Süddeutsche Zeitung - 22.07.2019

(Darren Dugan) #1
Sonntagabend,einBandcontestimBack-
stage.NurnochwenigeMinutenbiszum
Auftritt.DievierMitgliederderMünchner
BandTYDES(FOTO: PRIVAT)formierensich
zumletztenGet-TogethervorderShow.
FrontmannJerrylZollingerschwörtdie
Bandein:„Jungs,wirsolltenunsmaldamit
beschäftigen:Wasist,wennwirgnadenlos
ausgebuhtwerden?“DemKleidungsstil
derZuhöreristanzusehen:DasPublikum
bestehthauptsächlichausFanshärterer
Musik.JerrylsBefürchtungwäreunberech-
tigt,würdeseineBandgleich–wiediemeis-
tenihrerMitbewerber–mitschwerenGi-
tarrendieBühnezumBebenbringen.Doch
TYDESspielenFunk.
Dervon„Godfather“JamesBrownin
denSechzigerjahrenerfundeneStilistsoet-
waswiedieChilischoteunterdenmusikali-
schenGenres.InseinerReinformzwarwür-
zig,abergeschmacklichfad,kannnahezu
jedesandereGenremiteinerPriseFunk
aufgepepptwerden.InderdamaligenPop-
musikkamderStilsehrschnellan:Esent-
standdieDisco-MusikderSiebzigerjahre
mitsouligenStimmen,four-to-the-floor-
BassdrumundmassivenStreicherarrange-
ments.SpätermischtendieRedHotChili
PeppersdenFunkmitRockmusikundma-
chendurchihrenBandnamendieAnalogie
perfekt.ProduzentenwieDaftPunkoder
dasamerikanisch-kanadischeDuoChro-

meointegriertenFunkinihreelektroni-
schenProduktionen.EineneueStrömung
gibtesaktuellzubeobachten.Bandswie
TwoDoorCinemaClubundParcelskombi-
nierendenStilzusätzlichmitElementen
desIndie.
JededergenanntenBandshatihreSpu-
renhinterlassenimSoundderTYDES.
Dennauchdiesebezeichnensich„nichtals
reineFunkband.Wirsindeinguter,gesun-
derMixunddadurchkönnenwirdasauch
soguttransportieren“,beschreibtSänger
JerryldenStildesQuartetts.Siebedienen
sichderfour-to-the-floor-Bassdrumund
demals„chanking“bezeichnetenluftigen
Gitarrenschlag,derinnahezuallenmit
FunkverwandtenGenreszufindenist.Der
Synthesizerwirdstaccatogespielt,die
schwebendenPadserinnernanChromeo,
DaftPunkundPop-ProduktionenderAcht-
zigerjahre,währenddieBasslinesprimär
demIndieentnommenscheinen.
DieKombinationalldieserElemente
sorgtinderMusikderTYDESvorallemfür
eines:Tanzbarkeit.„Wirsindkeinebeson-
dersernsteBand,wasInhaltangeht“,er-
klärtBassistManuelMeyer,„wirverarbei-
tennichtunsereschwierigenKindheiten.
EsgehteherumpositiveSachen,schon
zumTeilkritischeThemen,aberimmerpo-
sitivverpackt.“SchlagzeugerJohannes
Wernerergänzt:„UnserZielist,dieLeute

zuunterhalten,damitsiesichbewegen.“
Auchdadurchgehensiekonformmitder
TraditiondesFunksundderDisco:unpoli-
tisch,mehrgroove-alstextfokussiertmit
demZiel,imPublikumfürguteLaunezu
sorgen.
SeitguteinemJahrgibtesdieTYDESin
ihreraktuellenBesetzung.DavorwarenJer-
ryl,ManuelundJohannesdreiJahrelang
miteinemzweitenGitarristenunterdem
NamenZebrathoughtalsklassischeRock-
bandunterwegs.MitdemEinstiegdesKey-
boarderDominikLochkamdieUmorientie-
rungimSound–hinzumDisco-ange-
hauchtenKlangderTYDES.SchondreiMo-
natenachGründungveröffentlichensieih-
reersteEP„Melodies“,diekomplettinEi-
genregieproduziertist.
DieSongsentstehenmeistausgemein-
samenJamsimProbenraum.„DerPoolan
Jam-Mitschnittenistsogroß“,sagtJohan-
nesundlacht,Jerrylergänzt:„ImMoment
sindwireinecooleIdea-Factory.“Ausdie-
serIdeenfabriksollenindiesemJahrnoch
dreineueSinglesentspringen,einersterRe-
lease-TerministfürEndeAugustgeplant.
IhrnächsterLive-Auftrittistam23.August
imMünchnerAloft-Hotel.Undwerweiß,
vielleichtgesellensichjawiedereinpaar
Metal-FansuntersPublikum.Beidenen
kamderTYDES-SoundamEndedochuner-
wartetgutan. 

