Berliner Zeitung - 22.07.2019

(Brent) #1

Lokalsport


Berliner Zeitung·Nummer 167·Montag, 22. Juli 2019 (^15) ·························································································································································································································································································
SolideaufSand
Serie–tierischfit:WiedieZehlendorferWespenzuihremWappenkamenundwarumsiesichsosehrimRollstuhltennisengagieren
VonChristian Kattner


A

us dem operativen Ge-
schäft hat sichBeate Lod-
denkemper zurückgezo-
gen. Maleben so über das
Turniergeländegehen,istfürdie80-
Jährigedennochnichtmöglich.Eine
Umarmung hier,Küsschen links,
Küsschenrechts,dazuanderekurze
Gespräche–esg ibtindenTagender
German Open der Rollstuhltennis-
Spieler eigentlich niemanden, der
sie nichtwenigstens grüßt.Undals
es auf einemPlatz der Zehlendorfer
Wespenplötzlichnochmedizinische
Unterstützungbenötigtwird,springt
Beate Loddenkemper selbstredend
ein. Seit mehr als 50Jahren imVer-
ein, langjährigesVorstandsmitglied,
dazu mehrereJahreDirektorin die-
ses Turniers und federführend bei
der Eingliederung derRollstuhlten-
nis-Spieler imVerein. Wenn man
über die Geschichte der Wespen
spricht, kommt man anBeate Lod-
denkempernichtvorbei.
Natürlich kennt sie sich auf der
Anlage bestens aus,kennt jeden
Winkel derTennisplätzeund den


blauen Hockeyplatz mit dem mar-
kantenWespenlogo.Die Geschichte
dahinter ist keinesfalls auf die An-
fänge und findige Marketingleute
zurückzuführen. Als sich derVerein
mit denAbteilungenHockey und
Tennis imJahr 1911 gründete,ge-
schah das unter demNamen Sport-
verein Zehlendorf1911. „Unter den
Gründernwareine Engländerin,die
inEnglandbereitseineguteHockey-
spieleringewesenist“,erzähltBeate
Loddenkemper.

DieGermanOpenalsAngebot
Helena Schickendantz, so hieß die
Spielerin, Trainerin undIdeengebe-
rindes tierischenVereinsnamens.
UndalsdannauchnochdieBerliner
Zeitungen darauf ansprangen und
nach den ersten, erfolgreichenHo-
ckeyjahrenschrieben:„Siehabenzu-
gestochen wie dieWespen“, da war
der Vereinsname geboren. „Der
Namewurdeerstoffiziellinden20er
Jahren aufgegriffen und dann wan-
derteauchdieWespeaufdasLogo“,
erzählt BeateLoddenkemper.
NatürlichkonntendieVereinsfar-
bennunnurgelbundschwarzsein.

Obwohl gerade in den 70erJahren,
auch weil ander eVereine die glei-
chenFarbentrugen,dieWespenge-
rade im Hockey auf blau und hell-
blau umschwenkten, finden sich
schwarzundgelbinderKleidung.
In mühevoller Kleinarbeit hat
Beate Loddenkemper an-
lässlich des 100-jährigen
Vereinsjubiläums für die
Gestaltung einerVereins-
chronik solcheInforma-
tionen zusammengetra-
gen.Am EndedieserChro-
nikisteinAusblickaufdie
kommendenJahrezul e-
sen. Im dritten Absatz
etwa, dass sich die Ange-
boteundAktivitätbeiden
Wespenausweitenwerden.DieGer-
manOpender Rollstuhltennis-Spie-
lersindeinsolchesAngebot.Esexis-
tiertseit2011.
Seinen Ursprung hatte das inter-
national hochkarätig besetzteTur-
nier in Bonn, wanderte über Mün-
chennachEssenundvondortnach
Berlin.„RollstuhltennisaufSandwar
ungewöhnlich“, sagtBeate Lodden-
kemper,„eskommtausdenUSA,wo

meist aufHartplatz gespielt wird.
Aber das ist auf gut präparierten
PlätzenkeinProblem.Mansiehtein
paarSpurenderRollstühle,aberdie
bekommt man nach einem Spiel
wiederweg.“
Im deutschenTennisbund (DTB)
hatteessichherumgespro-
chen, dass dieZehlendor-
ferseit1992sehraktivsind.
Alsder Verein1999 vonder
Roonstraße in die heutige
Heimat an der Lloy-G.-
Wells-Straßezog, „haben
wirdas Geländegleichbe-
hindertengerechtundbar-
rierefrei gebaut“, sagt
Beate Loddenkemper.Die
Rollstuhltennis-Spieler
seien vonAnfang an alsMitglieder
aufgenommen worden.DasGanze
mit reduziertemBeitrag und ohne
Aufnahmegebühr,aber „sie waren
dann auch völlig integriert.Siege-
henschwimmen,sitzenaufderTer-
rasse und im Klubhaus,sie sind im
Klublebenganznormalvorhanden“,
sagtBeateLoddenkemper.
Mittlerweile hat Rollstuhltennis
eineneigenenEtatim Verein,esgibt

