Handelsblatt - 22.07.2019

(sharon) #1

„Deshalb haben wir bereits


die Verteidigungsausgaben


gesteigert und werden das


auch weiter tun.“


Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei
einem öffentlichen Gelöbnis von 400 Soldaten
in Berlin

„Alle Verträge, die wir


unterschrieben haben,


werden wir auch


einhalten.“


Jair Bolsonaro, brasilianischer Präsident,
verspricht im Gespräch mit
Auslandskorrespondenten, das
Klimaschutzabkommen einzuhalten.

Stimmen weltweit


Die Londoner „Sunday Times“ kommentiert den
Tanker-Streit zwischen Großbritannien und
dem Iran:

A


ls am 4. Juli mit Unterstützung der Royal
Navy der iranische Tanker „Grace 1“ vor
Gibraltar aufgebracht wurde, war es kei-
ne Frage, ob der Iran zurückschlagen würde,
sondern nur wann. (...) Dann wehrte die briti-
sche Fregatte „Montrose“ einen iranischen Ver-
such ab, die Durchfahrt eines britischen Tankers
durch die Straße von Hormus zu behindern.
Kurz darauf versprach (der britische Außenmi-
nister Jeremy) Hunt – im Rahmen seiner Bewer-
bung um die Führung der Tories – eine erhebli-
che Erhöhung der Ausgaben für die Marine. Es
braucht allerdings geraume Zeit, um neue Schiffe
zu bauen, und es dauert lange, bis jene Schiffe,
die wir haben, den Golf erreichen. Allein durch
die Anwesenheit der „Montrose“ konnte die Fest-
setzung des Tankers „Stena Impero“ nicht ver-
hindert werden. (...)
Großbritannien hat nur begrenzte Möglichkeiten


  • militärisch oder diplomatisch –, um den Druck
    auf Teheran zu erhöhen. Kanonenbootpolitik
    funktioniert nicht, wenn man nicht genügend Ka-
    nonenboote hat.


Zum 50. Jahrestag der Mondlandung meint die
Londoner „Financial Times“ am Samstag:

W


ie die weltweite Reaktion auf die Apol-
lo-Mission vor 50 Jahren zeigte, gibt
es einen dem menschlichen Forscher-
drang innewohnenden sozialen Wert, der über
jeden wirtschaftlichen Nutzen hinausgeht. Millio-
nen von Kindern zu inspirieren, eine Karriere in
Natur- und Ingenieurwissenschaften anzustreben


  • und die Förderung der Anfänge der Umwelt -
    bewegung in den 1960er-Jahren, indem man die
    vom Mond aus erkennbare Verwundbarkeit der
    Erde zeigte – gehörten zum immateriellen Ge-
    winn. Die Investitionen in die bemannte Raum-
    fahrt auf dem derzeitigen Niveau von weniger als
    0,02 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts
    beizubehalten ist ein lohnenswerter Preis für
    Entdeckungen, die uns bis weit in die Zukunft be-
    dpa, dpa, AFPgeistern könnten.


Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“
kommentiert den Streit zwischen den USA und
der Türkei um den Ankauf eines russischen
Raketenabwehrsystems:

M


it der Lieferung der ersten Komponen-
ten der russischen S-400 an den Nato-
Staat Türkei beginnen die Sanktionen
der USA. Aus dem Verbündeten ist offiziell ein
Gegner Amerikas geworden. Beilegen lässt sich
dieser Konflikt nicht so leicht. Aussitzen schon
eher, sofern beide Seiten Zurückhaltung üben.
Ankara könnte auf die Stationierung der S-
verzichten, Washington weitere Sanktionen auf
die lange Bank schieben. Den Schlüssel für eine
Lösung haben gleichwohl die Türken in der
Hand. Sie waren es, die sich von den USA so weit
entfremdet hatten, dass Präsident Barack Obama
seinerzeit nicht willens war, Ankara ein Abwehr-
system zu verkaufen. Obamas Nachfolger bietet
es der Türkei nun an. Diese muss sich nur ent-
scheiden – für die Nato, gegen Russland.

