Berliner Zeitung - 22.07.2019

(Brent) #1

Report


2 Berliner Zeitung·Nummer 167·Montag, 22. Juli 2019 ·························································································································································································································································································


CHECKPOINTCHARLIE

Das Projekt und das Unternehmen:Die
FirmaTrockland agiertseit zehn Jahren in
Berlin und hat bisher 15 Immobilienpro-
jekte entwickelt. Zuletztgeriet siewegen
ihres Bauvorhabens auf den letzten bei-
den Brachen am Checkpoint Charlie in
die Schlagzeilen. Dortsollte den Plänen
vonTrockland zufolgeein großes Hotel so-
wie ein Komplex mitWohnungen, Büros,
Geschäften und Restaurants entstehen.
Zudem war ein Museum des Kalten Krie-
gesvorgesehen, dasvomLand Berlinge-
mietetwerden sollte.

Die Kritik:Die Investorenfirma hattebe-
reits mit dem Senatweitreichende Eini-
gungenerzielt, als massiveKritik aufkam.
DerWiderspruch richtete sichzum einen
gege ndas intransparenteVerfahren und
zum anderengege ndasVorhaben selbst.
Fachleute,Aktivisten undPolitiker fast aller
Parteien wandten sichgege neine Kom-
merzialisierung des historisch bedeutsa-
men Ortes. Zugleich stießendie ver-
schachteltenStrukturen derFirmengruppe
mitVerbindungen in mehrere Steueroasen
auf Skepsis. In der Folgedistanzierte sich
der Senatvon denAbsprachen, blieb aber
mitTrockland im Gespräch.

Der aktuelle Plan:Zuletzt hat Bausena-
torin Katrin Lompscher (Linke) Ende Juni
den Bebauungsplan für das Arealvorge-
stellt: Darin sind ein öffentlicher Platzvor-
gesehen, das Museum sowie Flächen für
Wohnungen und Gewerbe. Ein Hotel da-
gege nnicht.

V

orbei istvorbei. Vorbei ist
nie vorbei. Beides ist ein
Problem für Günter Po-
lauke.Schwer zu sagen,
welches ihm mehr zu schaffen
macht.
An diesemMorgen will Polauke
nach vornegucken. Er hat seinen
Kombi am Rand des Jachthafens
Schmöckwitzgeparkt,steigtausund
läuft in RichtungUfer,ein drahtiger
Mann im dunkelblauenSakko,der
fast absurdfrisch wirkt, mitrosigen
Wangen und akkurat kurzgeschnit-
tenen,weißgrauenHaaren.
DerHafen liegt am äußersten
RandvonBerlin,südöstlichesKöpe-
nick.EinWindwehtüberdasWasser,
ringsum breiten sich leereWiesen
aus,dau nd dor tsind verwitterte
Hallenzusehen.AberPolaukeistgu-
ter Dinge,denn er sieht vorallem
eins: Potenzial.„Wir müssen hier
wasmachen“,sagt er.„Daswirdein
Kleinodfür Schmöckwitzwerden.“
Ersiehtsieschonvorsich,dieflorie-
rende kleine Marina, jedenfalls,
wennesgutläuftfürihnunddenIn-
vestor,denerberät.
Vorknapp einemJahr stand der
JachthafenimZentrumeinesmittle-
renLokalskandals.Der Eigentümer
NicoThielehatteeinekleineInselim
Hafenbecken wegbaggernlassen,
einfach so,ohne Genehmigung. Es
war dasAufregerthema desSom-
mersinKöpenick,derInvestorgeriet
massiv unterDruck. Dann kreuzte
sichseinWegmitdem vonPolauke.
DabeimussderdieserTagevoral-
lem einen Knackpunkt in seiner ei-
genenBiografie verarbeiten,undder
istengmitderdeutschenWiederver-
einigung verk nüpft. Polauke wäre
gernHerrüberdieGeschichte,über
seineGeschichte,aberwaservor
Jahrentat,wirdern ichtlos .DieFrage
ist nur ,obd as an ihm liegt oder an
denanderen.
Es ist ein warmerFrühlingstag,
der7. Mai1989,als PolaukezumBe-
trüger wirdund die Ordnung der
DDR insWanken gerät.DerAbend
brichtan,dieKommunalwahlenen-
den,derjungeBezirksbürgermeister
GünterPolaukesitztnochinseinem
Amtszimmer.IndenHändenhälter
zwei Wahlprotokolle,auf ei nem ste-
hendie richtige nErgebnisse,dieauf
dem anderen stehen seitMonaten
fest, bis auf zweiStellen hinter dem
Komma. Polauke hat sie sich nicht
ausgedacht.SeineAufgabeistes,sie
alsdieechtenauszugeben.Erhatein
schlechtesGefühl, er will eigentlich
nicht. Eine Mitarbeiterin steht noch
nebenihm.„Ichkanndirnichtraten,
was du tun sollst“, sagt sie,ers agt:
„Lassmichjetztmalalleine.“