Stil:Pop,Funk,Disco
Besetzung:JerrylZollinger(Vo-
cals,Gitarre),ManuelMeyer(Bass,
Vocals),DominikLoch(Keyboard,
Vocals),JohannesWerner(Schlag-
zeug,Vocals)
Aus:München
Seit: 2018
Internet:www.tydes.de

TYDES


BANDDERWOCHE


Orientierung


Prüfungsstress,SelbstzweifelundAn-
triebslosigkeit–sobeschreibenvieleStu-
dentenihremomentaneSituation.Atilla
Hamarat,23,hatnacheigenenAngaben,
dafüreineLösunggefunden.Mitseinem
Podcast„Visionati“möchteerjungenMen-
schenhelfen,dievorgroßenHerausforde-
rungenundOrientierungssucheimLeben
stehen.SeitAnfangdiesenJahresprodu-
ziertervonzuHauseauseigenePodcasts,
indenenerInterviewsführtundRatschlä-
gezurOrientierungsfindunggibt.Seiner
Beobachtungnachsindinderprimärleis-

tungsorientiertenGesellschaftAchtsam-
keitundMeditationsowichtigwienie.„Vi-
sionati“solldenAlltagentschleunigenund
einekleineAchtsamkeitsinselfürdieHö-
rersein.Etwa40Folgensindaufdenver-
schiedenstenStreamingplattformen
schonzuhören.WeitereFolgensowieZu-
sammenarbeitenmitanderenPodcastsfol-
gen. 

Haltung


GroßeEhrefürdieausMünchenstammen-
deRapperinEbow.EbruDüzgün,wiedie
Musikerinheißt,warkürzlichzuGastbei
derSendungYo MTV Raps.Daseinstige
Hip-Hop-FormatdesMusiksendersaus
denAchtzigerjahrenwurdeimMärz2019
neugestartet.„Ichglaube,alsTeenager
warfürmichnichtskrasser,alseinesTa-
gesbeiMTVGermanydabeizusein“,
schreibtdieRapperinaufihrerFacebook-
Seite.JetzthatsichihrWunscherfüllt.„Au-
ßermeinenengstenFreundenundFreun-
dinnenweißwahrscheinlichniemand,wie
sehrichseitzehnJahrenhustle,umein-
fachmeineneigenenStylealsFrauimRap
durchziehenzukönnen“,schreibtsie.Und:
„IchbinjederPerson,dieanmichglaubt
undmichunterstützt,sodankbar,weilihr
mirermöglicht,indieserIndustrieich
selbstzusein.“ 






D


erAmbient-FlooraufdemMonticu-
le-Festivalistals„NoDanceArea“
deklariert:AufdemBodenliegen
TeppicheundKissen,dasDJ-Pultist
knappeinenMeterhoch,dahinterstehtei-
neCouch.DieBesucherliegenherum.Rau-
chen.Unterhaltensich.Entspannenzuden
dahinplätscherndenKlängenderMusik.
RosaLuckow,23,undHannahWeiss,26,
dieinwenigenMinutendasDJ-Pultüber-
nehmensollen,sindmitdiesemSet-up
nichtzufrieden:zuwenigEnergie.Die
Couchschiebensienachhinten,dasPulter-
höhensiemiteinpaarGetränkekistenso,
dasssiedahinterstehenkönnen.Dannsind
siebereitfürihrenAuftritt.
ZweiStundenspäter,zumEndeihresDJ-
Sets,istdieTanzflächebrechendvoll.Die
MenschenbildeneinetobendeMasse–sie
johlen,klatschen,wollenmehr.Dasprovi-
sorischerhöhtePultmüssenHannahund
Rosaimmerwiederverschieben,sosehr
drängensichdieTanzendeninihreRich-
tung.AufeinemfünftägigenFestival,das
sichmitvieleninternationalbekannten
DJsimLine-uprühmt,habenHannahund
RosadasSetgespielt,dasallenimGedächt-
nisbleibenwird:einTrance-undEurodan-
ce-Set.AufdemAmbientFloor.
AusgerechnetEurodance.DasGenreer-
lebteMittederNeunzigerjahreseinenHö-
hepunkt.Hitswie„RhythmIsaDancer“
vonSnap!oder„WhatIsLove“vonHadda-
wayführtendieChartsan.ImFernsehen

