Berliner Zeitung - 22.07.2019

(Brent) #1

Sport


16 Berliner Zeitung·Nummer 167·Montag, 22. Juli 2019 ·························································································································································································································································································


RekordstattRente


DasBox-MärchendesphilippinischenNationalheldenMannyPacquiaogehtindienächsteRunde


S


chaumichan,ichbinderCham-
pion: Miterhobenen Fäusten
und finstererMiene blickteWelt-
meisterMannyPacquiaoaufseinen
am Boden liegendenGegner hinab
und demonstrierte mitGestik und
MimikseineÜberlegenheit.DerNie-
derschlag inRunde eins nach einer
krachendenKombination war der
perfekteBeginn für den philippini-
schen Boxer,amE nde stand ein
Punktsieg gegen Titelverteidiger
Keith Thurman (USA). Pacquiao
hattedamitinderMGMGrandGar-
den ArenavonLas Vegas einenRe-
kordgebrochen, der 40-Jährige ist
der älteste Super-Champion der
WBA.

Super-Champion –das ist die
höchste Krone desWeltverbandes
World Boxing Association. WBA-
Weltmeister warPacquiao bereits,
doch dieserTitel ist in diesemVer-
bandnureiner„zweiterKlasse“.„Es
hatSpaßgemacht“,sagtederSuper-
Weltmeister,der in derHeimat wie-
derBegeisterungsstürmeentfachte.
Millionen feierten auf denStra-
ßenihrenNationalhelden,diesozia-
len Medien überschlugen sich mit
Lobeshymnen. „Senator Pacquiao
hatbewiesen,dassdasAlternureine
Zahlist,unddasserimmernochLe-
gendäresschaffenkann“,lauteteein
Tweet. DermärchenhafteWegPac-
quiaos vomSchulabbrecher zum

Multimillionär undWeltmeister in
siebenverschiedenenGewichtsklas-
senelektrisiertseineLandsleute.

GeteiltesUrteil
Gegen den zehn Jahrejüngeren
Thurman, der mit der makellosen
Empfehlungvon29S iegenin29Pro-
fikämpfen angetreten war,war Pac-
quiaos Kämpferherzgefragt. Nach
dem schnellenNiederschlag arbei-
tete sichThurman, der seinenKon-
trahenten inRente schicken wollte,
auf denPunktzetteln wieder heran.
Undsog ab es amEnde eine so ge-
nannte„splitdecision“:ZweiRichter
sahen Pacquiao mit 115:112vorn,
derdritteentschiedsichmit114:

für Thurman.Mitdem Sieg verbes-
serte Pacquiao seinenKampfrekord
auf 62 Siege (39 Knockouts) bei sie-
benNiederlagenundzweiRemis.
IndiesemJahrwill Pacquiaonicht
mehrboxen,„ichdenkenächsteJahr
wieder“, sagte der Champion.Zu-
letzt hatte er seineFans bei Twitter
über den nächstenGegner abstim-
menlassen.DieWahlfielaufdenal-
ten WidersacherFloydMayweather
junior,doch der hat seineKarriere
inzwischenbeendet.2015hattePac-
quia ogegen „Money“Mayweather
den höchstdotiertenBoxkam pf der
Geschichteverloren.Dochauchdas
hatteihnaufseinemWegnichtstop-
penkönnen.(sid)

Ein


Energieschub


undeinEklat


DiedeutschenWM-Staffeln
qualifizierensiefürOlympia

D


ie deutschen Freistilstaffeln
über 4x100Meter haben zum
Auftakt der Weltmeisterschaft in
Südkorea zweiOlympia-Startplätze
gesichert.Im Finale gab es für das
Frauen-Quartett aufPlatz acht aber
nichtszugewinnen.Dendeutschen
Athleten blieb aber nur dieNeben-
rolle.Immerhin: DieFreistilstaffel
derFrauenmitJessicaSteiger(Glad-
beck), Julia Mrozinski (Hamburg),
Reva Foos (Frankfurt) und Schluss-
schwimmerin Annika Bruhn (Ne-
ckarsulm)wartrotzdesletztenPlat-
zesimWM-Finale zufrieden. „Wir
sind Achter in derWelt, das ist ein-
fachnurgut“,sagteStartschwimme-
rinSteiger.Das Männer-Quartett
hatteimVorlaufdenEinzuginsWM-
Finalezwarverpasst.AlsElftesicher-
ten sich Damian Wierling (Essen),
MariusKusch(Essen),JoshaSalchow
(Heidelberg), Christoph Fildebrandt
(Saarbrücken) aber ebenfalls die
Olympia-Qualifikation.
DebütantinAngelinaKöhler,18,
sorgte in Gwangjuaber immerhin
miteinemerfrischendenAuftrittfür
gute Stimmung,auch wenn sie als


