Süddeutsche Zeitung - 27.07.2019 - 28.07.2019

(nextflipdebug5) #1
von georg kacher

V

on wegen die Lichter der Groß-
stadt – während eines mehr-
stündigen Stromausfalls fla-
ckert Manhattan im fahlen
Licht derNotbeleuchtung. Bisin
die Morgenstunden gibt es keine Möglich-
keiten, Sprit zu zapfen oder Strom zu tan-
ken. Immerhin hat BMW den E-Mini bei-
zeiten vollgeladen: Ladezustand 86Pro-
zent, angezeigte Reichweite 230Kilome-
ter. Der SE ist zu gleichen Teilen Mini und
Cooper. Mit dem Basis-Mini identisch
sind die Platzverhältnisse im Innenraum
und der Kofferrauminhalt von 211 Liter.
AmCooperorientierensich dasagileHand-
ling und die ordentlichen Fahrleistungen.
Den Spurt von 0 auf 60 Kilometer pro
Stunde (hier endet normalerweise die
Nachsicht der New Yorker Polizei) schafft
das Schnurrwerk in 3,9 Sekunden – ein Z4
3.0i kann das kein Zehntel besser. Von 0
auf100Stundenkilometervergehen7,5Se-
kunden, die Höchstgeschwindigkeit wird
bei 150 Kilometer pro Stunde elektronisch
abgeregelt.
Der E-Motor leistet 185 PS. Das eben-
fallsvomi3SausgeborgteEingang-Getrie-
be überträgt das maximale Drehmoment
von 270 Newtonmeter an die Vorderräder.
Damit die nahezu ansatzlos verfügbare
Kraft nichtwieeinBlitzindieLenkungein-
schlägtundandenKarkassenderoptiona-
len 17-Zoll-Räder zerrt, sorgt eine super-
schnelle Regelmimik für Disziplin im Vor-
derwagen. Analog zum neuen 1er hat sich
auch der Cooper SE übermütiges Unter-
steuern ebenso abgewöhnt wie jäh abrei-
ßenden Kurvengrip und Traktionsproble-
me auf niedrigen Reibwerten. Das Resul-
tat dieser Maßnahmen ist ein absolut sou-
veränesEigenlenkverhaltenohneNachtre-
ten auf welliger Fahrbahn, instabilem Ge-
radeauslaufundzuckendemHeckbeiLast-
wechseln. Der Straßenlage zuträglich ist
außerdemderdurchdasBatteriepaket be-
dingte, um 30 Millimeter niedrigere
Schwerpunkt.

New York ist berühmt für den Times
Square, die Freiheitsstatue, die Brooklyn
Bridge und den von Schlaglochpocken
und Dauerbaustellen durchsetzten As-
phaltdschungel. Diese Topographie
macht mit vielen Autos kurzen Prozess –
nicht aber mit dem Elektro-Mini, der trotz
kurzem Radstand, breiten Reifen und
sportlichem Charakter den anspruchsvol-
len Parcours erstaunlich behände bewäl-
tigt. Das verwindungssteife Auto hat das
Federn und Dämpfen nicht verlernt, ob-
wohl ein Mehrgewicht von 145 Kilogramm

gegenüber dem Cooper S mit Steptronic
auf den Achsen lastet. Um das Batteriepa-
ket vor Aufsetzern zu schützen, haben die
Ingenieure ein vollflächiges Unterfahr-
blech installiert, das die Trimmlage um 18
Millimeter anhebt. Zu den auf den ersten
Blick sichtbaren Unterschieden gehören
dergeschlosseneGrill,dieHeckschürzeoh-
neAuspuff-Endrohresowiedieinknallgel-
ber Signalfarbe lackierten Außenspiegel.
Ein in dieser Preisklasse durchaus übli-
ches Head-up-Display sucht man im Coo-
per SE ebenso vergeblich wie Paddel am
Lenkrad, mit denen sich die beiden Reku-
perations-Stufen intuitiv bedienen ließen.
In diesem Zusammenhang würde es sich
anbieten, durch gleichzeitiges Ziehen der
PaddeldenFreilaufzuaktivieren.Minihat
sichstattdessendazuentschlossen,dieRe-