SO BESCHREIBT ES POLAUKE
HEUTE.Erhatnichtsverg essen,esist
alles noch da,„allgegenwärtig“, wie
ersagt,undindiesenTagenvielleicht
noch drängender als sonst:DerFall
der Mauerjährtsich bald zum 30.
Mal,BerlinbereitetsichaufdieJubi-
läumsfeiervor. Polauke hadertbis
heutemitderSache:„I chhätteNein
sagen können und müssen. Was
wäreschonpassiert?Ichhättemein
Amt verloren, vielleicht hätten sie
mich für unzurechnungsfähig er-
klärt.“ Aber sein Lebenwäreweiter-
gegangen.
Polauke ist bald 71Jahrealt, seit
20Jahren MitgliedderSPD,ermischt

anvielenFrontenmit,imEhrenamt,
imSport,inderImmobilienbranche.
Er ist nicht nur für denBesitzer des
Hafens tätig, sondernauchfür die
Trockland-Gruppe,deren Vorhaben
am Checkpoint Charlievoreinigen
Monaten zum Politikum wurden,
auch, weil sich vieleMenschen ge-
radeandieserzentralen Stelleetwas
wünschen, was der Allgemeinheit
dient,undnichtdasProjekteinerIn-
vestorengruppe mitVerbindungen
nachZypernundLuxemb urg.
AberesgehtindieserGeschichte
nicht nur um einen früheren SED-
Kader,der als Lobbyist seineKon-
taktenutzt.EsgehtumSchuld,Reue,
Verantwortung und dieFrage,wie
man 30Jahrenach demMauerfall
mit der DDR-Geschichte umgehen
soll.
Günter Polauke trat zurück, ehe
das Jahr 89 endete.Als Mittäter bei
der Wahlfälschung verurteilte ihn
einGerichtspäterzusechsMonaten
auf Bewährung. Er sagt, er wollte
sich nie drücken.„Wenn ich einen
Fehlergemachthabe,dannmussich
Arsch in der Hose haben, auf gut
Deutschgesagt, und sagen: Jawoll,
Freunde,daswarso.Tutmirleid.“
So gesehenpassteesgut,dasser
vorknappeinemJahrinKontaktmit
dem Hafenbesitzer kam. Derwar
wegen der abgebaggerten Insel Ziel
heftiger Vorwürfe.Auchdie Behör-
den gerieten in die Defensive, weil
sie nichts unternommenhatten, es
wareinRiesen-Schlamassel.

ZURÜCKAMAUTONIMMTPOLAUKE
EINEN HEFTER VON DER RÜCK-
BANK.Darinsind Prüfberichte,die
alle eines besagen: Derabgebag-
gerte Boden war voller Gift. Dasist
die Version des Investors: DieInsel
war kein Stück Natur,sondernein
HaufenSchutt,vondemGefahraus-
ging. Polauke sagt: „Man muss klar
sagen:EsgibteinenFehler.Undvon
jetzt an setzen wir auf Klarheit und
Transparenz.“
DannmachtersichaufdenWeg
zueinemRestaurantinderNähe,er
setzt sich an einen Tisch an der
Wand und holt ein Faltblatt aus der
Tasche: vorneder Schriftzug„Kom-
munalwahlen ’89“, dazu ein Foto
vonihm,erblicktaufseinjüngeres,
rundwangigeresIchundwirktplötz-
lichmüde.
Vielesvondem,wasersagt,lässt
sichnichtprüfen,undesistnieganz
klar,wievielPRinseinerReuesteckt.
ErhatsicheinpaarSprüchezurecht-
gelegt, die er oft rezitiert, weil er sie
sich selbst gerne sagen hört. Einer
ist:„WiralsgelernteDDR-Bürgerha-
beneineDoppelerfahrung“,denner
ärger tsichoft,dassdasLebeninder
DDRgeringschätzigbetrachtetwird.
Einandererist:„EinmalBürgermeis-
ter,immerBürgermeister.“
PolaukewuchsinPrenzlauerBerg
auf.DerVaterverließdieFamilie,die
Mutter stand allein da mit fünf Söh-
nen.DasGeldreichtenie;dieMutter
übertrugdieHassliebe,diesiefürden
Vaterempfand,aufdieSöhne,voral-
lemaufGünter,denältesten.Erbrach
denKontaktzuihrabundnahmihn
niewiederauf,auchmitseinenBrü-
dernhat er nichts zu tun, nur einen
siehterabundzu.
„Man wirdnicht als Sozialist ge-
boren“, sagtPolauke.Erv erließ die
Schule nach der achten Klasse,

