Süddeutsche Zeitung - 27.07.2019 - 28.07.2019

(nextflipdebug5) #1

Wenn schon „Cruise
Collection“, dann
richtig: Der Name
dieser Zwischenkol-
lektionen stammt
noch aus der Zeit,
als betuchte Men-
schen zu Beginn der
kalten Monate per
Schiff samt passen-
der Garderobe in die
Wärme reisten – das
LabelOdeehnimmt
die Bezeichnung
jetzt wörtlich. Und
zeigt seine neuen Entwürfe auf hoher
See. Das deutsche Designer-Duo ist auf
derMS Europazu Gast und lädt Mitte
August zu einer Modenschau, während
das Kreuzfahrtschiff in Bordeaux vor
Anker liegt. Zu sehen gibt es Kleider,
Shorts und luftige Culottes, bedruckt
mit Unterwassermotiven, Segelyachten
und üppigen Blüten – was man sich
eben gern von einem Ausflug in den
Süden mitbringt. Die Hapag-Lloyd-
Rundreise „Fashion2sea“ von Lissabon
nach Hamburg richtet sich an Modeinter-
essierte. Die Odeeh-Kollektion ist an
Bord erhältlich und von Ende des Jahres
an auch für die Daheimgebliebenen
(odeeh.com).


Ein Nagellack auf Wasserbasis passt in
diese Zeit wie Elektroautos und wieder-
verwendbare Tragetaschen. DieGitti-La-
ckeaus Berlin sind nicht nur schadstoff-
frei, sondern auch geruchsneutral. Man
kann sich damit die Nägel im Flugzeug,
im Büro oder gar bei Tisch lackieren,
ohne jemanden mit penetranten Nagel-
lackdämpfen zu belästigen. Und sie las-
sen sich sogar besser auftragen als her-
kömmliche Lacke. Die Wahlberlinerin
und Gründerin des Labels, Jenni Baum-
Minkus, verkauft ihr sogenanntes Con-
scious-Produkt (15 ml, 20 Euro) in über-
aus fotogenen, rechteckigen Fläschchen
und hält die Farbauswahl gering. Erhält-
lich sind sie über einen Online-Shop, für
den man sich extra anmelden muss. Der
nächste Verkauf startet am 12. August.
In der Community erfährt man dann
alles über Nagellacke. Etwa wie man sie
am besten lagert. Spoiler: Im Kühl-
schrank besser nicht (gitti.de).


Die Pilzsaison
steht vor der Tür


  • und mit der
    neuen Leuchte
    namens „Setago“
    vonJaime Hayon
    kann sie sogar in
    der eigenen Woh-
    nung stattfinden.
    Der spanische
    Designer gehört
    mit seinen 45 Jahren schon lange zu den
    maßgeblichen Taktgebern im Interieur-
    design – sein Stil vereint spielerische
    und funktionale Elemente und zeichnet
    sich darüber hinaus immer durch elegan-
    te Leichtigkeit aus. Mit dem dänischen
    Hersteller&Traditionverbindet Hayon
    schon eine lange Zusammenarbeit in
    Sachen Licht, die nun mit der kleinen
    Setago-Lampe ihre Fortsetzung findet.
    Der Name ist vom spanischen Wort „Se-
    ta“ für Pilz abgeleitet, das „go“ be-
    schreibt den mobilen Charakter des
    freundlichen Lichts – dank Akku und
    Aufladung über USB lässt sich die Tisch-
    leuchte kabellos an jedem Platz aufstel-
    len und überallhin mitnehmen. Mit dem
    kleinen Messingknopf kann das Licht
    zusätzlich gedimmt werden. Preis: rund
    100 Euro.


Leonardo DiCaprio als Markenbot-
schafter, dazu eine gute Geschichte –
was braucht ein Label mehr zum Erfolg?
Der amerikanisch-neuseeländische
SchuhherstellerAllbirdshat sich nach
dem Ausruf der Entdecker Neuseelands
benannt („It s all birds“) und seit der
Gründung 2014 konsequent auf pflanzli-
che Materialien gesetzt. Das neue Mo-
dell Tree Toppers besteht aus Eukalyp-
tusfaser. Im Oktober eröffnet ein Store
in Berlin-Mitte.