sahmanvieleNeon-Stirnbänder,Inline-
skatesundMännerinlächerlichenRaum-
fahreranzügen.NachheutigerAnsichtvie-
lerMusikkennergehörendiepopkulturel-
lenErrungenschaftenvondamalsaufden
MüllhaufenderMusikgeschichte.
DasGegenteilistderFall:Seiteinpaar
Jahrenwirdausgegrabenundrecycelt,die
StarsvonfrüherstehenwiederaufderBüh-
neundheizenNeunzigerjahre-Nostalgie-
Partysan.DochhinterdemSetvonHannah
undRosastecktmehr.

DieseitjehermännlichdominierteDJ-
SzeneinMünchenhatsichindenvergange-
nenJahrengewandelt:SieisteinStück
weiblichergeworden–unddamitverän-
dertsichauchdieMusik,dieaufPartysund
Festivalszuhörenist.„HannahundRosa
habenaufparadoxeWeiseeinenVorteil“,
sagtJulianBorngräber.Der28-Jährige
kenntdiebeidenFrauenschonlänger.Er
legtbereitsseitmehralszehnJahrenauf,
seitknappdreiJahrenisteralsDJPeeBee
beidemMünchnerOnline-SenderRadio
80000,beidemauchHannahundRosaei-
geneShowshaben.„DieHürde,dieFrauen
aufgrundvonGeschlechterstereotypen
überwindenmüssen,umüberhauptaufzu-
legen,istvielhöheralsfürdiemeistenMän-
ner“,sagtJulian.EinSetwieHannahund

Rosazuspielen,sagter,„hätteichmich
nichtgetraut“.ErhatdafüraucheineErklä-
rung:„IstdieHürdeaberersteinmalüber-
wunden,fälltesauchleichter,nocheinbiss-
chenweiterzugehen,zuexperimentieren.“
Radio80000spieltindieserEntwick-
lungeinewichtigeRolle.AmandaStach,
26,istseitderGründung2015dabeiund
legtseitAnfanganMusikauf.„DasRadio
isteinetollePlattform“,sagtAmanda.Wäh-
rendesvorvierJahrennureineLiveshow
amTaggab,sindesheuteoftmalsbiszu
sechs.DiebeidenGründerFelixFlemmer
undLeoBauerhabensichvonAnfanganbe-
müht,sovieleFrauenwiemöglichinsPro-
grammzuholen.„FelixundLeohabenes
geschafft,einenOrtzuschaffen,beidem
mansichnichtsosehralsMädelvor-
kommt,sondernalsTeilvoneinemgroßen
Ganzen“,sagtAmanda.Bevorsiemitihrer
ShowbeiRadio80000begann,hattesiekei-
neErfahrungalsDJ.VorzweiWochendurf-
tesiebeiderlegendärenEventreihe„Boiler
Room“spielen–eineEhre,vonderjeder
ambitionierteDJträumt,dieabernursehr
wenigenzuteilwird.
„OhnedasRadiowäredassichernichtso
einfachgegangen“,sagtHannahüberdas
Monticule-Set.ZusammenmitRosasitzt
sieaufeinerBierbankvordemRa-
dio-80000-StudioimContainerCollective
amOstbahnhof.Sorichtigverstandenha-
bensieselbstnochnicht,wasbeidemAuf-
trittloswar,alsplötzlichalleaufdemruhi-
genAmbient-Floorzutanzenbegannen.
„MichhatdasschonMutgekostet“,sagt

Hannah.„IchhattewirklichkeineAhnung,
obdasankommenwürde.“Siemachtgera-
deihrenMasteranderMusikhochschulein
München.Jazz-Gesang.AuchinihrerSen-
dungspieltsiemeistensJazz–eineLeiden-
schaftfürelektronischeMusikhatsie
schonimmer.„Fürmichergänzensichdie
beiden“,sagtHannah.Sieträgteinkurzes,
hellblauesTop,schwarzePlateausandalen,
inihrerechteAugenbrauehatsiesicheine
kleineKerberasiert.
Rosa–schwarzesTanktop,klobigeTurn-
schuhe,diebreite,transparenteSonnen-
brilleindieHaaregeschoben–studiertMe-
dizin.ImGesprächwipptsieimmerwieder
mitdemganzenKörper.Immerdann,
wennsiederBeatausdemStudiopackt,
derimHintergrundzuhörenist.Sielächelt
indiesenMomenten.