einenFörderkreisdafür.Dasistnicht
selbstverständlichindeutschenTen-
nisvereinen,wovielfachNachholbe-
darfbeider Inklusionherrscht.Beate
Loddenkempergehtsogarnochwei-
ter,wennsiesagt,dassderBehinder-
tensportinD eutschlandsehrvielzu
tun sei. „DieNiederlande sind bei-
spielsweiseführendimRollstuhlten-
nis,auch Polen hat vieleSpieler“,
sagtdie80-Jährige.Englandsowieso,
aber auch Frankreich,Italien, die
Schweiz.WenndieseLändereinTur-
nierveranstalten,gibteseinzweites
TableaumitSpielern,dienichtinter-
national, aber ebenTennis spielen.
Dashaben wir inDeutschland gar
nicht.“

„Nichtüberlegen,einfachtun“
Als derDeutsche Tennisbund den
Zehlendorferndie Austragung der
German Open gab ,sagten die
schnell.„BeidenWespenwirdnicht
überlegt, ob man so ein Turnier
macht,sondernmantuteseinfach“,
sagtBeateLoddenkemper.Ime rsten
JahrnochinderHalle,seitdemaber
auf denSandplätzenrund um das
„Wespennest“, dem Vereinsheim.

Wasals Turnier dritterWertungs-
klasse begann, hat mittlerweile den
Status ITF2und würde,som an es
denn bei denWespen wollte,die
obersteWertungbesitzen.Alleinder
organisatorische Rahmen und die
höherenPreisgelder,die der Verein
dafür aufbringen müsste,sprechen
dagegen.
DieZehlendorfer haben es sich
zum Credo gemacht, einFamilien-
verein zu sein.„Wir haben nieman-
den, derMillionen ausstreut, son-
dernwir rekrutieren uns imTennis
undvorallemim Hockeyausdemei-
genenNachwuchs“,sagtBeateLod-
denkemper.
Vielleicht ist es das lustigeWap-
pender ZehlendorfermitderWespe
und diese besondereAtmosphäre
auf der Anlage amStadtrand nahe
Kleinmachnow, die beiBesuchern
und Spielern, egal ob imRollstuhl
sitzend oder zuFußunterwegs,so
gut ankommt.Undine iner Familie
umarmt man sich eben und unter-
hältsich,auchwennmanbereitset-
was kür zerg etreten ist.Denn, auch
das gehörtdazu: einmalWespe,im-
merWespe.

Seele derWespen:
B. Loddenkemper

Aufschlag für die Inklusion: Die German Open im Rollstuhltennis finden seit 2011 bei den ZehlendorferWespen statt. BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER (2)


DerKickinderKneipe


LillyAndresistWeltmeisterinimTischfußballundhatessichmiteinemGeschäftspartnerzurAufgabegemacht,dasNiveauvonHobbysportlernzusteigern


VonChristian Kattner

S


iewirkteungläubig.Aufdenlau-
ten Jubelschrei folgte ein kurzer
Blick nach oben, die Fäuste gingen
andie Stirn. GeradehatteLillyAnd-
resmit ihrer DoppelpartnerinMy-
LinhTrandasletzteTorerzielt,damit
hatten sie dieWeltmeisterschaft im
Tischfußball gewonnen. Lilly And-
res,35,gebürtigenMainzerin,diefür
den Berliner Tischfußballverband
startet, hatte zwischen 2009 und
2013 allein vierWeltmeistertitel im
Einzel und Doppel gewonnen, es
folgten fünfJahreohne Titel, eine
lange Zeit.„J emehr man schon ge-
wonnenhat,destomehrsteigtauch
derErfolgsdruck“,sagtsie.Vorgutei-
nerWoche hat sie nun einenweite-
renErfolgihrerVitahinzugefügt.
DasNiveau an derSpitzeist ge-
stiegen.Aufhöchster Ebene,ine i-
nemFinale,entscheidenoftmalsnur
Kleinigkeiten. „DieEntwicklung ist
recht spannend“, sagt Lilly Andres,
„zuder Zeit,alsichangefangenhabe,
war das ein sehr technischesSpiel.
MittlerweilehabenvieleSpielerver-


standen, dass es nicht um die sau-
bersteTechnikunddiegrößteVielfalt
imSpielgeht,sondernvielmehrum
das,wasim Kopfgeschieht“,sagtsie.
Dasmache den Unterschied, ob
maneinSpielgewinntoderverliert.
ZustimmungerhältdieWeltmeis-
terin vonihrem Geschäftspartner.
„Es ist einKonzentrationssport, am
Ende wir dese ine Kopfsache“, er-
zählt JohannesKirsch, ehemaliger
Deutscher Meister imTischfußball.
Voreinigen Jahren gründeten sie
eine Firma, die Tischfußball-Events
organisiert. „Mittlerweile“, sagtJo-
hannes Kirsch, „können wir vom
Tischfußballleben.“