„Jawoll,

daswarso“

SeinNameistengmitderWahlfälschungimMai1989verknüpft.


DarübersprichtGünterPolaukeoffen.


BeruflichgehörterheutezueinerKaste,dieimHintergrund


agiert:AlsLobbyistarbeiteterimAuftragvonInvestoren.


EineGeschichteüberSchuld,ReueundVerantwortungunddie


Frage,wieman30JahrenachdemMauerfallmitder


DDR-Geschichteumgehensoll


VonGabrielaKeller


lernte Agrotechniker,ers agt, es war
kein Zufall, dass es ihn in die Land-
wirtschaftzog. Aufdem Hofgab es
ein Wohnheim, für ihn war das ein
Weg,zu Hauserauszukommen.
Als jungerMann liebte erMusik
aus der DDR,Rock, zumBeispiel
Renft, in einemSong gibt es eine
Zeile:„Gehen auf derStelle hab ich
niegekonnt.“Die,sagter ,beschreibe
sein Leben. Ihre kritischen Texte
brachten derBand Auftrittsverbote
ein.SchließlichstuftendieBehörden
sie Anfang der 70er als „nicht exis-
tent“ein,damitwarsievernichtet.
Für Polauke ging es in derZeit
steilnachoben.ErgingzurNVA,war
Grenzsoldat,spätergingerzumStu-
dium nach Leipzig, zweimal ver-

pflichtete er sich bei derStasi, frei-
willig, dann arbeitete er die typi-
schen Stationen einer SED-Karriere
ab: Parteihochschule,Parteisekretär
ineinemBerlinerKombinat,ab
der jüngste Bezirksbürgermeister
Ost-Berlins.

DAS ENDE DER DDR TRAF IHN WIE
EIN SCHLAG.„Ichhabeesnichtkom-
men sehen.“ Wochenlang schlief
undaßerkaum.Dannfingerineiner
Kaufhalle an, in der Flaschenan-
nahme.NachachtMonatenraffteer
sichauf.ErriefeinenaltenBekann-
tenan,dendamaligenKonsum-Chef
in Berlin; dem hatte er alsBezirks-
bürgermeister manchen guten
Standortverschafft.Erbekamsofort

einen Job, wenige Wochen später
war er Direktor einerKaufhalle in
Lichtenberg.
PolaukekannlangeüberdieDDR
und dieWende reden, er lässt sich
auf Gespräche ein, schmerzhaften
Fragen weicht er nicht aus.Nach
zwei StundenbeendeterdasTreffen
rechtabrupt,eristleergeredet,seine
Stimmeklingtrauundmatt.
Wieeressieht, haben sie in der
DDReinehistorischeChancevertan,
und er ,Polauke ,hatte einen Anteil
daran. Auchdeshalbistesihmwich-
tig,sich Gehörzuv erschaff en.Erge-
hörterzud en wenigen, dieTeil des
DDR-Systems waren und offenre-
den. Aber nicht alle wollen das hö-
ren.DasmagauchanseinerArtlie-

BERLIN UND BRANDENBURG WETTERLAGEREISEWETTER

DieWetterlage bringtvor
alleminden Früh- und Morgenstun-
den eine erhöhteWahrscheinlich-
keit fürrheumatischbedingte
Beschwerden.Kopfweh- undMigrä-
neattacken werden verstärkt.


Biowetter: Heute gibt es längere
Zeit Sonnenschein, stellenweise
aber auchviele Wolken,und dieTem-
peraturenkletternamTage auf
19 bis31Grad.Nachts gehendie
Wertedann auf 18 bis15Gradzu-
rück.Der Wind wehtnurschwach
auswestlichenRichtungen.Morgen
betragen die Höchstwerte 26 bis
34 Grad. Dazustrahlt die Sonne aus
einem gebietsweise wolkenlosen
Himmel. Der Wind wehtschwach aus
nordöstlichen Richtungen.