D


as Gute an einer Rezession ist, dass sie selbst
von Experten meist erst dann bemerkt wird,
wenn sie schon wieder vorbei ist. Das war im

Winter 2012/13 so, als die deutsche Wirtschaft zwei


Quartale in Folge schrumpfte. Ebenso 2008. Als sich


Anfang 2009 die Schwarzmaler mit Untergangszenarien


überboten, war die tiefste Nachkriegsrezession bereits


überstanden.


Die jetzige Talfahrt begann im Mai 2018. Seither sinkt


die Industrieproduktion im Trend. Fast im Gleichschritt


ging das Ifo-Geschäftsklima auf Talfahrt. Mit dem Ein-


bruch der Industrieaufträge im Mai dieses Jahres ist


klar, dass sich die Durststrecke bis weit in das zweite


Halbjahr hineinziehen wird – mindestens. Nach und


nach kippen die Branchen ihre Jahresprognosen. Nur


dem üppigen Auftragspolster vieler Unternehmen ist es


zu verdanken, dass Stimmung und Lage nicht noch düs-


terer eingeschätzt werden.


Doch anstatt über Gewinnwachstum diskutieren viele


Chefetagen jetzt über Kurzarbeit. Der eben noch boo-


mende Arbeitsmarkt stagniert. Zunächst wurden Zeitar-


beiter nicht weiterbeschäftigt, nun wächst auch in vielen
Stammbelegschaften die Sorge vor Arbeitsplatzverlust.
Doch das ist allenfalls das halbe Deutschland: Jeder
Dritte lebt von Rente oder Sozialleistungen wie Arbeits-
losengeld, Grundsicherung, Bafög und Elterngeld. Für
die allermeisten der 5,6 Millionen Hartz-IV-Empfänger,
drei Millionen Studenten, 700 000 Arbeitslosengeldbe-
zieher, 21 Millionen Rentner sowie die knapp fünf Mil-
lionen Staatsbediensteten findet Konjunktur nur in den
Nachrichten statt; ihr verfügbares Einkommen und ih-
ren Konsum tangiert die kriselnde Industrie nicht.
Hinzu kommt: Von den 40 Millionen Erwerbstätigen
außerhalb des Staates arbeiten nur rund 8,5 Millionen
im verarbeitenden Gewerbe und im Kreditwesen, also
jenen Segmenten, die jetzt unter Druck sind. Ungefähr
die gleiche Anzahl arbeitet bei unternehmensnahen
Dienstleistern und Logistikern. Im Umkehrschluss folgt,
dass nur gut jeder dritte Erwerbstätige in einem Betrieb
arbeitet, den womöglich die Flaute tangiert. Und selbst
jene Beschäftigten, die temporäre Gehaltseinbußen
durch niedrigere Boni oder Kurzarbeit hinnehmen müs-
sen, kompensieren dies meist, indem sie weniger spa-
ren. Echten Konsumverzicht üben die wenigsten.
Angesichts der stabilen Binnenkonjunktur stehen
auch die Etatpläne der Regierung auf solidem Funda-
ment, selbst wenn die Steuerschätzung über zwei Mo-
nate alt ist. Schwächephasen gab es in der vergangenen
Dekade immer wieder. In insgesamt fünf Quartalen
schrumpfte die Wirtschaft, ohne dass Folgen spürbar
waren. Gefühlt hielt der Aufschwung ein ganzes Jahr-
zehnt.

Konjunktur


Rezession, na und?


Die meisten Bürger werden von
einer stagnierenden Wirtschaft
kaum etwas merken, analysiert
Axel Schrinner.

Der Autor ist Senior Economist des Handelsblatt
Research Institute. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Wirtschaft & Politik


MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138


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