Die Welt am Sonntag - 28.07.2019

(Barry) #1
Immer mehr Restaurants und Produkte
werden halal. Welche Folgen hat das
für die Gesellschaft? Seiten 11–

Das Geschäft mit Allah


Seite 16

Wie schön war Frankreich


Reinhard Mohrerinnert
sich an seine
Kindheitsferien in
einem damals noch
verheißungsvollen Land

Der Der SSTREITTREIT


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HohenzollernHohenzollern


MARLENE GAWRISCH/WELT(2); GETTY IMAGES; REINHARD MOHR

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28.07.19 28. JULI 2019WSBE-HP


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W


ir haben es geschafft! Deutschland hat
das 42-Grad-Ziel erreicht! Damit ist ei-
ne ganz wichtige Vorgabe des Pariser
Klima-Abkommens erfüllt, ein wirklich schöner
Erfolg der GroKo. Die Sache hat allerdings einen
etwas bitteren Beigeschmack, denn die 42,6 Grad
von Lingen wurden möglicherweise mit unlaute-
ren Mitteln erzielt. Die Messstation soll von unten
beheizt worden sein, sogar von Manipulation mit
einer Kerze ist die Rede. Doch da ist natürlich vor
allem Neid im Spiel, warum sollte die sympathi-
sche kleine Stadt im Emsland nicht aus eigener
Kraft zu Hitzehöchstleistungen fähig sein, schließ-
lich gilt Lingen als Zentrum der deutschen Erd-
ölindustrie. Dem fossilen Brennstoff verdanken
wir, dass es hier im Sommer endlich so heiß wird

wie in den Ländern, in die wir gerne mit erdölge-
triebenen Flugzeugen reisen. Deutschlandweit
war die Freude groß, dass der Uraltrekord von Bad
Kissingen endlich pulverisiert werden konnte, 40,
Grad sind für eine hoch entwickelte Industrienati-
on fast schon ein peinliches Ergebnis. Besitzer von
Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren formierten
sich spontan zu Autokorsos, die von den Behörden
fffälschlicherweise als Ferienstaus abgetan wurden.älschlicherweise als Ferienstaus abgetan wurden.
Doch natürlich dürfen wir nicht nachlassen und
uns mit 42,6 Grad zufrieden geben, das wäre fatal.
Flugscham, Fleischscham oder Kohlescham sind
unangebracht, stattdessen brauchen wir ein klares
Bekenntnis zur Erderwärmung. Der Planet ist be-
reits auf einem guten Weg, aber wir können ihm
helfen, damit er noch schneller eisfrei wird.

Eisfrei mit der GroKo


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ISSN 0949 – 7188

Der Chef der Munich Re, Joachim Wen-
ning, fordert eine Abgabe auf CO 2 -
Emissionen, um diese deutlich zu sen-
ken. „Nach meiner Überzeugung wird
sich entscheidend erst etwas ändern,
wenn der CO 2 -Ausstoß Geld kostet“,
sagte er. „Entweder durch Zertifikate
oder eine Steuer.“ Industrie und Ver-
braucher würden sich dann schnell um-
stellen. Seite 36

Munich Re für


CO 2 -Abgabe


WIRTSCHAFT

B


ayerns Ministerpräsident Markus Söder
hat sich mit Blick auf einen besseren
Klimaschutz für eine Befreiung der
Mehrwertsteuer auf Bahntickets ausge-
sprochen. Im Gespräch mit dieser Zei-
tung sagte der CSU-Chef: „Ich will den Menschen
nicht vorschreiben, ob sie fliegen oder mit dem Zug
fahren sollten. Aber ich will das Bahnfahren so at-