Sonnencreme, UV-Strahlen, Chlor- und
Salzwasser – Urlaub bedeutet Erholung
für die Menschen, aber oft Stress für
ihre Haut. Umso wichtiger ist der eine
oder andere Tipp vom Dermatologen.
Zum Beispiel der Rat, täglich einige Trop-
fenVitamin-C-Serum(z.B. „Pure Vit-
amin C10 Serum“ von La Roche-Posay,
30 ml, 30 Euro oder „BioLumin-C-Se-
rum“ von Dermalogica, 30 ml, 89 Euro)
in die Sonnencreme zu mischen. Das
Vitamin, das als effizientes Anti-Oxi-
dans bekannt ist, soll sozusagen als SPF-
Upgrade die Haut noch besser gegen die
negativen Auswirkungen von UV-Strah-
len schützen. „Vitamin C im Sonnen-
schutz sorgt dafür, dass die Kollagenfa-
sern in der Haut länger geschützt wer-
den“ sagt Patricia Wexler, Dermatologin
aus New York mit Celebrity-Kundschaft
von Barbra Streisand bis zu den Olsen-
Zwillingen. Zudem verlangsame es die
Bildung von Pigmentstörungen und
glätte das Hautbild insgesamt. Damit
der Mensch mitsamt seiner Hülle erholt
aus dem Urlaub zurückkommt.


anne goebel, t ania messner ,
max scharnigg


von max scharni gg

D

asneueSpülmittel inderTee-
küche im 18. Stock derSZhat
Mango-Limettengeschmack.
Wenn man damit seine Kaf-
feetasse spült, riecht sie hin-
terherdezentnachMangoschorle.DerKü-
chenreiniger zu Hause wirbt auf der Pa-
ckungmit99,9 ProzentwenigerBakterien
und seinem leckeren Aroma: Granatapfel
und Kirschblüte – für glänzende und duf-
tende Oberflächen. Die Oberflächen glän-
zen danach tatsächlich, aber die Küche
riecht,alswäre irgendwoeineSchale Obst-
salatvergessenworden.DasRaid-Ungezie-
ferspray im Ferienhaus ist bitterböse, killt
aber immerhin, wie man liest, mit einem –
neu! – Hauch von Orangenblüten.
Undsoweiter.HeutezwangsduftenDin-
ge, die früher gar nicht oder egal gerochen
haben. Wenn man nicht höllisch aufpasst,
legt man aufs Kassenband versehentlich
parfümierte Müllsäcke (Vanille-Lavendel,
Fa.Swirl)odernarkotisierendeTaschentü-
cher (Mandelöl & Aloe Vera; Fa. Tempo)
oder eine Packung Klopapier des Herstel-
lers Zewa, das nach etwas riecht, das laut
Packungsaufschrift eine Magnolie sein
soll.AberhatjeeinMenschaufderToilette
anMagnoliengedacht?Oderüberhauptan
seinem Klopapier gerochen? Wer hat den
Wunschgeäußert,dassderganzekurzlebi-
ge Hausrat jetzt extra parfümiert sein soll,
genauso übrigens wie Waschmaschine,
Kühlschrank und Sofa? Oder dass Dinge,
die früher schon gerochen haben, heute
zwingend so kompliziert riechen müssen?
Haarshampoo nach grünem Apfel und
Brennnessel, Duschgel nach Wasserminze
(Axe) oder nach „natürlichem Maracuja-
Extrakt und dem Duft der nächtlich blü-
henden Jasminblume“ (Fa). Klar, wenn
man Körpergeruch optimieren muss,
dann kommt dafür nur der nächtlich blü-
hende Jasmin in Frage.

Dabei hat vor nicht allzu langer Zeit
doch alles, was sauber riechen sollte, nach
Variationen von Zitrus gerochen, nur
Schaumbad nicht, das roch nach Eukalyp-
tus. Fertig. Selbst schnöde WC-Steine rie-
chen aber jetzt nach „Wasserlilie“ oder
„Blüten-Frische“. Letzteres vermutlich die
korrekteBegleitungzumMagnolienklopa-
pier,aberumsicherzusein,müsstemanei-
nen Sommelier befragen. Der ärgste Duft-
schock, den ein Bundesbürger früher erei-
len konnte, entsprang den kleinen Reini-
gungstüchern, die man zum McRib oder
halben Hendl dazu bekam. Heute bombt
sich der halbe Haushalt durch die Nase ins
limbischeSystem,undmandurchwandert
ständige, schwere Duftnebel.
Man muss kein Marketinggenie sein,
umzuahnen,dassderarthingeschwurbel-
teGeruchspoesiebanaleProdukteaufwer-
ten und ein bisschen teurer machen soll.
OdersichderneueAromawahn gleichinei-
genen Produkten niederschlägt, etwa dem
Wäscheparfüm, das die Marke Lenor seit
einiger Zeit werbeintensiv vorschlägt. Es
soll in Form von Perlen in dieTrommel der
Waschmaschine wandern und der Wäsche
lang anhaltenden Geruch verpassen, zum
Beispiel nach „prickelnder Bergamotte,
zarter Freesie und strahlendem Jasmin“.
Wohlgemerkt zusätzlich zum ebenfalls
duftstarkenWaschmittel(„GoldeneOrchi-
dee“). Stört sich niemand daran, dass sau-
bere Wäsche mit Kunstorchidee und
Kunstbergamotte kontaminiert wird?
Sind wir olfaktorisch so abgestumpft?
Unüberschaubar ist auch die Zahl der
neuenRaumspraysund Möbelparfümsge-
worden, etwa von Air Wick oder Febreze.
Diese Produkte wollen daheim eine Not-
wendigkeit konstruieren, der früher mit
einem geöffneten Fenster oder Polster-

