Die Welt Kompakt - 22.07.2019

(avery) #1
eingesperrt. Die Bedingungen
dort sind katastrophal. Die Men-
schen sind auf engstem Raum zu-
sammengepfercht, es gibt keinen
Zugang zu sanitären Anlagen,
keine medizinische Betreuung.
Wer einmal drin ist, kommt nicht
wieder raus – es sei denn, er zahlt
für den Weg nach draußen.

Ist die Situation vergleichbar
mit der in anderen Flüchtlings-
lagern – etwa denen auf den
griechischen Inseln?
Nein, definitiv nicht. Es ist viel
schlimmer. Die Lager in Libyen
sind keine Lager im eigentlichen
Sinn. Es sind Haftzentren, aus
denen die Menschen nicht fliehen
können, auch nicht, wenn sie zum
Beispiel in ihre Herkunftsländer
zurückkehren wollen. Wir wissen
von Folter und Menschenhandel
in einigen dieser Gefängnisse. Es
gibt immer wieder Berichte da-
von, dass Migranten als Sklaven
weiterverkauft werden. Die Aus-
beutung der Menschen ist ein Ge-
schäftsmodell für einige der Mili-
zen im Land. Es ist eine sehr dra-
matische Situation, die uns viel
stärker alarmieren sollte, als das
bislang der Fall ist.

Kommen die Menschen, die
nach Europa fliehen, aus diesen
Haftzentren?
Oft landen Migranten in den
Haftzentren, nachdem sie bereits
einmal versucht haben, das Mit-
telmeer zu überqueren. Sie wur-
den von der libyschen Küstenwa-
che aufgegriffen und dann in
Haft genommen. Ich vermute,
dass sich diejenigen, die sich frei-
kaufen können, erneut auf den
Weg nach Europa machen. Sie
haben keinen Aufenthaltsstatus
in Libyen und laufen Gefahr, er-
neut aufgegriffen zu werden.

Die deutsche Kapitänin Carola
Rackete hat die EU aufgefor-
dert, eine halbe Million Men-
schen aus Libyen zu retten.
Schließen Sie sich der Forde-
rung an?

Nicht alle der 650.000 Migran-
ten, die sich derzeit in Libyen
aufhalten, wollen nach Europa.
Es sind auch nicht alle solch aku-
ten Menschenrechtsverletzun-
gen ausgesetzt, wie wir sie in den
Haftzentren vorfinden. Aber die-
jenigen, die nach internationa-
lem Recht Flüchtlinge sind, müs-
sen schnell evakuiert werden.
Die Evakuierung muss nicht aus-
schließlich nach Europa erfolgen.
Auch andere Länder haben Hilfe
angeboten, zum Beispiel Kanada.

Wie viele Menschen in Libyen
sind nach internationalem
Recht schutzbedürftig?
Es ist eine vergleichsweise kleine
Zahl. Wir gehen davon aus, dass
ein paar Zehntausend Migranten

in Libyen Anrecht auf internatio-
nalen Schutz haben. Es ist abso-
lut notwendig, dass dieser Schutz
schnell gewährt wird. Aber auch
um die anderen Migranten in Li-
byen muss sich die internationale
Gemeinschaft kümmern. Es ist
notwendig, dass die Menschen
mit Dokumenten ausgestattet
werden, damit sie ein Mindest-
maß an Sicherheit haben. Wenn
sich die Situation in Libyen be-
friedet, können viele von ihnen
wieder Arbeit vor Ort finden. Es
ist deswegen gar nicht sinnvoll,
alle Migranten nach Europa zu
evakuieren. Libyen braucht einen
Teil der Arbeitskräfte für den
Wiederaufbau.

Ihre Organisation hilft Migran-
ten in Libyen dabei, in ihre Hei-
mat zurückzukehren. Wie viele
nehmen das Angebot an?
Wir haben seit 2017 rund 40.
Menschen im Rahmen von frei-
willigen humanitären Rückkehr-
programmen unterstützt. Wir
helfen bei der Rückreise und bei
der Reintegration in der Her-
kunftsregion. Das ist ein wichti-
ges Instrument, um die Situation
in Libyen zu entspannen. Leider

S


eit Anfang des Jahres
wanderten mehr als
30.000 Menschen irre-
gulär über das Mittel-
meer nach Europa ein, knapp 700
Personen ertranken bei der
Überfahrt. Für den Mittelmeer-
raum ist bei der Internationalen
Organisation für Migration
(IOM) Federico Soda zuständig.
Die zwischenstaatliche Organisa-
tion zur Steuerung weltweiter
Migration ist seit 2016 an die Ver-
einten Nationen angegliedert.
Soda sitzt in Rom und arbeitet
sowohl mit der EU als auch mit
der italienischen Regierung zu-
sammen.

VON RICARDA BREYTON

WELT: Herr Soda, wer ist ver-
antwortlich für die verfahrene
Lage im Mittelmeer?
FEDERICO SODA: Es ist jeder für
die Misere verantwortlich, der
sich nicht um eine Verbesserung
der Situation in Libyen bemüht.
Libyen ist ein Land, das traditio-
nell viele Gastarbeiter aus den
Nachbarstaaten und Westafrika
angezogen hat. Viele haben jah-
relang dort gearbeitet und hatten
nie den Wunsch, nach Europa zu
kommen. Doch der Bürgerkrieg
hat die Situation dramatisch ver-
ändert. Viele Migrantinnen und
Migranten haben ihre Arbeit ver-
loren und suchen anderswo nach
Möglichkeiten. Andere haben
sehr schlimme Erfahrungen mit
Ausbeutung und Missbrauch ge-
macht und sehen keine andere
Chance, als über die Mittelmeer-
route nach Europa zu fliehen.