  1. im Halbfinaleüber 100 Meter
    Schmetterlingden Sprung in den
    Endlauf verpasste.Dass sie im Vor-
    kampf als erste deutscheSchwim-
    merin auf die Bahn durfte und eine
    Runde weiterkam, wirddie Hanno-
    veranerin wohl nie vergessen: „Das
    warcoolundeinHighlight.“


HortonignoriertSun
TeamchefBerkhahnbekannte:„Die
hatteRiesenspaßundbringtsoviel
Energie,das reichtfürdasganze
Team.“DenerstenWM-TagimPool
fand Berkhahn„ganz ordentlich“.
Unddieamheißestendiskutierte
Szene konnte er „verstehen und
nachvollziehen“.NachdemFreistil-
finaleüber 400 MeterwollteMack
HortonpartoutnichtzuWeltmeister
SunYangaufsPodeststeigen.Der
besiegteAustralierverweigertedem
dopingvorbelastetenChinesenden
HandschlagundeinFotoderMe-
daillengewinner.EinEklat,dersich
indenvergangenenWochenange-
deutethatte.
„Esistokay,wennmanmichper-
sönlich nichtrespektiert.Aber bei
der Siegerehrung sollte man mein
Land respektieren“, kritisierteSun.
DochHorton,derseinenRivalenbei
Olympia 2016 in Rio schon als„Do-
ping-Betrüger“ bezeichnet hatte,
konnte wohl nicht anders:„Frust ist
wahrscheinlichdasrichtigeWort.Ich
denke,ihr wisst warum.Ihrwisst,
wie unserVerhältnis ist.SeineTaten
und wie mit ihnen umgegangen
wird, sprechen lauter als alles,was
ichjesagenwürde.“
DemdreimaligenOlympiasieger
Sundrohtim SeptembervordemIn-
ternationalen Sportgerichtshof in
Lausanne (Cas)wegen einer mut-
maßlichmiteinemHammerzerstör-
tenProbeeinenachträglicheSperre.
DerWeltverband(Fina)hatteSunbei
einempositivenDopingtest2014mit
einer Drei-Monats-Sperreäußerst
milde davonkommen lassen und
sprachdenAthletennunfrei.Dage-
genlegtedieWelt-Antidoping-Agen-
tur (Wada) vordem CasEinspruch
ein.(sid)

Erfrischendes Auftreten: Angelina Köhler
im Becken von Gwangju DPA/THISSEN

Yatesgewinnt


inden


Pyrenäen


EmanuelBuchmannbleibt
beider TourinderSpitze

S


imon Yates hat die dritte und
letzte Pyrenäen-Etappe der 106.
Tourde Francegewonnen.DerBrite
setztesichamgestrigenSonntagauf
dem15. Teilstücküber185,5Kilome-
ternvonLimouxnachFoixPratd'Al-
bisgegenVortagessiegerThibautPi-
notaus FrankreichunddemSpanier
Mikel Landa durch.Damit sicherte
sichYatesseinenzweitenEtappener-
folg,nachdemeramDonnerstagbe-
reits die erste Pyrenäen-Etappe für
sichentschiedenhatte.BesterDeut-
schernacheinererneutstarkenLeis-
tung wurde Emanuel Buchmann
vomTeam Bora-hansgrohe alsVier-
ter.Damit bleibt der 26-jährige Ra-
vensburger im Gesamtklassement
weiterinderSpitze.
DasGelbeTrikotdesGesamtfüh-
renden verteidigte der Franzose Ju-
lian Alaphilippe,der aber erstmals
schwächelteundalsElfterdesTages
wertvolle Zeit auf Verfolger Geraint
Thomasverlor.Der Vorjahressieger
ausGroßbritannienwurdeamSonn-
tagSiebter.