traktiv machen, dass sie das Flugzeug bei Kurzstre-
cken nicht mehr benutzen müssen. Dazu muss
Bahnfahren deutlich billiger werden. Bahntickets
sollten so weit wie möglich von der Mehrwertsteuer
befreit werden, derzeit gibt es dafür nicht einmal
den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Das kann
nicht so bleiben.“
Markus Söder forderte außerdem einen nationa-
len Klimaplan ein. „Wir brauchen ein nationales Kli-
makonzept mit drei Bedingungen: Erstens: Es muss
langfristig wirken und nicht nur, wenn die Konjunk-
tur läuft. Zweitens: Es darf kein städtisches Eliten-
Projekt werden, bei dem die ländlichen Räume und
sozial Schwachen komplett abgehängt werden. Drit-
tens: Nur mit einer Offensive der Innovation und
Technik können wir auch einen internationalen Bei-
trag leisten.“ Die einseitige Fokussierung auf die
CO 2 -Steuer hält der bayerische Ministerpräsident
für falsch. „Wir haben bereits zwei CO 2 -Steuern: Die
Luftverkehrsabgabe und die Ökosteuer beim Auto.
Beides hat nicht zu einer Lenkungswirkung beim

CO 2 geführt. Der Staat nimmt zwar mehr ein, aber
für die Einsparung von CO 2 hat das wenig gebracht.
Daher wären Zertifikate die effektivere Lösung.“
In Bayern selbst will Söder das „modernste Kli-
maschutzgesetz in Deutschland auf den Weg brin-
gen“. Es sieht vor: 30 Millionen neue Bäume zu
pflanzen, eine massive energetische Sanierung der
Staatsverwaltung, einen großen Ausbau der Fotovol-
taik und die Umstellung von Öl-Heizungen auf er-
neuerbare Energie zu fördern. Zudem müssten Ar-
chitektur und Stadtplanung neu organisiert werden,
sagte Söder.
Auch drei frühere Bundesumweltminister haben
Ideen veröffentlicht, auf welche Weise der Klima-
schutz wirksamer als bisher gestaltet werden könn-
te. Klaus Töpfer (CDU), Jürgen Trittin (Grüne) und
Barbara Hendricks (SPD) schlagen ein Vetorecht des
Umweltressorts bei klimapolitisch relevanten Ent-
scheidungen der Bundesregierung vor. „Man könnte
in die Geschäftsordnung der Bundesregierung
schreiben, dass das Umweltministerium ein Veto ge-
gen Gesetze einlegen kann, die dem Klima schaden“,
sagte Hendricks in einem gemeinsamen Interview
mit ihren Vorgängern Töpfer und Trittin. Töpfer er-
innerte daran, dass er ein solches Vetorecht „schon
1988 gefordert“ habe. Hendricks brachte daneben
auch ein zusätzliches Initiativrecht für das Umwelt-
ministerium auch für andere Politikfelder ins Ge-
spräch. „Dann könnte das Umweltministerium etwa
ein Gesetz zum Verkehr einbringen, wenn das Ver-
kehrsministerium nichts tut“, sagte die frühere Mi-
nisterin.

Die SPD im Bundestag pocht derweil auf den ver-
einbarten schnelleren Ökostrom-Ausbau. Das Ziel,
2030 beim Strom den Anteil erneuerbarer Energien
auf 65 Prozent zu steigern, müsse gesetzlich veran-
kert werden, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch
der Deutschen Presse-Agentur. Das Ziel steht im Ko-
alitionsvertrag von Union und SPD, allerdings ist
der Ökostrom-Ausbau nicht auf Kurs. Wirtschafts-
minister Peter Altmaier und der Energiepolitiker
Jens Koeppen (beide CDU) sollten „konstruktiv mit
der SPD zusammenarbeiten“, statt „immer nur zu
blockieren“, forderte Miersch.
Gegen den Bau von Windrädern gibt es heftigen
Widerstand von Bürgern. Eine Arbeitsgruppe der
schwarz-roten Koalition sollte bis zum Frühjahr ein
Konzept vorlegen, um die Akzeptanz der Energie-
wende zu steigern. Union und SPD können sich aber
nicht einigen – zu den Streitpunkten gehört, wie nah
an Wohnsiedlungen Windräder stehen dürfen.
WWWenn sich die Erde bis zum Jahr 2050 im Vergleichenn sich die Erde bis zum Jahr 2050 im Vergleich
zur vorindustriellen Zeit um etwa 1,4 Grad Celsius er-
wärmt – ein moderates Klimaszenario –, werden Eu-
ropas Städte so warm sein wie derzeit die Orte Hun-
derte Kilometer näher am Äquator. Das Hamburger
Klima etwa würde in 30 Jahren dem heutigen von San
Marino ähneln und das in München dem von Mailand.
Zu diesem Schluss kommen Forscher der ETH Zürich
in einer Studie, die dieser Zeitung vorliegt. Städte sei-
en Wärmeinseln. Die Temperatur in einer Stadt ist
immer höher als im Umland; der Unterschied kann in
Deutschland bis zu vier Grad Celsius betragen, so die
Züricher Wissenschaftler. Seite 4

