Süddeutsche Zeitung - 27.07.2019 - 28.07.2019

(nextflipdebug5) #1
von rené hofmann

E

s geht bergab mit der Formel 1.
Und das rasant.Zumindest deu-
ten das die Zahlen an. Zahlen
sind wichtig im Motorsport. Die
Rundenzeiten definieren, wer
den besten Startplatz ergattert und wer
das Rennen gewinnt. Am Ende der Saison
entscheidet die Punktezahl, wer als Welt-
meister gekürt wird. Und die Beliebtheit
des ganzen Spektakels lässt sich an den
Zuschauerzahlen ablesen. Nach zehn von
21 Rennen in dieser Saison und vor dem
Großen Preis von Deutschland an diesem
Wochenende auf dem Hockenheimring
siehtesdamauaus–zumindesthierzulan-
de. Im Durchschnitt knapp 3,9 Millionen
Menschen verfolgten bei jedem Grand
PrixdieLive-SendungvonRTL.DerPrivat-
senderüberträgtdieRennenseit1992.We-
nigeralsvierMillionenZuseherproStart–
das gab es zuletzt 1994, dem Jahr, in dem
Michael Schumacher zu seinem ersten
Titel fuhr. Am größten war das Interesse
2001, bei Schumachers erstem WM-Tri-
umph für Ferrari. Damals notierte RTL
Traumwerte: Im Schnitt 10,44 Millionen
Zuschauer, was einen Marktanteil von
mehr als 55Prozent ergab.
Für den Rückgang gibt es einige Grün-
de: die sportliche Eintönigkeit (bis auf ein
Rennen wurden in diesem Jahr alle von
den Mercedes-Lenkern Lewis Hamilton
undValtteri Bottas gewonnen), der Bedeu-
tungsverlust des Fernsehens (viele Fans
informieren sich inzwischen über das In-
ternet oder soziale Netzwerke), das Fehlen
einer Ausnahmefigur wie Schumacher.
Aber vielleicht erklärt auch all das zusam-
mengenommendenTrendnichtganz.Viel-
leicht gibt es noch einen größeren Grund,
einen ganz grundsätzlichen. Womöglich
ist die Formel 1 einfach out, unzeitgemäß,
überholt. Selbst die begeistertsten Petrol-
heads beschleichen inzwischen solche
Gedanken.
ZumFormel-1-StartveröffentlichteDie-
terZetsche,damalsnochderVorstandsvor-
sitzende der Daimler AG, im vergangenen
Jahr in den sozialen Medien einen offenen
Brief. Zetsche schrieb: „Ich werde oft ge-
fragt, ob die Formel 1 heute noch relevant,
noch zeitgemäß ist. Manche halten sie für
ein Relikt der Vergangenheit angesichts
von Klimawandel, zunehmender Verbrei-
tung elektrischer Antriebe und selbstfah-
renden Autos als Zukunft der Mobilität.“

„Ein Relikt der Vergangenheit“ – ein
schlimmeres LablekannesfüreinenSport
fast nicht geben. Nun war der Motorsport
nie unumstritten. Der Ärger begann schon
beim ersten Rennen überhaupt. Als am
22.Juli 1894, also vor ziemlich genau 125
Jahren, Pierre Giffard, der Chef der Zeit-
schriftPetit Journal, „pferdelose“ Wagen
für eine Wettfahrt von Paris nach Rouen
einlud,gabes anschließendeinenschreck-
lichen Streit, wer als Sieger zu küren wäre.
Graf Albert de Dion, der das Ziel nach
sechs Stunden und 48 Minuten als Erster
erreichte, saß in einem dampfgetriebenen
Gefährt, das so groß war, dass ihm die
Regelhüter den Triumph zunächst ver-
wehrten– mit dem Hinweis, dieVorschrif-
tenhätten„einfachzuhandhabende Zwei-
sitzer“ vorgesehen. Weil das Publikum
den Grafen aber so frenetisch feierte,
wurdendieRegelnangepasst.Ab1895lau-
teten die schlicht: Der Schnellste gewinnt.
SeitdemliefendieRennenso.Diespannen-
de Frage nun aber ist: Wie lange können
sie so noch weiterlaufen?
Ressourcen verbrennen, nur um zu
ermitteln,wer am schnellsten ist.Genauer
gesagt: Werder Schnellsteist. Den Frauen
bleiben bei dem Wettstreit immer noch
meist nur Nebenrollen. Im Management
der Rennserie bestimmen ausschließlich
Männer. Es gibt zehn Rennställe, in nur
einem steht eine Frau an der Spitze: bei
Williams – Claire Williams, die Tochter
des Firmengründers Frank Williams, ist
stellvertretende Teamchefin. Mehr als ein
Vierteljahrhundert ist es inzwischen her,
dass zum letzten Mal eine Frau an einem
Grand Prix teilnahm: Die Italienerin
GiovannaAmati,1992;beidreiGelegenhei-
ten kam sie nicht über die Vor-Qualifikati-
on hinaus.

