Berliner Zeitung - 22.07.2019

(Brent) #1

Kommode


Friedrich II. hatteverstanden, wie wichtig eineBiblio-
thekfürdasFortkommeneinesStaatesist,undließ
bis1785gegenüberdesOpernhausesdieKöniglicheBi-
bliothekzuBerlinerrichten,inschönemBarockundals
einHauptelementdesForumFridericianum.Dieelegant
geschwungeneFassade der AltenBibliothek erinnerte
die Berliner an eine barockeKommode,und so bekam
das Gebäude seinen treffendenNamen. Heute wir des
vonder JuristischenFakultät derHumboldt-Universität
genutzt.AuchLeninnutztedenLesesaal.


Öffentlich zugänglich, Zweigbibliothek Rechtswissenschaft der HU im Ge-
bäude,geöffnet Mo-Fr 9–20.30 Uhr,Sa9–18 Uhr,So10–18 Uhr


DAS IST


Archäotechnica


Zwischen1200und1500erlebtedieUrbanisierungeine
wahreBlütezeit.PrächtigeBautenentstanden.Dochwie
gestaltetesichdasLebenhinterihrenschützendenMau-
ern? EinWochenende langvermitteln Akteureaus den
Bereichen Archäotechnik,Reenactment, LivingHistory
sowie Archäologen,Handwerker und andereExperten
einenEindruck, werine inerStadtdes Mittelalterslebte
undwirkte:WiearbeitetenGerber,Zimmerleute,Schus-
ter,Töpfer oder Paternostermacher? In Branden-
burg/HavelerlebenSieeineZeitreise.

Archäotechnica–Menschen in der mittelalterlichen Stadt. Archäologi-
sches Landesmuseum Brandenburg,10./11.August, jeweils 10–17 Uhr

DAS KOMMT


BerlinerMietediktvon


SeitBerlin1701KönigsresidenzgewordenwarundanAt-
traktivitätgewonnenhatte,wurdederWohnraumknapp
unddie MietenstiegeninunbekannteHöhen.Gewerbli-
chen Vermieternwarfman vor, sich unmäßig zu berei-
chern. Friedrich II. empörtenvorallem die „vielfältigen
Loßkündigungen“,diedarausfolgendeProz esswellesamt
Rechtsunsicherheit.Um dem zu begegnen, ordnete der
König 1754 an, fortan alleMietverträge schriftlich abzu-
schließen.KündigungensolltennurnochzumQuartals-
ende möglich sein. Doch derSiebenjährige Kriegver-
schärftedieLageaufsNeue;infolgevonMietwucherstie-
gendie Mietendramatisch.WildeSpekulationentrieben
Kauf und Verkauf vonMietshäusernan. Da alles nichts

DAS WAR


half, verfügte der König am 15.April1765, die bis dahin
geltendeRegel„KaufbrichtMiete“für Berlinaufzuheben.
Im Falle einesBesitzer wechsels musste der Käufer hin-
sichtlichderMieter„denContractaufgleichemFußhal-
ten“. Zugleich ordnete derMonarch an, diePolizei solle,
notfallsunterZwang,die Einweisungvertri ebenerMieter
in die Häuser derSpekulanten, also deren großePrivat-
wohnungen,vornehmen. Über das neueRecht ließ er
weithininformieren,selbstvondenKanzelnwurdeesver-
lesen.BalddaraufberuhigtesichderWohnungsmarkt–ob
wegen desEdikts oder desFriedens ist unklar.Fritzens
VerwaltunghatteübrigensstetsdieLösungdesProblems
durchstaatlichgefördertesBauenempfohlen.(mtk.)

Ziegeleihafen Mildenberg:Pause nach dem Beladen des Schleppkahns mit Muskelkraft. Hinten ein RingofenSTADTARCHIV ZEHDENICK Lehrter Bahnhof vor 1880: Granitsteinewerden mithilfe eines Handkrans aus einem Lastkahn gehoben. ARCHIV DR.GERHARD BIRK

Schleuse Lehnitz: Kahn mit Rüdersdorfer Kalkstein.ARCHIV KNOLL

Fischerinsel-Hochhäuser im Bau und vornim(heute historischen) HafenKohlen für DDR-Wirtschaft und Haushalte ARCHIV KNOLLX Spandau vor der Eiswerderbrücke: zentraler Sammelplatz für geflößtes Holz aus dem Norden und Osten Brandenburgs.ARCHIV WINDE

Osthafen: Ab 1955 wurdenVerladeplatten genutzt.ARCHIV WINDE

BerlinanBord


Ziegel,Holz,Steine,Sand–derBaustofffürdieStadtkamperKahn


VonMarittaTkalec

W


orausbestehteinBerlinerMietshaus?Nehmen
wir ein typischesBeispiel aus der Skalitzer
Straße,1902 auf 512Quadratmeternmit Hin-
terhöfengebaut:Darinstecken877900Mauer-
ziegel,Holzvon396Bäumen,561Stahlträger,
13,6 KubikmeterDachziegel, 35Kubikmeter
Steingut undSanitärkeramik.GrößereMiets-
kasernen brauchten schon mal 1,4Millionen
Ziegelsteine.DietransportiertenMaterialmas-
sen,ausdenenBerlinentstand,sindschiergi-
gantisch: 1884, amBeginn des großenBau-
booms,betrugderAnteilderBaustoffeanden
aufdem WasserwegherbeigeschafftenGütern60P ro-
zent: 3,6 MillionenTonnen Mauersteine,1,75 Millio-
nenTonnenSandundLehmfürWohnungen,Kirchen,
Krankenhäuser,Bahnhöfe,Brauereien, Speicher.
Wennesheißt„BerlinistausdemKahnerbaut“,soist

dasganzwörtlichzunehmen.DerSchifffahrtsexperte
Joachim Winde hat diesenTitel gewählt für ein ein-
drucksvollesBuch:150,teilsniegeseheneFotosdoku-
mentierenBerlinerBinnenschifffahrtsgeschichte.Die
knappen, fast lexikalischenTexte komprimie-
renSachinformation auf kleinemRaum. Wie
engdie SymbioseBerlinsmitseinenWasserwe-
gen überJahrhunderte war,hat man fastver-
gessen–jetztleistetjadieEisenbahndenGroß-
teildes Massengütertransports,dochdie Was-
serinfrastrukturistvielfachnochzuerkennen:
Häfen, Ladeplätze, Kräne,Schleusen,Hebe-
werk e,Kanäle.DieSpurenderHolzflößereiund
dieTreidelpfadesindverschwunden.Aberjetzt
gibtesdenhübschenBandmitdenvielenBildern,der
nichtnureinmaldasStaunenlehrt.

JoachimWindeBerlin ist aus dem Kahn erbaut–DerAufstieg zur Metro-
pole in historischenFotografien, SuttonVerlag ,Erfurt2019, 19,99 Euro

Stadtgeschichte


10 * Berliner Zeitung·Nummer 167·Montag, 22. Juli 2019 ·························································································································································································································································································

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