kuperation über das Fahrpedal (One Pedal
Feeling)undübereinenKipphebelzusteu-
ern, der in der Mittelkonsole direkt neben
demStart-Tastersitzt. Wernichtaufpasst,
schaltet schon mal versehentlich den An-
trieb ab, der erst nach einem Umweg über
die Stufen P oder N wieder zum Leben er-
wacht – ein unnötiges Risiko, nicht nur im
Stop-and-go-Verkehr. Ein prinzipbeding-
ter Kritikpunkt betrifft den für einen Mini
zu großen Wendekreis, der sich nur im
Rahmen einer Neukonstruktion mit nach
innen versetzten Längsträgern beseitigen
ließe. Einen zwiespältigen Eindruck hin-
terlassen an diesem 34 Grad heißen Som-
mertag die vier Fahrprogramme. Green+
reduziert die Klimaleistung und verbietet
sich damit von selbst, Green erzieht über
Gaspedal- und Motor-Kennung zum allzu
defensiven Fahren, der Normalmodus
MID ist ein leider nicht segelfähiger Kom-
promiss,SporttreibtdenVerbrauchvon15
auf 25Kilowattstunden (kWh) und mehr –
zaubert aber gleichzeitig dem Fahrer ein
Lächeln aufs Gesicht.
Der 32,6-kWh-Akku kann an öffentli-
chen Ladesäulen oder über eine 11kW-
Wallbox zu Hause in zweieinhalb Stunden
zu 80 Prozent nachgeladen werden. An ei-
ner 50-kW-Gleichstromsäule geht das in
nur 35 Minuten. Das speziell für den Coo-
per SE entworfene ovale Digitaldisplay im
direkten Blickfeld des Fahrers gibt detail-
liertAuskunftüberdenZustandderBatte-
rie, die zur Route passenden Ladestatio-
nen und gegebenenfalls die verbleibende
Ladedauer.AuchGeschwindigkeit,Telefo-
nieundMusikwerdenvondiesemZentral-
instrument abgebildet.
Was dem E-Mini zur Bestnote noch
fehlt,isteinekräftigere,50 kWhstarkePo-
wer-Einheit mit entsprechend größerer
Reichweite, ein Assistenzpaket mit den
wichtigsten teilautonomen Fahrfunktio-
nen, ein breiter gefächerter Algorithmus
in Sachen Rekuperation und Segeln – so-
wie an diesem ganz besonderen Tag eine
Entwarnungs-SMS, als der Strom in Man-
hattan wieder zu fließen begann.

Es schimmert dunkelgrün und ist für ein
Pedelec, also ein Fahrrad mit elektrischem
Unterstützungsmotor, erstaunlich
schlank: das Ten Torino der Firma Coboc.
DasRad sieht aus, als hätteman ein Moun-
tainbike mit einem Rennrad gekreuzt: Ge-
steuert wird das Gefährt mittels einem
Rennlenker, rollen tut es aber auf recht vo-
luminösen Reifen. Es ist ein sogenanntes
Gravelbike, genauer: ein Gravel-Pedelec –
also ein etwas kräftiger gebautes Rennrad,
das auch vor Schotterwegen nicht ein-
knickt. Der Lenker ist auf Höhe der Griffe
beidseits etwas ausgestellt. Auffällig sind
die Laufräder: Sie haben eine Größe von
27,5 Zoll und sind mit zwei Zoll (also rund
fünf Zentimetern) fast so breit wie bei ei-
nem typischen Mountainbike.
GebautwirddasPedelecvomHeidelber-
ger Unternehmen Coboc, das 2011 von
zwei Physikern gegründet wurde. Die Fir-
ma hat sich zum Ziel gesetzt, besonders
schicke Pedelecs zu bauen. Schick bedeu-
tet in diesem Fall vor allem puristisch oder
neudeutsch: clean. Aufgrund ihrer filigra-
nerenBauweisewirkendieModellevonCo-
boc meist so, als seien sie eher für sanften


städtischen Asphalt denn für grobe Schlä-
ge deutscher Feldwege gemacht. Doch mit
dem Ten Torino wagt sich Coboc nun erst-
malstieferinsGelände vor.DasTen Torino
wirkt aber nicht grobschlächtig: Es ist ge-
nauso elegant gebaut wie die übrigen Rä-
der der Firma – bis hin zum Rücklicht, das
in das Sitzrohr integriert ist. Einen klobi-
gen Akku, der wuchtig auf dem Unterrohr
sitzt,sucht man am Ten Torino vergebens.