Wenn der Zeitgeist eine Autobahn ist,
dannistdieFormel1aufihralsGeisterfah-
rer unterwegs. Bestes Beispiel: Das
alberne Hin und Her um die sogenannten
Grid-Girls. Dass es nicht mehr unbedingt
auf der Höhe der Zeit ist, Frauen in Klei-
dern, die oft mehr enthüllen als sie verde-
cken, den Protagonisten mit einer an eine
Art Pole-Dance-Stange montierten Num-
mer den Startplatz anweisen zu lassen,
wurde im Zuge der „Mee Too“-Debatte
auch in der Formel 1 vielen klar. Schließ-
lich bekam die es aber wieder einmal nicht
hin, auch nur den kleinsten Schritt in die
richtige Richtung zu tun. Kaum hatten die
Rechteinhaber vom US-Medienunterneh-
men Liberty Media das Aus für die Num-
mernrevue verkündet, opponierten die
Veranstalter der Rennen in Russland und

in Monaco: Sie wollten unbedingt weiter
Frauen ausstellen.
Aus heutiger Sicht wirkt es skurril, aber
es gab tatsächlich eine Zeit, in der galt der
Rennsport als kulturelle Avantgarde. 1909


  • die Formel 1 gab es damals noch lange
    nicht als Weltmeisterschaft – dichtete der
    Italiener Filippo Tommaso Marinetti im
    GründungsmanifestdesFuturismus:„Wir
    erklären, dass sich die Herrlichkeit der
    Welt um eine neue Schönheit bereichert
    hat: die Schönheit der Geschwindigkeit.
    Ein Rennwagen, dessen Karosserie große
    Rohre schmücken, die Schlangen mit ex-
    plosivem Atem gleichen, ein aufheulendes
    Auto, das auf Kartätschen zu laufen
    scheint, ist schöner als die Nike von Samo-
    thrake.“ Kartätschen ist Militärjargon und
    imgleichenManifeststehtauch:„Wirwol-


len den Krieg verherrlichen – diese einzige
Hygiene der Welt.“ Man sollte das Ganze
also nicht zu hoch hängen. Eines aber
dokumentiert der Nike-von-Samothrake-
Vergleich: Die Raserei wurde damals tat-
sächlich als Sinnbild für eine beschleunig-
te, bessere Zukunft gesehen.
Wofür sie heute noch steht? Dieter
ZetschehatdieFrage,obdieFormel1über-
haupt noch zeitgemäß ist, damals in den
sozialen Medien rhetorisch gestellt. Sie
war ihm eine Vorlage, um drei Argumente
auszurollen. Erstens: Die Formel1 bediene
„einige der elementarsten menschlichen
Emotionen: Leidenschaft (für das Lieb-
lingsteamoderdenLieblingsfahrer),Aver-
sion (gegen andere Teams), Schmerz (über
ein verlorenes Rennen) oder Euphorie
(wenn es gut läuft)“. Außerdem lasse sich

