„Es geht darum, Krieg zu verhindern.
Darauf sind alle Bemühungen mit den
europäischen Partnern und den Staaten
der Region gerichtet.“
Heiko Maas, Bundesaußenminister (SPD), zur Lage am
Persischen Golf
Worte des Tages
CDU
Schlechte
Verteidigung
D
ie neue Verteidigungsminis-
terin hat am Samstag die
Hitler-Attentäter des 20. Juli
gewürdigt und sich gleichzeitig vom
größten Fehler ihrer Vorgängerin
distanziert. Ursula von der Leyen
hatte der Bundeswehr ein „Hal-
tungsproblem“ attestiert. Damit hat
Annegret Kramp-Karrenbauer den
größten Fettnapf auf dem Weg ins
Kanzleramt gleich zu Beginn ihrer
Amtszeit als Ministerin zur Seite ge-
räumt.
Bei der Frage, warum sie als CDU-
Vorsitzende entgegen vorheriger
Bekundungen doch Teil der Regie-
rung geworden ist, begibt sich die
56-Jährige allerdings aufs Glatteis.
Die Lage habe sich geändert, beteu-
ert sie und nennt als Beispiel die
fragile Situation der Großen Koaliti-
on. Ehrlicher wäre zu sagen, dass
die eigene Lage alles andere als gut
ist: Kramp-Karrenbauer führt zwar
seit nunmehr sieben Monaten die
CDU. Trotzdem trauen ihr die Deut-
schen kein Regierungsamt zu. Ihre
vielen Ministerposten im Saarland
haben offenbar die wenigsten in Er-
innerung behalten. Nur der Erfolg
in der Exekutive des Bundes, so lau-
tet der Befund im AKK-Lager, si-
chert ihr den Erstzugriff auf die
Kanzlerkandidatur.
Die neue Ministerin leugnet die-
sen Zusammenhang, was bedauer-
lich ist, weil diese Aussagen
schlicht unglaubwürdig wirken.
Selbst die Kanzlerin deutet an, ihr
helfen zu wollen, indem sie sich für
einen steigenden Wehretat ein-
setzt. Kramp-Karrenbauer kann al-
so als Ministerin aus dem Vollen
schöpfen, um Widersacher wie den
Ministerpräsidenten von Nord-
rhein-Westfalen, Armin Laschet,
oder den ehrgeizigen Bundesge-
sundheitsminister Jens Spahn abzu-
schütteln. Dass sie als Verteidi-
gungsministerin auch die (Noch-)
Kernthemen der CDU-Klientel –
Sicherheit und Verteidigung – ver-
körpert, ist ein angenehmer Ne-
beneffekt.
Kramp-Karrenbauer strebt selbst-
verständlich auch an die Macht. Da-
zu muss sie aber erst einmal ihren
eigenen Niedergang und den ihrer
Partei in den Meinungsumfragen
stoppen.
Annegret Kramp-Karrenbauer
muss mitregieren, um Kanzlerin zu
werden. Das zu leugnen ist
unglaubwürdig, sagt
Daniel Delhaes.
Der Autor ist Korrespondent in
Berlin.
Sie erreichen ihn unter:
D
ie vergangenen Wochen, in denen in
Großbritannien die beiden Kandidaten
für das Amt des Premierministers
quer durchs Land reisten und um
Wähler buhlten, haben eines klar ge-
zeigt: Im Vereinigten Königreich ist der Trumpismus
eingekehrt. Die Briten sind frustriert vom Brexit.
Aber die Schlussfolgerung vieler ist nicht, den EU-
Ausstieg abzusagen. Sie wollen, befeuert von Brexit-
Hardlinern und dem jahrzehntelangen Schimpfen
der britischen Elite auf die EU, „endlich raus“. Wel-
che Folgen das hat? Interessiert nicht mehr. In der
Diskussion um den Brexit geht es schon lange nicht
mehr um Fakten.
Viele Briten wollen Ex-Außenminister Boris John-
son und seinen Brexit – ganz egal, welche Konse-
quenzen das hat. Es ist eine klare Form von Trum-
pismus. Die Menschen wünschen sich einen, der auf
den Tisch haut. Es ist in der öffentlichen Debatte
kein Platz mehr für nüchterne Nachrichten, Fakten
und langweilige Details. Johnson setzt wie US-Präsi-
dent Donald Trump auf den Frust der Wähler. Und
er hat Erfolg damit.