Neuesausprobieren
DasneuesteProjekthabenLillyAnd-
resund Johannes Kirsch in diesem
Jahrgestartet:MiteinerKickerschule
wollensieEinsteigernhelfen,ihrNi-
veau zu verbessernund am Kicker-
tisch eine bessereFigur abzugeben.
Viele Kneipengänger kennen
schließlichdenMoment,wennsiein
einerdunklenEckeihrerLieblingslo-
kalitätnocheineRundespielen.Vie-

eine Aktion ausführst, desto mehr
Präzisiongehtverloren“,sagtJohan-
nesKirsch.
Er unterscheidetvorallem zwei
Spielertypen.Da gibt es einerseits
ein Talent, das bereits ein gewisses
Ballgefühl mitbringt.„Der folgt ein-
fach seinerIntuition und trifftrich-
tige Entscheidungen, ohne erklären
zukönnen,waserdamacht“,sagtJo-
hannes Kirsch. Unddann gibt es da
noch den akribischen Arbeiter,der
eben nicht mit diesem Ballgefühl
ausgestattet ist.Dasseien Spielerty-
pen,dievielZeitin Traininginvestie-
renundAuswertungensowieAnaly-
sen vomgegnerischen und eigenen
Spielbetreiben.

Hand-undAugenkoordination
Unabhängig davon,welcher Spieler-
typmannunist,brauchtesallerdings
Durchhaltevermögen.„Leidenschaft,
dieinnereMotivationdranzubleiben
und Begeisterung sind neben einer
gewissenHand-und Augenkoordina-
tiondiewichtigstenEigenschaftenei-
nes gutenTischfußballspielers“, sagt
JohannesKirsch.

les passiertdabei aber zufällig.„Die
LaienspielenniedengleichenPass,
sondernimmer etwas anderes,weil
sie meinen, dass sie damit überra-
schen können“, sagt Johannes
Kirsch,„es passiertviel aus dem Af-
fektheraus.“
Es beginnt schon mit kleinen
DingenwiedemPositionsspiel.„Wir
schauen nach Lücken,wenn die Fi-
gurensoundsostehen“,sagtJohan-
nes Kirsch, „man kann denGegner
dominieren, indem man mehrBall-
besitzhat.“WasnachTiki-Taka,dem
Erfolgsstil der spanischenFußballer
frühererJahreklingt, lässt sich also
auchaufinabgewandelterFormauf
Tischfußballübertragen.Manmüsse
sich Zeit nehmen. Im Training
manchmal nur einenPass oder ei-
nen Schuss immer und immer wie-
der üben, um die benötigteSicher-
heit zu bekommen. Schon gewisse
Haltungen derHand können dabei
helfen. Aufhöchstem Niveau ge-
schiehtschließlichallesirgendwann
in einemTempo,ind em man ohne
Sicherheit in den eigenen Aktionen
nicht weit kommt. „Jeschneller du

So sieht eine Siegerin aus:Tischkicker-
Weltmeisterin Lilly Andres IMAGO IMAGES

Er und Lilly Andres haben es sich
zur Aufgabe gemacht, aus einem
LaieneinengutenSpielerzumachen.
DieAnmeldung in derKickerschule
erfolgt online und ist kostenlos.Im
GegenzugbekommendieSpielerwö-
chentlich ein neues Lehrvideo zuge-
schickt, mitwelchem sie trainieren
können.Insgesamt24Lektionenum-
fasst dieser theoretischeTeil. „Man
bekommt sinnvoll aufeinander auf-
bauende Anleitungen, wie manvom
LaienzumKickerprofiwird“,sagtJo-
hannesKirsch.Dabeifußtjedesneue
Videoaufdasvorherige .Ind enersten
Lektionengehtesersteinmalnurum
dasBallgefühl,esfolgenRegeln,kom-
plexePass-undSchuss-Systeme,das
Stellungsspiel, die Arbeit in derAb-
wehrunddasHerausspielenvonTor-
chancen.
Ob es amEnde irgendwann für
eine ganz großeKarrier emit einem
Weltmeistertitelreicht, das kann na-
türlichniemandvorhersagen.Mitein
paar Ratschlägen einer amtierenden
Weltmeisternbefinden sich dieTeil-
nehmer derKickerschule aber zu-
mindestindenbestenHänden.
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