auf der Rennstrecke „viel fürs Business
lernen“: Weil die Zahl der Ingenieure und
Mechaniker begrenzt ist, die bei einem
RennenanderStreckeerlaubt sind,müsse
jeder Verantwortung übernehmen – und
jeder könne, manchmal innerhalb von
Tausendstelsekunden, über Sieg oder
Niederlage entscheiden. Und Drittens sei
die Serie ein „erstklassiges Labor für For-
schung und Entwicklung“, ein „Inkubator
für Technologie“.
Ja, Zetsche hat das wirklich so genannt.
Dass er bei anderer Gelegenheit auch
schon ganz anderes gesagt hatte, war in
demMomentvergessen.IneinemSonder-
heft der ZeitschriftSternzum 60. For-
mel-1-Geburtstag im Jahr 2010 hatte Zet-
sche zu den unmittelbaren Abstrahleffek-
ten auf Serienautos noch eingeräumt:
„Wenn man es ganz nüchtern sieht, dann
war da substanziell nie so viel dran.“
Gestern so und heute so: Derlei Dialektik
wurde auch in anderen Konzernen oft
gepflegt. Bei BMW, bei Toyota. Nur so lan-
ge sie mitspielen, preisen alle Unterneh-
men die Vorzüge des Wettbewerbs.

Eine Bestandsgarantie ist der Status
quoin der Formel1 nie.Dass aktuell neben
Mercedes auch Ferrari, Renault, Red Bull
und Honda in der Serie engagiert sind, be-
deutet für die Zukunft wenig. Ab 2021 gel-
tenneueRegeln,überdieaktuellheftigge-
rungen wird. Glückt es nicht, der ganzen
Show einen neuen, frischen Anstrich zu
verpassen,drohteinExodus.DennGewin-
ne können in dem sündteuren Sport nur
die einfahren, die vorausjagen. Alle ande-
ren müssendenPrestigegewinneinkalku-
lieren, damit das Engagement sich rech-
net. Seit 2014 rollen die Boliden zwar mit
Hybrid-Technik an den Sechszylinder-
Turbomotoren. Aber das ist eher Fluch als
Segen: Die Technologie schafft es nur in
die Schlagzeilen, wenn einer über sie
schimpft, weil sie ihn im Stich lässt.
Fahrverbots-Diskussionenund Fridays-
for-Future-Demonstrationen: Die For-
mel 1 steht quer zu vielen gesellschaftli-
chen Strömungen. Ganz neu ist das aller-
dings nicht. Der Motorsport ließ sich nie
rational begründen. Die Geschichte, er sei
nötig, um die Entwicklung voranzutrei-
ben, war immer nur eine Geschichte. Die
Faszination der Rennerei – das war und
das ist das Irrationale, das Wahnwitzige.
Für die Fahrer ist es das, aber eben auch
für viele Zuschauer.
Die Formel-1-WM wurde 1950 gestar-
tet.Damals wurde derSchnellstenichtnur
auf abgesperrten Strecken ermittelt, son-
dern mitunter auch auf normalen Stra-
ßen, bei der berüchtigten Mille Miglia
durch Italien etwa. 1957 verunglückte da-
bei der Spanier Alfonso de Portago.
Zwischen Mantua und Brescia tötete er
mit seinem Ferrari sich, seinen Beifahrer
und zehn Zuschauer – fünf von ihnen Kin-
der. Nach der Tragödie meldete sich Papst
Pius XII. zu Wort: „Nicht töten ist ein uni-
verselles Gebot. Kein sportlicher Ehrgeiz,
kein technisches Problem, kein Reklame-
interesse rechtfertigt ein so offenkundig
sicheres Opfer von Menschenleben.“
Die Um-die-Wette-Fahrerei ging trotz-
dem weiter. Und trotz vieler tödlicher Un-
fälle in den 1950er-, 1960er- und 1970er-
Jahren nahm gerade die Popularität der
Formel 1 sprunghaft zu. Die blutigen Jahre
werden in Rückschauen gern zur wilden,
spannenden Zeit verklärt. Aber das ist ein
Mythos. Die Fanbasis wuchs auch danach
massiv, als die Sicherheitsvorkehrungen
an den Strecken und den Autos deutlich
besser wurden und es deutlich weniger
Unfälle gab. Weil die Rennen live zu sehen
waren. Weil es immer mehr Rennen gab.
Und weil von diesen immer mehr in neuen
Märkten ausgetragen wurden. Nun aber
könnte der Kipppunkt erreicht sein. Nicht
nur, weil weltweit Schüler für den Klima-
schutz auf die Straße gehen und selbst in
Deutschland, wo das Automobil einst er-
funden wurde, Tempolimits nicht mehr
prinzipiellalsTabugelten.Nein,vorallem,
weil der Formel 1 in ihrer eigenen Domäne
eine ernstzunehmende Konkurrenz er-
wächst: die Formel E – eine Rennserie mit
rein elektrisch angetriebenen Einsitzern.
Denn die zeigt: Es lässt sich auch mit rei-
nem Gewissen unvernünftig sein.