„VielleichthabenwirdenVorteil,dass
wireinegewisseLeichtigkeitmitbringen“,
sagtRosa.„IchsuchemeineMusikaus,oh-
neirgendeineAhnungzuhaben,wasals
schlechtodergutgilt.“Undtatsächlichwar
dasSetderbeidenweitdavonentfernt,ein
ironischerAbrissüberdieMusikderNeun-
zigerjahrezusein.DereineoderandereEu-
rodance-Klassikerwarzwardabei,imMit-
telpunktdesSetsstandjedochkomplexer,
eherunbekannterTrance.

„VieleDJsmeinen,besondersclub-
freundlichauflegenzumüssen“,sagtJuli-
an.„DadurchwirddieMusikprimärnach
Geschwindigkeitausgesucht,wasschnell
monotonwird.“EinProblem,vondemviele
Frauenwenigerbetroffensind,sagtzumin-
destJulian:„DahabeichdasGefühl,dass
esersteinmalnurumdieMusikgeht.“Sein
Fazit:StehteineFrauhinterdemDJ-Pult,
istdieWahrscheinlichkeithoch,dassdie
Musikauswahldiverser,mutigerist.
SophiePschorr,22,isteingutesBeispiel
dafür.AuchsiehateineeigeneShowbeiRa-
dio80000.Dortspieltsiehauptsächlich
MusikausdenAchtzigerjahren:vielSynthe-
sizer,NewWave,Post-Punk.Fragtmansie,
wiesiealsDJmitdieserMusikankommt,
musssielängerüberlegen.Undkommt
dannzudemSchluss,dasssiesichdarüber
nochnieGedankengemachthat.„DasTol-
leamRadio80000ist,dassessovieleunter-
schiedlicheShowsmitsounterschiedlicher
Musikgibt“,sagtSophie.„DieLeute,die
meineMusikmögen,hörenmeineSen-
dung–undfüralleanderengibtesebenei-
neandere.“
WährendeslangsamFortschritteinder
DiversitäthinterdenDJ-Pultsgibt,sinddie
Veranstalter,dieBookerunddieOrganisa-
torenfastimmernachwievormännlich.
„DieClubsinMünchenkönnteneinbiss-
chenmehrdaraufachten,lokaleDJszupu-
shen“,sagtAmanda.„Schließlichsindes
nichtdieexternenStar-Bookings,diedas
NachtlebenineinerStadtausmachen,son-
derndieMenschen,diehierleben.“

RosaLuckow,HannahWeiss,SophiePschorrundAmandaStach(vonlinks)habenihreeigenenMusiksendungenbeiRadio80000. FOTOS: FELIXFLEMMER (2), ROSA LUCKOW, RUE NOUVELLE

Lassmichmalran


VieleDJsinMünchensindmännlich,obwohldieMusik-Szeneweiblichergewordenist.Radio80000gibtvielenFraueneinePlattform,diedadurcherstdenMutaufbringen,
beiShowsaufzulegen.ErstkürzlichhabenRosaLuckow,23,undHannahWeiss,26,dasMonticule-Festivalaufgemischt.WasmachensieandersalsMänner?

EinSetwieHannahundRosa
zuspielen,sagtDJPeeBee,
„hätteichmichnichtgetraut“

LegteineFrauauf,istdie
Wahrscheinlichkeithoch,dass
dieMusikauswahldiverserist

Münchenlebt.VielejungeMenscheninder
StadtundimUmlandverfolgenaufregende
Projekte,habeninteressanteIdeenundkön-
nenspannendeGeschichtenerzählen.Aufdie-
serSeitewerdensieMontagfürMontagvorge-
stellt–vonjungenAutorenfürjungeLeser.
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„DieHürde,dieFrauen
aufgrundvon
Geschlechterstereotypen
überwindenmüssen,um
überhauptaufzulegen,ist
vielhöheralsfürdie
meistenMänner“,sagt
JulianBorngräber.
FOTO: RADIO 80000

NEULAND


JUNGE LEUTE


R4 (^) JUNGE LEUTE Montag, 22. Juli 2019, Nr. 167 DEFGH
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