Deutschland:

Dienstag


Wittenberge

Cottbus

15°/24°

BERLIN
17°/24° Frankfurt(Oder)

Prenzlau
13°/23°

15°/25°

15°/24°

Heute kommtdieSonnenur gelegentlich durch. Der Himmel ist stark be-
wölkt. Dabei kommen die Höchsttemperaturen auf 23 bis26Gradvoran,
und der Windweht nurschwach aus westlichen Richtungen. In derNacht
leuchtenbei zahllosenWolkendie Sternenurstellenweise am Himmel. Es
sindTiefstwerte von 17 bis15Gradzuerwarten.


Mittwoch

17°/30°19°/32°21°/34°


Donnerstag

Mondphasen: 25.07. 01.08. 07.08. 15.08. Sonnenaufgang: Sonnenuntergang: Mondaufgang: Monduntergang:


Rügen
Rostock14°/21°
14°/19°

Hamburg
13°/22°

Sylt
14°/24°

Dresden
17°/26°

Köln
15°/28°

Hannover
14°/26° Magdebu15°/25°rg
Erfurt
14°/28°

Frankfurt/Main
Saarbrücken 18°/31°
15°/30° Nürnberg15°/28°

Stuttgart
18°/30°
München
17°/30°

Konstanz
18°/30°

LasPalmas
30°

Oslo
23°
Dublin

Reykjavik

24°
London
28°

Kopenhagen
20°

Stockholm
25°

St. Petersburg
26°

Moskau
26°

17°

Berlin
24°
Paris
33°
Bordeaux
36°

Lissabon
32°

Madrid
37°

Nizza
28°

Palma
35°

Mailand
33°

Rom
35°

Palermo
Algier 29°
37°

Tunis
32°

Athen
33°
Iraklio
29°

Antalya
36°

Ankara
28°

Istanbul
30°

Varna
31°
Dubrovnik
31°

Warschau
24°
Wien
30° Budapest
30°

Odessa
30°

Wilna
23°
Kiew
26°

Archangelsk
21°
Oulu
26°

Kiruna
23°

Trondheim
22°

Acapulco 35° heiter
Bali33° heiter
Bangkok 33 °bewölkt
Barbados29° wolkig
Buenos Aires 15° bedeckt
Casablanca 26 °sonnig
Chicago 25 °heiter
Dakar 28°wolkig
Dubai40° heiter
Hongkong 32° bewölkt
Jerusalem 35 °sonnig
Johannesburg16° sonnig
Kairo 38°heiter
Kapstadt 15 °bedeckt
Los Angeles 26° wolkig
Manila 33° Gewitter
Miami34° heiter
Nairobi 27°wolkig
Neu Delhi40° wolkig
NewYork 30 °Schauer
Peking 35°bewölkt
Perth 17° bewölkt
Phuket 34° heiter
Rio deJaneiro 27°sonnig
San Francisco 23° heiter
SantoDomingo32° heiter
Seychellen 25 °wolkig
Singapur 34 °Gewitter
Sydney 22°bewölkt
Tokio 27°bedeckt
Toronto 25° Schauer

Brandenburg
15°/24°
Luckenwalde
15°/26°

05:10 Uhr

GefühlteTemperatur:maximal24Grad.


Wind:leichter Wind ausWest.


sonnig heiter sonnig


Min./Max.
des 24h-Tages

Zwischen dem westlichen MittelmeerraumundMitteleuropa hat sich Hoch
Yvonneaufgebaut,daseineneuerlicheHitzewelle auchim zentralen Europa ein-
leitet. EinTief westlichvon Irlandschiebt derweilRegenwolken über denNorden
der Britischen Inseln bis zurNordsee.Auch zwischenSchwedenund demBalti-
kumisteswechselhaft mit Schauernund Gewittern.

21:14 Uhr 23:48 Uhr10:46 Uhr

Die Belastungdurch
Gänsefuß-, Brennnessel- und Spitz-
wegerichpollen ist mäßig bisstark.
Darüber hinaus sind Pollen von Lin-
den und Gräsernunterwegs.


Pollenflug:


Ostsee:
Nordsee:
Mittelmeer:
Ost-Atlantik:

18°-20°
17°-19°
23°-31°
17°-22°

Meerestemperaturen:
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