Mit dem guten Leben ist das so eine
Sache. Zumindest gefühlt war es schon
mal einfacher. Ständig wird man darauf
hingewiesen, dass es an der Zeit sei,
nachhaltiger zu leben, zu handeln, zu
denken. Aber was ist das eigentlich,
Nachhaltigkeit? Wenn der Begriff bedeu-
tet, dass wir die uns zur Verfügung ste-
henden Ressourcen schonen und nur so
nutzen sollen, dass sie auch nachfolgen-
den Generationen noch zur Verfügung
stehen – hat das dann immer etwas mit
Verzicht zu tun? Müssen wir uns radikal
einschränken und aufhören, zu konsu-
mieren? Oder darf Nachhaltigkeit in
einigen Bereichen des Lebens auch prag-
matisch sein? Mit diesen und weiteren
Fragen setzt sich die SZ in einer großen
Sommerserieauseinander, die am kom-
menden Dienstag startet und dann zwei-
mal pro Woche erscheint.


Da ist zum Beispiel der samstägliche
Großeinkauf. Wer ihn nicht im Unver-
packt-Laden absolviert, kommt schnell
schon mal an seine Grenzen. Was ist
jetzt nachhaltiger: Die in Plastik einge-
packte Bio-Tomate aus der Region oder
die konventionelle aus Spanien, die da-


für lose im Regal liegt? Die Großpa-
ckung, auch wenn ein Teil davon viel-
leicht verdirbt, oder die Single-Portion,
bei der aber mehr Verpackung anfällt?
Und macht es dieUmweltbilanz des
ganzen Einkaufswirklich zunichte,
wenn man ihn mit dem Auto erledigt?


Weniger das Problem der Convenience-
Verpackungen, dafür umso häufiger das
des Transportmittels betrifft Familien.
Wie kann man Nachhaltigkeit mit Kin-
dern überhaupt umsetzen? Ist es bei
Windeln und Feuchttüchern nicht nahe-
zu unmöglich, keine Müllberge zu verur-
sachen? SZ-Autorin Kathrin Werner
besucht eine Familie, die nach demZero-
Waste-Prinziplebt. Und stellt sich unab-
hängig davon die Frage: Müssten wir
wirklich auf Kinder verzichten, wenn
wir es dem Klima recht machen wollten?


Rasant verändert sich schon jetzt die
Arbeitswelt. Zum Guten, denken wir,
schließlich sind flexiblere Arbeitszeiten
und ein Recht auf Home-Office für die
meisten Arbeitnehmer eine tolle Sache.
Aber sind sie das auch für die Umwelt?
Und wie groß ist der Effekt, den die Digi-
talisierung mit all ihren riesigen Server-
farmen auf das Weltklima hat?


Nicht minder kompliziert ist die Sache
beim Essen. Es soll schmecken, Spaß
machen, im Idealfall auch noch gesund
sein – und dann ist da ja noch der Preis.


Doch was auf den Teller kommt, hat
automatisch auch Einfluss auf Klima
und Umwelt. Wie ist etwa der Superfood-
Trend zu erklären, wenn das Kilo Avoca-
do oder der Sack Quinoa eine schlechte-
re Ökobilanz haben als das Kilo Rind-
fleisch? KannEssenam Ende überhaupt
noch Spaß machen, wenn wir dabei
nichts mehr richtig machen können?


