAber er wandte sich gegen Chi-ber er wandte sich gegen Chi-
na und starb, geschwächt von
den Strapazen des Feldzuges,
1 405 im heutigen Kasachstan.
Fast 20 Jahre lang dauerten
die Kämpfe, in denen diverse
Machthaber in Anatolien und
auf dem Balkan um Einfluss
rangen. Die christlichen Vasal-
len der Osmanen erlangten ihre
Unabhängigkeit wieder und By-
zanz seine Handlungsfähigkeit,
eroberte Thessaloniki, die Chal-
kidike und Küstenstriche in
Kleinasien zurück. Erst 1420
konnte Mehmed I. die osmani-
sche Herrschaft in Anatolien
wiederherstellen.
Timurs Sieg bescherte By-
zanz eine Atempause, die fast
zwei Generationen währte. Ge-
gen das Heer der inzwischen
etablierten osmanischen Groß-
macht hatte es bei der finalen
Belagerung 1453 jedoch keine
Chance mehr.

Stanisław Chlebowski:
Sultan Bajazyt von
Tamerlan eingekerkert
(1878) A

ls sich Archäologen an-
schickten, neben be-
rühmten Palästen und
Heiligtümern ganze antike
Stadtanlagen auszugraben,
machten sie eine merkwürdige
Entdeckung. In zahlreichen rö-
mischen Städten stießen sie auf
stuhlhohe Steinplatten mit ring-
förmigen Löchern, die stets zur
gleichen Seite hin eine Öffnung
aufwiesen.

VON FLORIAN STARK

Vor hundert Jahren wurden
diese Konstruktionen als Halte-
rungen für Amphoren gedeutet
oder als besondere Bäder, deren
Dampf durch die Schächte gelei-
tet wurde. Tatsächlich handelte
es sich um öffentliche Latrinen.
„Dass das bewunderte römische
Imperium das Verrichten der
Notdurft als kollektive Veran-
staltung gepflegt haben sollte,
war eine ziemliche Herausforde-
rung für das Kultur- und Ge-
schichtsverständnis wilhelmini-
scher oder viktorianischer Ge-
lehrter“, erklärt der Münchner
Althistoriker Martin Zimmer-
mann in seinem neuen Buch
„Die seltsamsten Orte der Anti-
ke“ (C. H. Beck, 336 S., 22 Euro)
die Fehlinterpretation. Nun ja,
seltsam waren die Orte keines-
wegs, hat man sie doch in vielen
Städten des Römischen Reiches
entdeckt. Aber der gesellschaft-
liche Umgang mit ihnen unter-
schied sich doch erheblich von
den Toiletten unserer Tage.
Latrinen dienten nämlich
nicht zuletzt der sozialen Dis-
tinktion. Das zeigte zum einen
ihre nicht selten luxuriöse Aus-
stattung und ihre Anbindung an
Häuser und ganze Anlagen mit
ähnlich hohem Standard. In der
Villa des Kaisers Hadrian bei Ti-
voli hat man nicht weniger als
134 Toiletten gezählt, die eine re-
gelrechte Hierarchie aufweisen:
Einzelkabinen für die kaiserli-
che Familie, marmorne Ge-
meinschaftsräume für hoch-
gestellte Gäste, ganze 15 für
das Heer der Diener und Skla-
ven im Wirtschaftstrakt.
„Für sozial Höherstehende
war der Anblick rangtieferer
Personen beim Toilettengang
beleidigend“, folgert Zim-
mermann. „Hingegen war es
fffür die hohen Herren keinür die hohen Herren kein
Problem, wenn sie von Unter-
gebenen auf der Latrine gese-
hen wurden.“ (Was im Übri-
gen auch für den Sex galt, wie
in der TV-Serie „Rom“ so
wwwunderbar ausgeführt wor-underbar ausgeführt wor-
den ist.)
Auf den Toiletten blieb man
unter sich und konnte die Zeit
folglich zu philosophischen
Diskursen oder schmutzigem
Tratsch nutzen. Vor allem
aber pflegten Männer der bes-
seren Kreise den Ort körperli-
cher Entleerung, um wirt-
schaftliche Geschäfte und po-