Schachmannschautzu

SimonGeschke,der2015eineTour-
Etappe gewann,hatte sich etwa 45
Kilometervordem Ziel abgesetzt.
Zusammenmit Yates ging der 33-
jährige Berliner mit Wohnsitz Frei-
burgals Spitzen-Duo in den ab-
schließenden11,8 Kilometer langen
Anstieg,hatte dann aber mit dem
Rennausgangnichtszutun.
DerBerlinerMaximilianSchach-
mannkonntedenAuftrittseinerKol-
legenentspanntamFernseherver-
folgen.MitSchmerzenundeinem
dickenVerbandanderlinkenHand
stellte sich der deutsche Meister
nocheinletztesMaldenFragender
Journalisten,danngingesamSonn-
abendmittagperFlugvonToulouse
indieHeimat.„Ichhabeganzgutge-
schlafen,habeabereinmaleineVoll-
bremsungimTraumgemachtmit
derHand.MirgehtesdenUmstän-
den entsprechend gut“, sagte
Schachmann.
DerSturzbeimEinzelzeitfahren
inPauhattealleTräumevomFinale
inParisbeiSchachmannssosehrer-
sehntemTour-Debütplatzenlassen.
DreigebrocheneKnocheninderlin-
ken Mittelhand machten eineWei-
terfahr tunmöglich. „Fernsehen
werdeichaufjedenFallgucken.Ich
versuchedemTeamjetztmentalbei-
zustehen.Michärger tesh altrichtig,
weil ich dasGefühl hatte,dass die
Form besser wird“, sagte derProfi
desTeamsBora-hansgrohe.
Statt mit seiner ansteigenden
Form selbst den legendärenTour-
malet hochzuklettern, sah Schach-
mannamSonnabend1850Kilome-
ternordöstlichzu,wieseinZimmer-
kollege Emanuel Buchmann auf
demmythischenSchlussanstiegder
Weltelite Paroli bot und sogar den
VorjahressiegerGeraintThomasaus
Großbritannien mit einerAttacke
abschüttelte.
AndiesemMontagstehtinNimes
derzweiteRuhetagfürdieRadprofis
an, ehe danach die zweitletzte
ChanceaufdieSprinterwartet.Über
177 Kilometer geht es amDienstag
rundum Nimes,dasTerrainist weit-
gehendflach.(dpa, sid)


Finale inFoix: SimonYates erreicht am
Sonntag als Erster das Ziel. DPA/STOCKMAN


DersiebteSinnfürPferde


IsabellWerthzeigtbeimCHIOinAachen,dasssieauchmit50JahrendasMaßallerDingeimDressursportist


VonGabrielePochhammer,Aachen

S

echstausend Menschen
sangen, eine riesige Ge-
burtstagstorte wurde he-
reingeschleppt und die
frisch gewähltePräsidentin derEu-
ropäischenKommission,Ursulavon
der Leyen, gratulierte alsErste.Das
schönste Geschenk zum 50. Ge-
burtstag machteIsabell Werthje-
doch die 14-jährigeBella Rose,die
beimCHIOAachennachdemGrand
Prix und demGrand Prix Special
auchdieKürmit90,450Punktenge-
wann,trotzeinesFehlersindenGa-
loppwechseln. Es folgten Dorothee
Schneider auf Showtime (89,660)
und Jessica vonWerndl-B redowauf
Dalera,87,595Proz entAm Endewa-
rendieNotenfürdietechnischeAus-
führung dicht beieinander.Gewon-
nen hatWerthihren 13. Aachener
Dressurpreis mit der künstlerischen
Note.NochmachtderNummereins
der Welt niemand etwas vorin
puncto Schwierigkeitsgrad und per-
fekter Harmonie mit der Musik.
BeethovensNeunte,KlängevonPuc-
cini undVerdi, teilweise gesungen –
dasgefielRichternundPublikum.
Fragennacheinemeventuellfäl-
ligen Karriereende beantwortete
Werthunwirsch.„Ichwerde50u nd
nicht 100“, sagte sie.„Irgendwann
höreichbestimmtauf,aberüberden
Zeitpunkt, habe ich mir noch gar
keine Gedanken gemacht.“ Schließ-
lich gebe esDressurreiter,die noch
viel älter seien als sie.Sie hat den
Stall voll junger talentierter Pferde,
schwer vorstellbar,dass sie nicht
selbstimSatteldie FrüchteihrerAus-
bildungsarbeiterntenwill.

Auch wenn sie den Geburtstag
nicht zum Anlass nimmt, in sportli-
che Rente zu gehen, wirdane inem
solchenTagBilanz gezogen. Was
wäreanders,wennsienochmalan-
fangen könnte? „Ich hätte vielleicht
eine Medaille weniger und einKind
mehr“, sagte sie.Ihr Sohn Frederick
istzehnJahrealt,im Momentsitzter
lieberaufdemTreckeralsimSattel.