schrubben begegnet wurde. Das batterie-
betriebene Air-Wick-Duft-Starter-Set soll
qua Ausdünstung für „pure Verwöhnmo-
mente“sorgen undenthältdazueinenFla-
kon mit der Essenz „peruanischer Anden-
blüte, verfeinert mit aromatischen Him-
beeren“.Wasgenaudablüht,müssteeven-
tuell noch mal geklärt werden, aber es
klingt schon passend für den Flur – und
vielleicht auch als Dessert? Ist ständiges
Beduften das neue Sauberhalten? Wenn
man die Regale der Drogeriemärkte ab-
wandert, drängt sich jedenfalls der Ein-
druck auf, dass draußen offene Kloake
und Verwesung warten, und deshalballes
mit Orchidee übertüncht werden muss.
Dabei riecht es draußen eigentlich ganz
okay,wennnichtgeradedieMüllabfuhr da
war. Nach Stadtgrün und Petrichor, jenem
mythischen Geruch von Regen auf trocke-
nem Asphalt, plus ein bisschen Benzin. So
duftet Stadt seit jeher. Der werbeaffine
Bürger aber verlässt dank Kräuter-Sham-
poo, Blüten-Duschgel, Alpenfrische-De-
odorant,parfümierterWäsche,Magnolien-
klopapier und einer satten Brise vom
Raumspray schon morgens das Haus mit
einer verstörenden Duftschlagseite – und
hatdannnochnichtmal zumEaudeToilet-
te gegriffen. Wer je an einem feuchtwar-
men Tag einen vollbesetzten Bus betreten
hat, der weiß – alle diese künstlichen und
billigenGeruchsprodukteergebenzusam-
men ein unerträglich schwüles Odeur, ir-
gendwas zwischen Babykotze und altem
Haarspray. Es riecht jedenfalls niemals
frisch und prickelnd, sondern immer nur
überflüssig.

Außerdem bestäubt sich die urbane
Welt schon künstlich genug. SeitOlfactory
Marketingeinwissenschaftlichuntermau-
erter Standard geworden ist, ist die Nase
schließlich ein ebenso pracht- wie macht-
vollerBestandteilderKundenbindung.Ho-
tels und Modeketten haben längst eigene
Duftstoffe entwickelt, die Kunden aktivie-
renunddasErlebnisalsangenehmabspei-
chern lassen sollen. Vorreiter war dabei
das US-Modelabel Abercrombie & Fitch,
bei dem das hauseigene Cologne anfäng-
lichderartverschwenderischüberKlamot-
ten und Verkaufsräume verteilt wurde,
dass ganze Innenstädte nach paarungsbe-
reitenMännchenrochen.NachBürgerpro-
testen gegen die Duftverschmutzung ge-
lobte die Marke vor einigen Jahren Besse-
rung und sprayt dezenter – dafür hat aber
heuteauchjedesandereGeschäftderFuß-
gängerzone einensignature scent.
Bei Bloomingdale’s in NewYork wirdje-
de Abteilung individuell passend einge-
dampft, Zara und Muji stimulieren nicht
nur unterbewusst die Kauflaune, sondern
verkaufenihrenStallgeruchgleichfürsZu-
hause. Dunkin’Donuts kurbelte sein Ge-
schäftin Korea massiv an, nachdem in den
Bussen Diffusoren mit Kaffeeduft instal-
liert worden waren. Die U-Bahn in Madrid
wurdebeieinerMarketingaktionmitRioja-
Weinaroma versetzt, aber Alkoholdunst
kommt dem natürlichen Stadtgeruch
nach einem Wochenende recht nahe. Bur-
ger King lässt appetitanregenden Whop-
per-Hauch einströmen, Disney räuchert
seine Parks mit Popcornaroma ein und
Mercedes baut in seine Premium-Linien
ein Beduftungssystem, das beim Fahren
zum Beispiel „Downtown Mood“ raus-
haut:„TransparenteBlumigkeitmitdezen-
temMetall-Effekt,durchwarmeMoschus-
noten angenehm sexy.“ Hilfe!
Erst im Biomarkt finden sich die gan-
zen Dinge, die früher nicht gerochen ha-
ben, heute dann auch wieder parfümfrei –
aber mit entsprechendem Aufpreis für
Sonderausstattung.WennallesMango-Li-
mette ist, wird Geschmacklosigkeit eben
zum Statussymbol.

