Handelsblatt - 22.07.2019

(sharon) #1

„Wir müssen in guten


Zeiten diszipliniert


haushalten, um uns sattelfest


für die Zukunft aufzustellen.“


Oliver Blume, Porsche-Chef


„Es bedrückt mich, dass das


wichtigste politische Amt der Welt


das Gesicht von Rassismus und


Ausgrenzung wird.“


Joe Kaeser, der Vorstandschef von Siemens, kritisiert
via Twitter US-Präsident Donald Trump.

W


ir Deutschen neigen ja dazu, besonders ra-
sante Touren mit Argwohn statt Begeisterung
zu betrachten. Andererseits bewundern wir

die forschen Typen, die Chancen sehen, Risiken aber


links liegen lassen. Dementsprechend ist es nicht ausge-


blieben, dass die Amerikaner uns bislang den Schneid


abgekauft haben, die besten digitalen Geschäftsmodelle


aufzuziehen. So entstanden Onlinehändler wie Amazon,


Fahrdienste wie Uber. Plattformen, die inzwischen rund


um den Globus den Ton angeben. Und die allenfalls


staatlich geschützte Gegner aus China fürchten müssen.


Noch vor Kurzem hätte niemand gedacht, dass auch


aus Deutschland einmal ein Start-up die Welt erobern


könnte. Spätestens bei der Grenzüberschreitung, so die


Mutmaßung, würde ein US-Konkurrent die Expansion


stoppen. Und die Idee selbst groß aufziehen.


Die Gründer von Flixbus, Jochen Engert, Daniel


Krauss und André Schwämmlein, lehren uns gerade et-


was anderes. Dass hierzulande ein Start-up in einer drit-


ten Finanzierungsrunde auch mal rund 500 Millionen


Euro einsammeln kann, daran haben wir uns gewöhnt.


Bemerkenswert ist aber, was die Münchener damit vor-
haben: Nur sechs Jahre nach dem offiziellen Start ihrer
Flixbusse in Deutschland wollen sie nun Amerika und
Asien erobern. Und das nicht nur mit Fernbussen. Das
Start-up ist längst zu einer Plattform für mehrere Ver-
kehrsmittel geworden. Flixmobility, so der Name der
Dachmarke, fährt inzwischen Züge und steigt nun auch
noch in die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten ein.
Das Geschäftsprinzip einer Mobilitätsplattform ohne
eigene Assets, also ohne Busse und Züge, haben die
Münchener in einem rasenden Tempo ausgebaut. In
Deutschland sind sie Fastmonopolist, in den europäi-
schen Nachbarländern bauen sie ihre Marktposition
Schritt für Schritt aus. Noch bevor dieser Prozess abge-
schlossen ist, ging es schon nach Nordamerika. Jetzt
sollen Südamerika, ein typischer Fernbus-Kontinent,
und Asien aufgerollt werden. Im Sport würde man das
einen Kickstart nennen. Der Motor ist noch gar nicht
richtig warm gelaufen, schon geht es in die Vollen.
Flixmobility macht das, was Investoren lieben: ein
Geschäftsmodell unglaublich schnell skalieren. Deshalb
fällt es den Münchenern nicht schwer, anspruchsvolle
Geldgeber hinter sich zu versammeln. Nach General At-
lantic und Silverlake sind nun auch Permira und TCV
dabei. Sie alle glauben daran, dass die Plattform überall
in der Welt funktioniert. Die entscheidende Frage wird
aber sein, ob die noch extrem junge Firma ihre globale
Expansion wird managen können. Denn im Gegensatz
zu anderen virtuellen Plattformen muss Flixmobility
vor Ort immer mit analogen Partner kooperieren. Ir-
gendwer muss die Busse und Züge fahren.

Flixmobility


Kickstart


Erst Flixbus, dann Flixtrain, jetzt
Flixcar. Erst Deutschland, dann
Europa, jetzt die Welt. Das
Start-up fährt einen heißen Reifen,
meint Dieter Fockenbrock.

Der Autor ist Chefkorrespondent Unternehmen &
Märkte. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Flixmobi -


lity macht


das, was


Investoren


lieben: ein


Geschäfts -


modell


unglaublich


schnell


skalieren.


AFP, Jens Schicke, imago/DeFodi

Vermögensverwalter


Heilsamer


Schock


G


eldverwalter haben es
schwer. So könnte man
glauben. Deutsche Anbieter
verdienten im vergangenen Jahr 15
Prozent weniger als im Vorjahr. Eu-
ropäische und US-amerikanische
Verwalter kamen mit geringeren
Rückschlägen davon. Die Einbußen
waren der schlechten Börse zu ver-
danken und bedeuten das Ende ei-
ner langen Rekordserie. Der Laie
mag die Anbieter vielleicht bedau-
ern, wenn er sieht, wie kümmer-
lich ihr Ertrag ausfällt zumindest
gemessen an den gewaltigen Sum-
men, die sie verwalten. Diese pro-
zentuale Marge hat eine Null vor
dem Komma.
Die wirkliche Lage sieht jedoch
anders aus. Das verwaltete Kapital
als Bezugsgröße spiegelt nur die
halbe Wahrheit wider. Aussagekräf-
tiger ist der Blick auf Einnahmen
und Kosten. Dann kommt man auf
Gewinnmargen in prozentual deut-
lich zweistelliger Größenordnung.
So gesehen ist der aktuelle Ertrags-
rückschlag der Branche ein Leiden
auf hohem Niveau. Und er lenkt
den Blick auf einen unseligen Auto-
matismus. Denn in den vergange-
nen Jahren konnten die Verwalter –
etwas überspitzt formuliert – auch
mit Nichtstun an ihren Kunden ver-
dienen. Die Kunden zahlen schließ-
lich jedes Jahr aufs Neue einen fes-
ten Prozentsatz ihrer Anlagesum-
me. Das heißt: Steigende Börsen
erhöhten automatisch das verwalte-
te Kapital und damit ebenso auto-
matisch die Einnahmen.
Damit ist es vorbei. Die schwieri-
geren Börsen und der anhaltende
Gebührendruck durch Investoren
setzen die Anbieter unter Erfolgs-
zwang. Bei fallenden Märkten
schauen die Anleger viel genauer
hin, was sie den Assetmanagern be-
zahlen und was die ihnen dafür an
Rendite liefern. In solchen Zeiten
können sich die Verwalter nicht
mehr entspannt zurücklehnen. Die
frühere Devise „Ein steigender Was-
serspiegel hebt alle Boote“ hat sich
überholt. Anbieter mit schlechten
Anlageleistungen werden ohne Ver-
besserungen nicht überleben kön-
nen. In Zukunft zählt nur noch gute
Performance. Den Ertragsschock
hat die Branche bitter nötig.

Die Jahre automatischer Gewinne
für Geldmanager sind vorbei. Nur
Häuser mit guten Leistungen
haben Zukunft, glaubt Ingo Narat.

Der Autor ist
Finanzkorrespondent.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138


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