Handelsblatt - 22.07.2019

(sharon) #1
kompetenzen für die Zukunft“, so Blume. Gesucht
sind etwa Experten für Künstliche Intelligenz.
Im Vergleich zu den Gewinnwarnungen und hef-
tigen Stellenabbauprogrammen bei anderen Auto-
herstellern nehmen sich die Maßnahmen bei Por-
sche mild aus. Für die erfolgsverwöhnten Por-
scheaner dürfte die Nachricht des Vorstandschefs
dennoch schwer zu verdauen sein – weil sie das En-
de des jahrelangen Höhenflugs bedeutet.
Allein in den vergangenen vier Jahren hat sich
der Absatz von rund 225 000 auf 256 000 Autos er-
höht, korrelierend der Umsatz von rund 21,5 auf 26
Milliarden Euro. Noch relevanter ist die Entwick-
lung des operativen Ergebnisses (vor Zinsen und
Steuern). Das steigerte Blume von 3,4 Milliarden
Euro 2015 auf 4,3 Milliarden Euro 2018. Bisher also
kannte Porsche nur eine Richtung: nach oben.
Am vergangenen Freitag lud Blume die 700
wichtigsten Führungskräfte zur jährlichen Manage-
ment-Konferenz ein – auch um sie auf die neue Zeit
einzuschwören. Schon die Veranstaltung selbst ist
für die Mitarbeiter ein Signal: Sie kostete nicht mal
halb so viel wie jene im Vorjahr.

Sparen beim Führungstreffen


Um miteinander ins Gespräch zu kommen, muss
man nicht an eine exotische „Location“ reisen. Blu-
me versammelte seine Leute im Logistikhof hinter
dem Porsche-Museum in Zuffenhausen. Nebenan
rattert die S-Bahn vorbei, abgeschirmt von einfa-
chen Holz-Stellagen. Unter dem Dach der Halle
wartete aber dann doch immerhin ein schickes
Buffet auf die Mitarbeiter. Sie sollten ja auch nicht
demotiviert werden.
Schließlich wollen die sieben Vorstände von ih-
ren ehrgeizigen Vorgaben nicht abrücken. „Wir hal-
ten am Ziel einer Umsatzrendite von 15 Prozent
fest“, sagt Blume. Die Kapitalrendite soll weiterhin
über 21 Prozent liegen. Das wird die Eigentümer
freuen, den Volkswagen-Konzern und damit auch
die Familie Porsche.
Für sie ist der Sportwagenbauer noch immer
von großer emotionaler Bedeutung, auch
wenn vor zehn Jahren – in der Übernahme-
schlacht um VW – die Eigenständigkeit der
Zuffenhausener aufgegeben werden muss-
te. Und so erklärt sich, dass Wolfgang Por-
sche jedes Jahr bei der Management-Konfe-
renz spricht. Er ist zugleich auch Aufsichts-
ratschef bei Porsche. Der Inhalt seiner Rede


  • der bleibt stets in den eigenen Reihen.
    Klar ist: Um das ehrgeizige Renditeziel
    erreichen zu können, muss gespart wer-
    den: mindestens sechs Milliarden Euro
    bis 2025 und ab dann weitere zwei Mil-


liarden Euro jährlich. Über 2 000 Maßnahmen lie-
gen auf dem Tisch. Wie hoch die bis jetzt schon er-
reichte Einsparsumme ist, will Blume nicht be-
kannt geben. Nur so viel: „Wir kommen gut voran
und liegen gut auf Kurs.“ Über 500 Personen seien
derzeit mit dem Ergebnisprogramm beschäftigt,
bis zum Jahresende soll über die Hälfte aller Maß-
nahmen entschieden sein.
Die angepasste Strategie ist zugleich auch die
Vorbereitung auf den nächsten großen strategi-
schen Wurf: Im nächsten Jahr soll die Strategie
2030 verabschiedet werden. „Eine Strategie ist nur
so gut, wie sie flexibel ist. Die Welt verändert sich.
Und deswegen passen wir auch unsere Strategie re-
gelmäßig an die Rahmenbedingungen an“, so Blu-
me. Hochautomatisiertes Fahren komme später,
durch die Digitalisierung hätten sich manche Mög-
lichkeiten eröffnet, die man vor fünf Jahren so
noch nicht gesehen habe. „Und die Elektromobili-
tät kommt schneller, als die Prognosen vor fünf
Jahren nahegelegt haben“, sagt Blume.
Während links und rechts neben ihm Autoher-
steller und Zulieferer von Konjunktursorgen ge-
plagt sind, zeigt sich Blume gelassen: „Wer die Mög-
lichkeiten kreativ nutzt, wird sich auch in Zukunft
durchsetzen. Dazu gehören Mut und Entschei-
dungsstärke. Wenn Produkte attraktiv sind, werden
sie Kunden begeistern und neue Marktpotenziale
erschließen.“
Seine Ruhe hat auch mit der Kundschaft zu tun.
Die Fans der hochpreisigen Sportwagen reagieren
nicht ganz so sensibel auf konjunkturelle Schwan-
kungen. Dadurch kann sich Porsche dem Abwärts-
sog womöglich etwas länger entziehen als ein Mas-
senhersteller. Empfindlich treffen würden Porsche
jedoch die von den USA angedrohten Strafzölle. Da
der Hersteller kein US-Werk hat und sich dieses auf-
grund der niedrigen Stückzahlen auch nicht lohnt,
müsste man mit Einbußen rechnen. Auch der Ab-
satzmarkt China wird für Porsche immer wichtiger.
Und was, wenn die Kunden im September doch
nicht so begeistert vom Fahrspaß ohne den typi-
schen Porsche-Klang sind? Auch für den Fall
winkt Blume gelassen ab. Die Produktion sei so
aufgestellt, dass man in den nächsten Jahren
sehr flexibel auf die Entwicklung der Nachfra-
ge reagieren könne. Verbrenner, Hybrid oder
vollelektrisch – Porsche will liefern, was der
Kunde will.