Die Männer und der Sommer, das ist eine
durchaus komplizierte Beziehung. Beob-
achten kann man das in diesen Tagen bei
den Musik- und Opernfestivals, die in
München,SalzburgoderBayreuthstattfin-
den, aber auch bei Hochzeiten, Landtags-
empfängen und gehobenen Terrassen-
events: Schon vor Beginn der Veranstal-
tung brennt die späte Nachmittagssonne
gnadenlos aufdieHerren in ihren dunklen
Anzügen, selbst im Schatten dampfen sie
bei 32 Grad vor sich hin, das Programm-
heftindereinen unddenschon vielzuwar-
men Prosecco in der anderen Hand.
Wieverschafftman sichetwasLuft, un-
ter solchen Umständen? Und wie bewahrt
man ein wenig Haltung, trotz der modi-
schen Hitzedelle, bei der sehr viele Men-
schen komplett auf modische Mindest-
standardspfeifenundliebergleichinDrei-

viertelhosen, Malibu-Shirt und Sandalen
zur Premiere erscheinen, selbst wenn, wie
Ende Juni bei der Eröffnung des Münch-
nerFilmfests, aufderEinladungskarteein
dezenter Hinweis („Dresscode: Smoking“)
steht?Ganzeinfach:DasweißeHemdgeht
immer, zu jeder Jahreszeit, aber beson-
ders in Zeiten, in denen man den Klima-
wandel am eigenen Leib zu spüren glaubt
und vor lauter Transpirationsangst in
einer Art Bewegungsstarre verharrt.
Wohin aber mit dem Sakko, wenn man
beispielsweise auf dem Vorplatz des Bre-
genzer Festspielgeländes steht, in freudi-
ger Erwartung einer mehrstündigen Auf-

führung unter freiem Himmel? Einfach
dieJackeseitlichunter den Armklemmen,
vielleicht kommt sie ja später am Abend
noch zum Einsatz, wenn die Sonne im Bo-
densee versunken ist – bis dahin tut das
weiße Hemd seinen Dienst am Mann.
Im Grunde gibt es kein reduzierteres,
stilvolleres und schmeichelhafteres Klei-
dungsstück für den männlichen Oberkör-
per. Das weiße Hemd passt zu jedem An-
lass; es lässt sich zur Anzughose genauso
kombinieren wie zu Shorts, allerdings nur
dann, wenn zwischen Haut und Hemd
noch ein paar Zentimeter Platz sind, um

sich frei bewegen zu können. Fast schon
grenzwertigengtailliertwardieSonderan-
fertigung von Strenesse, die Bundestrai-
ner Joachim Löw erstmals bei der Europa-
meisterschaft2008derÖffentlichkeitprä-
sentierte. Auf der anderen Seite des Spek-
trums sollte man den Eindruck vermei-
den, dass man erst noch in das Kleidungs-
stück hineinwachsen sollte oder nach Art
vonDonaldTrumpalleszweiNummernzu
groß trägt. Genau in der goldenen Mitte
zwischen Slim-Fit-Fixierung und Gemüt-
lichkeitsanspruch sollte das möglichst
hochwertige und auch an der Knopfleiste