Söder: „Bahntickets von der


Mehrwertsteuer befreien“


Bayerns Ministerpräsident fordert nationales Klimaschutz-Konzept und kündigt massive


Aufforstung der Wälder an – Klimaforscher: Hamburg wird das Klima San Marinos bekommen


VONJACQUES SCHUSTER UND THOMAS VITZTHUM

VVVater Johnson über Sohn Johnsonater Johnson über Sohn Johnson
Stanley Johnson ist Brite und Fan
der EU – wir haben ihn gebeten, uns
seinen Sohn Boris zu erklären Seite 8

Ein echter Schumi
Mick Schumacher, Formel-2-Pilot mit
großem Familiennamen, startet im
ebenso legendären Ferrari Seite 23

Neue Lust aufs Gestern
Das russische Kaliningrad putzt sich
für Touristen heraus mit Schnörkeln
und altdeutschen Giebeln Seite 62

IN DIESER AUSGABE

So wird es kühler in den Städten – und in Ihrer Wohnung · Seiten 18 und 48


Im Durchschnitt erhalten Mitarbeiter
eine Lohnerhöhung in Höhe von 11,
Prozent, wenn sie ihre Vorgesetzten
darauf ansprechen. Das ist ein Ergeb-
nis einer neuen Gehaltsstudie des Job-
Portals Stepstone, die WELT AM
SONNTAG exklusiv vorliegt. Ange-
stellte in Geschäftsführer- oder Vor-
standspositionen können sogar deut-
lich über 14 Prozent mehr Lohn aus-
handeln. Den größten Gehaltsbonus
können Mitarbeiter in Wissenschaft
und Forschung mit 14,5 Prozent erwar-
ten, gefolgt von der Pharmaindustrie
sowie der Energie- und Wasserversor-
gung. Am Ende der Liste sind der öf-
fffentliche Dienst sowie Medienunter-entliche Dienst sowie Medienunter-
nehmen zu finden mit einem Plus von
knapp 9,5 Prozent. Seite 32

Nachfragen führt


zum Lohnanstieg


KARRIERE

PREISD€4,

Der Leiter der Münchner Sicherheits-
konferenz, Wolfgang Ischinger, fordert
eine aktive und umfassende Beteiligung
Berlins an einer maritimen EU-Schutz-
mission am Golf. „Kaum ein Land hängt
von der Freiheit der internationalen
Schifffahrt so stark ab wie der Export-
weltmeister Deutschland“, sagte Ischin-
ger WELT AM SONNTAG. „Deshalb
darf die Bundesrepublik auch nicht von
der Reservebank aus zuschauen, wenn
jetzt eine maritime EU-Schutzmission
diskutiert wird.“ Teheran hält weiter ei-
nen unter britischer Flagge fahrenden
Tanker in der Straße von Hormus fest.
London hatte eine gemeinsame EU-
Mission vorgeschlagen, um wirtschaftli-
che Interessen zu verteidigen. Seite 9

Berlin soll


Schiffe schicken


KRISE IM GOLF

Georg Friedrich Prinz von Preußen im Interview Seite 55


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