Und dann ist da ja noch das liebe Geld.
Viele Deutsche parken es einfach bei der
Bank, einige investieren es in Aktien-
fonds – aber in beiden Fällen werden
damit am Ende häufig Projekte und
Firmen unterstützt, die nicht gerade für
Nachhaltigkeit stehen. Kann man dafür
sorgen, dass mit dem eigenen Geld Gu-
tes getan wird, anstatt Waffenproduzen-
ten und die Ölindustrie zu unterstützen?
Und wie findet manBanken und Fonds,
die das tun? Das lesen Sie dann am kom-
menden Dienstag in der ersten Folge der
Sommerserie zum Thema Nachhaltig-
keit. vivien timml er


Ressourcen verbrennen, nur um
zu ermitteln, wer der Schnellste ist

„Sieht man es nüchtern, war substanziell nie so viel dran.“


Ausheutiger Sicht skurril, aber das gab es tatsächlich


80 Prozent der
Lebensräumeauf
Wiesen und Weiden
gelten als gefährdet,
35 Prozent drohen
gar die Vernichtung.
Am Ende geht es
auch hier ums Geld:
Immer mehr Wiesen
werden zu Bauland
oder Straßen und
der Rest wird intensi-
ver genutzt.

Was bleibt?


Geisterfahrer


in Boliden


Männer, die von Frauen bewundert


um die Wette rasen – trotz Diskussionen


um Tempolimits, Fahrverbote


und „Me Too“: Selbst die Protagonisten


fragen sich inzwischen,


ob die Formel 1 noch zu retten ist


Wichtig für den Autobau?


KulturelleAvantgarde?


SAMSTAGSESSAY


Julia Klöckner, 46,Bundesernährungs-
ministerin, will Lebensmittel mit Ei ge-
nauer kennzeichnen lassen. Verbraucher
sollen dann erkennen können, aus wel-
cher Haltung die verwendeten Eier kom-
men – ob sie also ökologisch erzeugt wur-
den, die Hennen im Freiland oder im Stall
gehalten wurden – oder sie im Käfig ein-
gesperrt waren. Auf rohen Eiern gibt es
diese Kennzeichnung schon länger, die ist
allerdings nicht einfach zu verstehen:
„1-DE-0212341“ lautet
zum Beispiel ein sol-
cher Erzeugercode, der
in der gesamten EU
Vorschrift ist. Die „1“
steht für Freilandhal-
tung, „DE“ für Deutsch-
land, „02“ für das Her-
kunftsbundesland
Hamburg. Die restli-
chen Ziffern kennzeich-
nen den Betrieb, dem die Eier entstam-
men. Ob die deutschen Verbraucher die-
sen Code bald auf den Verpackungen von
Lebensmitteln mit Ei sehen können, ist
aber noch unklar. Klöckner(FOTO :GETTY)hat
lediglich EU-Kommissar Vytenis Andriu-
kaitis gebeten, das Thema für eine EU-
weite Lösung aufzugreifen.to bu

Richard Grenell, 52, Botschafter der USA
in Deutschland, ist bekannt als undiplo-
matisch auftretender Interessenvertreter
seines Herrn. Sei es der Streit um den
Atomdeal mit Iran, die umstrittene Gas-
pipeline Nordstream oder ein Handelsver-
trag: Grenell zögert nie, unmissverständ-
lich mitzuteilen, was US-Präsident Do-
nald Trump erwartet. An diesem Freitag
hat sich Grenell Bundeswirtschaftsminis-
ter Peter Altmaier (CDU) vorgeknöpft und