sauber genähte Hemd beschaffen sein,
desMannesletzteRettung in Zeiten,in de-
nen vieles erlaubt, aber nichts verpflich-
tend ist. „Semi Slim Fit“ heißt der propa-
gierte Schnitt bei vielen Marken.
Karl Lagerfeld hat es mal auf den Punkt
gebracht: „Wenn Sie von mir wissen wol-
len, was ich mir wünschte, entworfen zu
haben,wäreesdasweißeHemd.EinHemd
istderAusgangspunkt vonallem.Allesan-
dere kommt danach.“ Diese Aussage wür-
de wohl auch der spanische Sänger Julio
Iglesiasunterschreiben.DasBilddesLatin-
Popstars und Serienliebhabers wäre nicht
komplett ohne die Strahlkraft seiner un-
wirklich schimmernden Zähne und der
makellosen Hemden, die früher bei jeder
TourneeindutzendfacherAusführungbe-
reitlagen – Julio Iglesias, der blütenreine
Schwerenöter, schätzte es sehr, vor jedem
Auftritt ein noch nie getragenes Exemplar
aus der Verpackung zu reißen. Bei Män-
nern wie ihm kontrastiert die Nichtfarbe
Weiß mit einer mit Fleiß erworbenen Dau-
erbräune, die früher mal als schick galt
undvonTennislehrernundGroßstadtstriz-
zismeistzwölfMonate imJahraufrechter-
halten wurde.
ImGrundeistdasweißeHemddieGrun-
dierung des Mannes. Eine Basisausrüs-
tung, die in der aktuellsten Variante sogar
noch ein Stück reduzierter ausfällt: Der
Stehkragenmachtgeradeeineähnlichstei-
le Karriere wie das E-Bike. Man sollte nur
keine halben Sachen machen, weshalb
man Kurzarm-Varianten mit einer gewis-
senSkepsisbegegnensollte.Und wasistso
ein Hemd schon wert, wenn man nicht die
Ärmelhochkrempelnkann,einezurMeta-
pher gewordene Tätigkeit, die für Lebens-
freude und Tatkraft steht?

DasweißeHemdisteinerfreulichflexib-
les Kleidungsstück für Situationen, in de-
nen man sowohl seriös als auch lässig wir-
ken will – oder einfach auf Nummer sicher
gehen möchte. All das schätzt auch George
Clooney.DerHollywood-Schauspielerver-
trautbeiwichtigenAuftrittenaufdenKlas-
siker, im dem schon Humphrey Bogart
und John F. Kennedy ihre Männlichkeit
zurSchaustellten:EgalobClooneymitBa-
rack Obama eine Spritztour mit dem Mo-
torboot auf dem Comer See unternimmt,
beimFilmfestinCanneseinläuftoderWer-
bung für Luxusuhren macht, das weiße
Hemd signalisiert verlässliche Schnörkel-
losigkeit. Wie der Schauspieler das macht,
bei Wind und Blitzlichtgewitter knitter-
frei, aber keineswegs steif zu wirken? Es
bleibt sein Geheimnis.

Was die Werbewirkung angeht, gibt es
ohnehin kaum etwas Besseres. Die Serie
„Mad Men“ wäre unvorstellbar ohne die
anfangs immer noch korrekt gestriegelten
Kreativen der New Yorker Werbeagentur,
bei denen es immer dann gefährlich zu
werden droht, wenn der erste sein Sakko
auszieht. Don Draper, die Hauptfigur die-
ser fein beobachteten Gesellschaftsserie
über die Sechzigerjahre, mag als Mann ein
verhaltensgestörtes Raubtier sein; stilis-
tisch bleibt er mit sich selbst im Reinen,
ein Vorbild an Selbstsicherheit, was sein
Äußeresangeht. Wiedas geht?Indem man
auf sein weißes Hemd vertraut. In allen
Lebenslagen. christian mayer

Mann braucht nicht mehr


Es gibt eine Möglichkeit, auch in diesem Sommer seine Würde zu wahren. Ein Lob auf das weiße Hemd


58 STIL Samstag/Sonntag, 27./28. Juli 2019, Nr. 172DEFGH


Duftverschmutzung


Goldene Orchidee, Mango, nächtlich


blühender Jasmin: Warum müssen selbst einfache


Haushaltsartikel heute so verstörend riechen?


In der Serie „Mad Men“ wird es
immer gefährlich, wenn Don
Draper sein Sakko auszieht

Sogar Mercedes baut in seine
Premium-Linien jetzt ein
eigenes Parfümsystem ein

Karl Lagerfeld hätte das weiße
Hemd gerne erfunden:
„Alles andere kommt danach.“

Klar, Natur riecht manchmal richtig gut. Aber müssen deswegen Müllbeutel künstlichen Vanille-Lavendel-Geruch ha-
ben oder der Weichspüler nach etwas duften, das japanische Seidenbaumblüte sein soll? FOTO: IMAGO

Ist ständiges Beduften
das neue
Sauberhalten?

Passt bei fast jedem Anlass: Hollywood-Schauspieler Ryan Gosling im weißen
FOTOS: ODEEH, SETAGO, ALLBIRDS Hemd bei den Filmfestspielen in Cannes.^ FOTO: GETTY IMAGES

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