Uwe Hück


Die Frage der


Freiwilligkeit


W


er sich ehrenamtlich engagiert, erntet
normalerweise großen Respekt. Viele
Jahre war das bei Uwe Hück auch der
Fall. Der langjährige Betriebsratschef von Porsche
hat seine eigene Stiftung aufgebaut, die Lernstif-
tung Hück, in der er benachteiligten und sozial
schwachen Jugendlichen das Boxen im Ring, aber
auch das Auftreten bei Bewerbungen beibringt.
Das soziale Engagement ist authentisch. Porsche-
Vorstände besuchten die Veranstaltungen, in der
Lokalpresse wurde Hück dafür gefeiert.
Im Februar dann schied Hück überraschend bei
Porsche aus. Spätestens als vor wenigen Wochen
bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Stutt-
gart wegen des Verdachts der Zahlung überhöhter
Betriebsratsgehälter gegen mehrere Porsche-Vor-
stände ermittelt, nährte das Spekulationen in meh-
reren Medien. Ging Hück wirklich freiwillig? Oder
hat ihm der Vorstand den Abgang nahegelegt?
Nach Informationen des Handelsblatts fiel aus-
gerechnet seine ehrenamtliche Tätigkeit einigen
im Unternehmen negativ auf. Es begannen Ge-
rüchte die Runde zu machen, dass Hück Porsche-
Mitarbeiter immer mal wieder für Hilfstätigkeiten
bei seiner Stiftung einsetzen würde. Doch was ist
Arbeit, was ist Freundschaftsdienst unter Kolle-
gen? Richtig knallharte Beweise gegen Hück fand
die Konzernrevision nicht, als sie im Auftrag des
Vorstands 2016 begann, das Betriebsratsbüro un-
ter die Lupe zu nehmen.
Hück betont, dass er selbst darum gebeten ha-
be, alle fraglichen Dinge zu klären. Dabei ging es
unter anderem um Verdachtsmomente, dass bei
der Umwandlung von befristeten Anstellungen in
feste Jobs Geld geflossen sein soll. Tatsächlich
konnte die Konzernrevision keine strafrechtlich
relevanten Vorgänge feststellen, nur Mängel in
der Struktur, wie das Handelsblatt aus Unterneh-
menskreisen erfuhr. Bekannt ist auch der Fall,
dass Hück einen Betriebsrat als Fahrer eingesetzt
hat, obwohl ihm das nicht zustand. Hück hatte
schon vor zwei Jahren auf die Dienste des Fah-
rers verzichtet, musste aber 7 500 Euro Steuern
wegen privater Inanspruchnahme nachzahlen.

Porsche hält sich bedeckt


Hück jedenfalls bleibt bei seiner Version: „Ich
persönlich habe entschieden, das Unternehmen
zu verlassen“, und wehrt sich damit gegen die
mediale Darstellung, Vorstandschef Oliver Blume
habe ihn unter Druck gesetzt zu gehen. Porsche
selbst hält sich bedeckt – mit Hinweis auf das lau-
fende Verfahren. Aber eins will dann Vorstands-
chef Blume gegenüber dem Handelsblatt doch
klarstellen: „Wir haben proaktiv reagiert und die
gebotenen Schritte zur Klärung eingeleitet.“
In unternehmensnahen Kreisen kursiert noch
ein Grund für Hücks Abgang. Die Familien Por-
sche/Piëch fordern als VW-Haupteigner vom Ma-
nagement auch in der Transformation zur E-Mo-
bilität 15 Prozent Rendite. Hück fürchtete aber,
dass der jetzige Sparkurs nur zulasten der Be-
schäftigten gehen werde und man deshalb in der
Übergangsphase auch mal mit zehn Prozent Ren-
dite zufrieden sein müsse. Darüber sei es zwi-
schen Hück und Wolfgang Porsche zum tiefen
Zerwürfnis gekommen.
Die Staatsanwaltschaft hatte im Zuge der Er-
mittlungen vor wenigen Wochen sogar eine
Durchsuchung bei Porsche und in Privathäusern
durchgeführt. Für die Porsche-Vorstände geht es
dabei um den Verdacht der Untreue, falls es sich
bestätigt, dass tatsächlich überhöhte Gehälter an
Hück gezahlt wurden. Gegen Hück selbst wird
nicht ermittelt. Noch ist offen, ob es in der Sache
zu einer Anklage gegen Porsche-Vorstände
kommt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft
laufen die Ermittlungen weiter, unter anderem
mit Sichtung des beschlagnahmten Materials.
Martin Buchenau, Andrea Rexer

+14 %


2015 2018


225 121


256 255


Auslieferungen


weltweit


davon:


2018


Europa
Darunter
10,7 %
Deutschland

China
Inkl.
Hongkong

31,3 % 30,1 %


Sonstige


16,3 %
USA

22,3 %


2018


Macan Cayenne


33,6 % 27,9 %


Sonstige


23,5 %
Panamera

15,0 %
Panamera inkl. Taycan

Christof Mattes/WirtschaftsWoche

Ich


persönlich


habe


entschieden,


das


Unternehmen


zu verlassen.


Uwe Hück
Ex-Betriebs ratschef
von Porsche

Oliver Blume: Der
Porsche-Chef darf
beim Umbau auf
Jens Schicke treue Kunden hoffen.

Unternehmen & Märkte
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MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138


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