Vor30J ahrenstarteteWerthzum
ersten Maline inem deutschen
Championatsteam bei derEuropa-
meisterschaft in Luxemburg, das
PferdWeingartgehörteihremEntde-
ckerundjahrzehntelangenFörderer
UweSchulten-Baumer.Erm achte
aus dem hochbegabtenNachbars-
kind eineWeltklassereiterin.Sechs
goldene Olympiamedaillen, neun
Weltmeister-und17 Europameister-
titel sind dieEckpfeiler einerKar-
riere,diewohllangeunerreichtblei-
benwird.FastallePferde,bisaufih-
renersten LehrmeisterMadras und
Rio-PferdWeihegold, hat Werth
selbst bis zurGrand-Prix-Reife ge-
führt. Besaß Schulten-Baumer
schon ein untrüglichesGespür für
vierbeinigeTalente,soz eigte Werth

nachderTrennungvonihmim Jahre
2001, dass auch sie einen siebten
Sinndafürhat,auswelchemjungen
Pferdmalein Großerwerdenkann.
So ging es ihr mitBella Rose,der
langbeinigenFuchsstute,mitdersie
in Aachen alle dreiPrüfungen ge-
wann. Es war Liebe auf den ersten
Blick,alssiedasPferdbeimZüchter
entdeckte.Die Stute lernte schnell

GabrielePochhammer
hat IsabellWerths Karriere
genau verfolgt.

Feiertlieber Siege als Geburtstag: IsabellWerth DPA/VENNENBERND

und eroberte dieHerzen im Sturm.
2014 wurdeWerthmit dem deut-
schen Team in Caen Mannschafts-
weltmeisterin. Doch dann lahmte
die Stute plötzlich, und wurde,von
einemkurzenAuftrittin Stuttgartab-
gesehen, dreieinhalb Jahrenicht
mehr gesehen.Stattdessen war sie
Dauerpatientin der Tierärzte .Die
meistenReiter hätten längst aufge-
geben undBella Rose in dieZucht
verabschiedet, damit sie ihreDres-
surgeneweitergibt.DochWerthver-
fügt über zweiEigenschaften, die
mindestens genau so wichtig sind
wie reiterlicheFertigkeiten:Geduld
und Ausdauer.Sie glaubte an ihr
Pferdund endlich, imJahre2018,
wurdesiebelohnt.MitBellaRose,in-
zwischen 14 Jahrealt, wurde sie

„Irgendwann höreich bestimmt auf,


aber über denZeitpunkt,


habe ich mir noch gar


keine Gedanken gemacht.“


IsabellWerthhat nimmer nochgroße Lust am Dressur-Reitsport.

Mannschafts- undEinzelweltmeis-
terinin Tryon(USA).
14 Pferde hatWerthimG rand-
Prix-Spor tvorgestellt,mitsiebenda-
vonwarsieanChampionatsmedail-
len beteiligt, auch das einRekord.
Mitdem Hannoveraner Gigolo ge-
wann sie zwischen 1992 und 2000
sechs Olympiamedaillen, vier gol-
dene und zwei silberne,ihm ver-
dankt sie ihrenAufstieg in dieSpit-
zenklasse.MitSatchmowurdeWerth
nichtnur2006inAachenWeltmeis-
terinim GrandPrixSpecial,mitdem
Wallach erlebte sie ihr sportliches
Waterloo,alser2008beidenOlympi-
schen Spielen inHongkong, schon
auf der Siegesstraße,plötzlich nicht
mehr mitspielte.Der Dopingfall
2009 und derMedikationsfall 2012
unterbrachenWerths bis dahin ma-
kellose Karrier e. Doch was immer
auch passierte,ihreFreundin und
Mäzenin MadeleineWinter-Schulz
standwieeinFelsenhinterihr.Alses
vorden OlympischenSpielen 2016
in Rio knapp wurde,zauberte sie
Weihegold aus demHut, die brave
Stute,die schon alles konnte,aber
dasniezuvorsoperfektgezeigthatte
wieunterWerth.MitdemComeback
vonBellaRoseer lebteauchihreRei-
terineinenneuenHöhenflug.
IhrenGeburtstag empfindet sie
als „absoluteNebensache.Irgend-
wann gibt’s vielleicht eine Party“,
sagt sie. „Vielleicht zum 60.“Wenn
sienichtimViereck reitenmuss.
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