ihm eine verbale Ohrfeige verpasst. So
muss sich der Minister gefühlt haben
nach der Mitteilung des US-Botschafters,
in der er Altmaiers jüngsten Vorschlag,
die Industriezölle im Handel mit den USA
auf null zu senken, als ungenügend bewer-
tet. Grenell beginnt recht freundlich, die
USA stimmten mit Altmaiers „öffentli-
chem Bekenntnis überein, die Zölle auf
Industriegüter zu senken und regulatori-
sche Hürden abzubauen“. Danach aber
bezweifelt er, dass Altmaier überhaupt
wisse, was er tue. Ein Zollabkommen der
USA mit der EU müsse den US-Kongress
passieren, schreibt Grenell.
In einem parteiübergreifenden Brief
vom 14. März hätten 114 Mitglieder des
Kongresses aber erklärt, dass dieser kei-
nem Zollsenkungsabkommen zustimmen
werde, das die Landwirtschaft nicht einbe-
ziehe. Wolle sich Altmaier verdient ma-
chen, dann so: „Deutsche, die sich für ein
Handelsabkommen zwischen den USA
und der EU einsetzen, sollten nach Kräf-
ten darauf hinarbeiten, dass solch ein
Abkommen die Ausweitung des Marktzu-
gangs für US-amerikanische und europäi-
sche Landwirte enthält.“ Heißt: Washing-
ton wird erst einlenken im Streit um Straf-
zölle für Autos, wenn Altmaier Paris über-
zeugt, die Landwirtschaft für US-Produk-
te zu öffnen. Was kaum möglich ist.gam

Meike Schlecker,45, Tochter des einsti-
gen Drogeriemarktunternehmers Anton
Schlecker, hat ihre Gefängnisstrafe ange-
treten. Sie befinde sich seit Anfang der
Woche in Haft, sagte ein Sprecher der
Staatsanwaltschaft Stuttgart. Wo sie die
Strafe absitzt, wurde nicht mitgeteilt.
LautBerliner ZeitungundBerliner Kurier
ist sie in Berlin. Meike Schlecker(FOTO: DPA)
war wie ihr Bruder Lars zu zwei Jahren
und sieben Monaten Gefängnis verurteilt
worden. Lars hat seine Strafe vor etwa
einem Monat angetreten. Den Kindern
von Anton Schlecker werden Untreue,
Insolvenzverschleppung, Bankrott und
Beihilfe zum Bankrott ihres Vaters ange-
lastet. Schlecker, einst größte Drogerie-
marktkette Europas, ist im Januar 2012
insolvent gegangen, Tausende Mitarbei-
ter verloren ihre Jobs. Der BGH hatte eine
Revision der Urteile
des Landgerichts Stutt-
gart Ende April zurück-
gewiesen, aber die
Freiheitsstrafen herun-
tergesetzt. Anton Schle-
cker selbst hatte eine
Bewährungsstrafe von
zwei Jahren bekom-
men.dpa

ist unser Mitarbeiter der
Woche. Wenn die
Computersysteme laufen,
kümmert sich keiner um ihn,
aber wehe, wenn nicht! Er
muss immer vorbereitet sein
auf den DAU, den dümmsten
anzunehmenden User. Denn
er weiß: Oft sitzt der Fehler
vor dem Bildschirm.

PERSONALIEN


Deutschland verödet, es gibt immer weniger
Blumenwiesen. Die Regierung tut dagegen
viel zu wenig, kritisiert die EU-Kommission.
Dass es auch anders geht, beweisen ausge-
rechnet die Geldfälscher: Sie bringen
wieder mehr Blüten nach Deutschland.

27 600 gefälschte
Geldscheine wurden
imersten Halbjahr in
Deutschland
entdeckt; Nennwert
rund 1,6 Millionen
Euro. Das waren
2,5Prozent mehr als
noch Ende 2018. Vor
allem der Fünfziger
ist eine beliebte
Blüte. Ob’s an der
Farbe liegt?


Weniger

24 WIRTSCHAFT HF2 Samstag/Sonntag, 27./28. Juli 2019, Nr. 172DEFGH


Undiplomatischer Diplomat:
US-Botschafter Richard Grenell
beim Christopher Street Day in
Berlin.FOTO: REUTERS

Was ist drin?


TrumpsBotschafter


In Haft


DER SYSTEMADMINISTRATOR


WAS KOMMT


Blüten vs. Blumen


Mehr

DieFormel 1 steht
quer zu vielen
gesellschaftlichen Strömungen

Es gibt zehn Rennställe,
in nur einem steht
eine Frau an der Spitze
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