Deutsche Diplomaten berichten
von „KZ-ähnlichen Verhältnis-
sen“ in einigen Flüchtlingsla-
gern. Können Sie das bestätigen?
Ja, das kann ich bestätigen. Diese
Informationen beruhen zum Teil
auf unseren eigenen Berichten.
Nach unseren Schätzungen be-
finden sich rund 650.000 Mig-
ranten in Libyen, davon sind et-
wa 6000 in den 26 Haftzentren

Die humanitäre Katastrophe in Libyen


alarmiert den Mittelmeerbeauftragten


der Internationalen Organisation für


Migration. Zugleich widerspricht er


aber „Sea Watch 3“-Kapitänin Rackete


POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,22.JULI2019 SEITE 4


BERLIN

Linke dringen
auf Böllerverbot

Die Koalitionsfraktionen im
Berliner Abgeordnetenhaus
dringen auf rasche Schritte des
Senats zur Einschränkung der
Silvesterknallerei. „Das vom
Innensenator angekündigte
Böllerverbot in einigen Be-
reichen muss jetzt wirklich
auch auf den Weg gebracht
werden“, forderte der Linke-
Abgeordnete Michael Efler.
Schließlich brauche das Vor-
haben Vorlauf. Zudem müsse
das Ganze mit einer Informati-
onskampagne flankiert werden,
um die Menschen über den
Sinn der Regelungen zu infor-
mieren.

WIEN

Kurz-Mitarbeiter soll
Daten zerstört haben

Im Zusammenhang mit der
Ibiza-Affäre hat die österrei-
chische Justiz Ermittlungen
gegen einen ehemaligen Mit-
arbeiter von Ex-Kanzler Sebas-
tian Kurz (ÖVP) wegen Ver-
nichtung von Beweismitteln
ins Visier genommen. Der
Verdächtige habe wenige Tage
nach dem Bekanntwerden der
Affäre um Ex-Vizekanzler
Heinz-Christian Strache
(FPÖ) einen Datenträger aus
dem Kanzleramt zerstören
lassen, berichtete der „Kurier“.
Der Ex-Mitarbeiter habe am


  1. Mai, wenige Tage vor dem
    Misstrauensvotum gegen Kurz
    im österreichischen Parla-
    ment, unter falschem Namen
    eine Druckerfestplatte von
    einer externen Firma zer-
    stören lassen.


ISRAEL

Netanjahu überholt
Ben Gurion

Israels Regierungschef Benja-
min Netanjahu ist der am
längsten amtierende Minister-
präsident Israels seit der
Staatsgründung. Mit einer
Amtszeit am Samstag von
insgesamt 4876 Tagen, mehr
als 13 Jahren, überholte er
Staatsgründer David Ben Guri-
on, wie das Israelische Demo-
kratie-Institut (IDI) mitteilte.
Netanjahu war bereits von 1996
bis 1999 Ministerpräsident und
ist seit 2009 durchgängig im
Amt. Zum Vergleich: Bundes-
kanzlerin Angela Merkel
(CDU) war demnach am Sams-
tag 4988 Tage im Amt. Der
bisherige Rekordhalter, Israels
erster Ministerpräsident David
Ben Gurion (1886–1973), wird
als „Vater der Nation“ verehrt.
Der charismatische Staats-
gründer regierte von 1948 bis
1953 und von 1955 bis 1963.

KOMPAKT


REUTERS

/ ISMAIL ZITOUNY

FFFederico Sodaederico Soda

FAO/ CARLO PERLA

„Nicht sinnvoll,Nicht sinnvoll,


alle Migrantenlle Migrantenlle Migranten


nach Europa zuach Europa zuach Europa zu


evakuieren“


РЕЛИЗ

Der charismatische Staats-

РЕЛИЗ

Der charismatische Staats-
gründer regierte von 1948 bis
РЕЛИЗ

gründer regierte von 1948 bis
1953 und von 1955 bis 1963. 1953 und von 1955 bis 1963. РЕЛИЗ

ПОДГОТОВИЛА

tag 4988 Tage im Amt. Der

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tag 4988 Tage im Amt. Der
bisherige Rekordhalter, Israels

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bisherige Rekordhalter, Israels
erster Ministerpräsident David

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erster Ministerpräsident David
Ben Gurion (1886–1973), wird

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Ben Gurion (1886–1973), wird
als „Vater der Nation“ verehrt.
ПОДГОТОВИЛА

als „Vater der Nation“ verehrt.
Der charismatische Staats-Der charismatische Staats-ПОДГОТОВИЛА

ГРУППА

kanzlerin Angela Merkel

ГРУППА

kanzlerin Angela Merkel
(CDU) war demnach am Sams-
ГРУППА

(CDU) war demnach am Sams-
tag 4988 Tage im Amt. Dertag 4988 Tage im Amt. DerГРУППА

"What's News"

bisherige Rekordhalter, Israels

"What's News"

bisherige Rekordhalter, Israels
erster Ministerpräsident David

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erster Ministerpräsident David
Ben Gurion (1886–1973), wird

"What's News"

Ben Gurion (1886–1973), wird
als „Vater der Nation“ verehrt.
"What's News"

als „Vater der Nation“ verehrt.
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VK.COM/WSNWS

erster Ministerpräsident David

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erster Ministerpräsident David
Ben Gurion (1886–1973), wird

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Ben Gurion (1886–1973), wird
als „Vater der Nation“ verehrt.

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als „Vater der Nation“ verehrt.
Der charismatische Staats-
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Der charismatische Staats-
gründer regierte von 1948 bisgründer regierte von 1948 bisVK.COM/WSNWS
1953 und von 1955 bis 1963.

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1953 und von 1955 bis 1963.
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