litische Pläne zu besprechen.
Zur Fortsetzung des Gesprächs
eigneten sich die oft nahe gele-
genen Thermen.
Das mag auf die prachtvollen
Latrinen zugetroffen haben, die
sich in der wohlhabenden Ha-
fffenstadt Salamis auf Zypern er-enstadt Salamis auf Zypern er-
halten haben, die Zimmermann
als Beispiel anführt. Wasserlei-
tungen spülte Urin und Kot
fffort, den Rest erledigten Arbei-ort, den Rest erledigten Arbei-
ter oder Sklaven der koprologoi
(((von von kopros, Scheiße), wie die
einschlägigen Unternehmer ge-
nannt wurden, die für ihre
Dienstleistungen sogar Steuern
entrichten mussten, zumindest
wenn ihr Urin zum Reinigen
oder Gerben eingesetzt wurde.
Als der Kronprinz Titus deswe-
gen seinem Vater, dem Kaiser
VVVespasian, Vorhaltungen mach-espasian, Vorhaltungen mach-
te, der daranging, den Schulden-
berg seines Vorgängers Nero ab-
zutragen, winkte der mit dem
Hinweis ab, dass Geld nicht
stinke.
Das taten dagegen die milieu-
starken Bezirke der antiken
Städte. Denn öffentliche Latri-
nen gab es keineswegs für jeder-
mann. Die meisten Einwohner
des Imperiums mussten sich mit
Nachttöpfen und Amphoren be-
helfen oder hatten Zugang für
schlichte Sammelklos ohne Was-
serspülung.
Immerhin achteten die Obrig-
keiten auf die Folgen, wie zahl-

reiche einschlägige Erlasse bele-
gen. Da wurde Leuten, die sich
zwischen öffentlichen Gebäu-
den oder Friedhöfen erleichter-
ten, Prügel oder Geldstrafen an-
gedroht. Kaiser Claudius soll so-
gar ein Gesetz erwogen haben,
das das Furzen in seiner Gegen-
wart verbot. Überhaupt scheint
die Schamschwelle der cacatores
gering gewesen zu sein, schreibt
Zimmermann. Exkremente ver-
wandelten ganze Flüsse mitun-
ter in stinkende Sümpfe. Vom
Verbot der Wagenbenutzung bei
Tage waren die stercorarii(die
zum Kot Gehörigen) ausgenom-
men, um die Last zügig aus der
Stadt zu bekommen.
Die Etablierung der Bedürf-
nisanstalten als Orte des sozia-
len Austauschs und der Distink-
tion fand ihre Entsprechung in
einem umfangreichen medizini-
schen und hygienischen Diskurs
über den Stuhlgang. „In der
Prachtlatrine war die ange-
strengte und hörbare Entlee-
rung ... erwünscht“, schreibt
Zimmermann. Ärzte gaben Rat-
schläge gegen Durchfall oder
Verstopfung. In einer Latrine in
Ephesos mahnte eine Inschrift:
„Scheiße aus dem Innersten und
erfreue deinen Geist, es möge
dich dein Bauch nie betrüben,
wenn du in mein Gemach ein-
trittst.“
Dabei versicherte man sich
auch der Autorität großer Philo-
sophen. Mehrere ihrer Porträts
schmückten eine Latrine in
Roms Hafenstadt Ostia. Neben
dem Konterfei des Atheners So-
lon steht: „Um gut zu kacken,
streichelte Solon seinen Bauch.“
Und ein anderes Graffito lehrt:
„Freund, du vergisst das Sprich-
wort: Kacke gut und scheiß auf
die Ärzte.“

TNeue Geschichte aus der
Geschichte lesen Sie täglich auf:
http://www.welt.de/geschichte

„In der Prachttoilette war


hörbare Entleerung erwünscht“


In vielen Städten des
Römischen Reiches
haben sich aufwendige
Latrinen erhalten.
Sie dienten als Orte
sozialer Distinktion

und des politischen
Austauschs

„Kacke gut und scheiß auf die Ärzte“: römische Latrine in Ephesos

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en Ankara, auf den Gegner
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