Nichts beweist das so eindrucksvoll wie ein einge-
schweißter Bückling. Wenn man wissen wolle, wa-
rum Großbritannien aus der EU ausscheiden müsse,
solle man doch nur an diesen Fisch denken, sagte
Johnson auf einer Wahlkampfveranstaltung in Lon-
don, nachdem er einen Räucherhering unter seinem
Pult hervorgekramt hatte. Der Bückling, wetterte er,
den Fisch hin- und herschwenkend, sei von einem
Räucherbetrieb auf der Isle of Man. Der müsse beim
Versand nun einen Coolpack in das Paket legen. Die-
se Vorschrift der Brüsseler Bürokraten habe die Kos-
ten des Betriebs immens erhöht, sie sei sinnlos und
umweltschädlich, schimpfte der Politiker. Wie so oft
kam dieser Schwank bei seinen Anhängern gut an,
Johnson war der Applaus sicher. Doch wie so oft ent-
puppten sich die Behauptungen auch als unwahr: Es
gibt keine EU-Regelung dazu. Die entsprechende
Vorschrift haben die Briten selbst erlassen.
Aber die Wahrheit tut Johnsons Popularität keinen
Abbruch. In dieser Woche wird der 55-Jährige aller
Voraussicht nach zum neuen Premier des Landes er-
nannt.
Er dürfte gleich in seinen ersten Tagen im Amt vor
schwierigen Aufgaben stehen, ironischerweise wird
seine erste Herausforderung aber nicht der Brexit
sein: Nachdem britische Tanker in der Straße von
Hormus vom Iran festgehalten worden sind, droht
die Lage am Golf zu eskalieren. Diesen Konflikt zu
entschärfen erfordert großes diplomatisches Ge-
schick – das Johnson bislang nicht bewiesen hat.
Nur allzu präsent sind den Briten seine unüberleg-
ten Äußerungen über eine Mutter mit iranischem
und britischem Pass, die im Iran im Gefängnis sitzt
und deren Situation durch die Äußerung Johnsons,
sie habe dort Journalisten ausgebildet, noch ver-
schlimmert wurde. Die Folgen einer Eskalation im
Atomstreit mit dem Iran gehen aber über das Schick-
sal dieser Britin weit hinaus. Als die USA vor einem
Jahr den Atomdeal mit dem Iran aufkündigten und
stärkere Sanktionen einführten, schlugen Deutsch-
land, Frankreich und Großbritannien einen anderen
Weg ein. Johnson muss nun eine weitreichende Ent-
scheidung treffen: Wird er auf diesem Weg bleiben
und eine Verschlechterung der Beziehungen zum
US-Präsidenten riskieren? Oder schwenkt er auf die
Linie der USA ein?
In der Vergangenheit hat Johnson davor zurückge-
schreckt, sich gegen Trump zu stellen. Aus gutem
Grund: Will er in den Brexit-Verhandlungen gegen-
über den Europäern Härte zeigen, muss er auf die
Unterstützung der Amerikaner hoffen. Aber der US-
Präsident gilt als ebenso unberechenbar wie Johnson
selbst. Es ist nicht die einzige Parallele: Beide sind
populär, weil sie als „starker Mann“ gesehen werden
und ihre Anhänger eben das gutheißen.
Johnson und die Brexit-Hardliner überschätzen
aber sich und die Stellung des Vereinigten König-
reichs im weltweiten Machtgefüge, wenn sie glau-
ben, nach dem Brexit weiter in der gleichen Liga wie
die USA, China oder eben die EU spielen zu können.
Im Gegensatz zum US-Präsidenten hat Johnson nicht
die Macht der weltgrößten Volkswirtschaft hinter
sich, sondern nur die der fünftgrößten, die darüber
hinaus schon bald mit den Folgen des Brexits zu
kämpfen haben wird. Vor Jahren hatte Johnson ein-
mal gescherzt, dass er mit dem US-Präsidenten ver-
wechselt wurde und dass dieser Tag einer der
schlimmsten seines Lebens gewesen sei. Wer hätte
da gedacht, dass sich die beiden eines Tages poli-
tisch so sehr annähern?
Noch lassen sich Boris Johnsons Anhänger vom
Trump’schen Charisma und dem unerschütterlichen
Selbstvertrauen des Briten blenden. Doch der täte
gut daran, eine vorsichtigere Gangart einzuschlagen,
in den Brexit-Verhandlungen genauso wie im Atom-
konflikt mit dem Iran. Seine europäische Version des
Trumpismus dürfte nicht ausreichen, um seine Zeit
an der Spitze der britischen Regierung zu einem Er-
folg werden zu lassen.
Leitartikel
Trumpismus auf
britische Art
Boris Johnson
scheint nicht
aufzuhalten. Doch
er sollte sich
besser nicht
überschätzen,
warnt Kerstin
Leitel.
Boris Johnson
setzt wie US-
Präsident Do-
nald Trump
auf den Frust
der Wähler. Und
er hat Erfolg
damit.
Die Autorin ist Korrespondentin in London.
Sie erreichen sie unter:
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Meinung
& Analyse
MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138
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