AuchderelektrischeAntriebisteherun-
auffällig in der Hinterradnabe unterge-
bracht. Das Gewicht des Motors ist zwar
beim Heben deutlich zu spüren, doch das
250-Watt-Aggregat der chinesischen Fir-
ma Bafang ist so klein, dass das Rad mit
14,5 Kilogramm Gesamtgewicht ver-
gleichsweise leicht bleibt. Gestartet wird
die Elektrik mit einem Knopf am Ober-
rohr. Das Rad antwortetmit einigenleuch-
tenden LEDs im Oberrohr. Der Motor

bringt sich während der Fahrt eher unauf-
fällig ein. Er ruckelt manchmal etwas, ar-
beitet auch nicht ganz so leise, wie andere
Nabenmotoren das mitunter schaffen,
aber er ist präsent. Die Intensität, so sagt
esderHersteller,richtetsichnachderStär-
ke des Antritts. Je kraftvoller also ein Fah-
rer tritt, desto mehr arbeitet der Motor zu.
Er unterstützt bis zu der in dieser Pede-
lec-Kategorie maximal zulässigen Ge-
schwindigkeit von 25 Stundenkilometern.
Das scheint für ein Fahrrad, das optisch
für zügigere Fahrten konzipiert ist, nicht
besonders schnell zu sein, doch spätestens
nach der ersten Fahrt gegen kräftigen
Wind lernt man den Motor durchaus zu
schätzen. Und wenn die Straße zwischen-
durch zum Feldweg wird, machen sich die
voluminösenReifenbemerkbar.Siedämp-
fen je nach Luftdruck große Stöße etwas
ab. Auch die Carbon-Gabel stemmt sich
tapfer gegen manche Vibrationen.
Die Kommunikation mit dem Fahrer ist
simpel: Die LEDs im Oberrohr signalisie-
ren, wie es um den Akku bestellt ist oder
blinken rot auf, wenn es in der Elektronik
hakt. Ein am Rad verbautes Display, das

zum Beispiel die Geschwindigkeit anzei-
gen würde, gibt es nicht – man vermisst
ein solches Display im Alltag aber auch
nicht.Fürdie,diemehrbrauchen,gibtesei-
ne Handy-App, über die navigiert werden

kann, die Routen aufzeichnet und das An-
sprechverhalten des Motors justiert.
DerMinimalismuskannsichaberunan-
genehm bemerkbar machen – etwa dann,
wenn der Akku geladen werden muss. Er

sitzt im Unterrohr und lässt sich nicht ent-
nehmen.Füralle,diedasRadineinerGara-
geladenkönnen,istdasokay;füralleande-
ren steigt der Aufwand: Gegebenenfalls
muss das Rad in die Wohnung getragen
werden. Immerhin soll der Akku binnen
zwei Stunden zu 90 Prozent, in zweiein-
halb Stunden komplett aufgeladen sein,
verspricht der Hersteller. Langstrecken-
Pendler müssen aber auf jeden Fall an die
Steckdose: Der Akku im Ten Torino hat
nur eine Kapazität von 352 Wattstunden.
Das ist – etwa im Vergleich zu einem
E-Mountainbike – nicht besonders viel,
soll aber nach Angaben des Herstellers je-
doch für mehr als 70 Kilometer reichen.
Der Preis des Ten Torino liegt bei rund
5000 Euro. Damit zählt das Rad im Pede-
lec-Segement zur gehobenen Mittelklas-
se. Für das Geld gibt es nur eine Ausstat-
tungmittlerenNiveaus:eineApex-1-Schal-
tung der Firma Sram und Bremsen von
ebendiesem Zulieferer. Für den Tausch ei-
nes Akkus, der nur durch einen Händler
vorgenommen werdendarf,sind900 Euro
fällig. Ein Kauf von zusätzlichen Akkus ist
nicht möglich. hans von der hagen

Ein Kipphebel steuert die
Stärke der Rekuperation.
Ideal ist das nicht

E-Power


für die Stadt


Geringe Reichweite und hoher Preis sind


sein Handicap – doch auf der Straße kann


der neue Mini Electric überzeugen


Mit 14,5 Kilogramm zählt das
Rad zuden leichteren
Modellen im Pedelec-Segment

Schön, schlank – und unpraktisch


Die Firma Coboc hat mit dem Ten Torino ein elegantes E-Gravelbike im Programm. Doch der Minimalismus des Rades hat seinen Preis. Im doppelten Sinne


*in diesen Ländern gibt es noch weitere Varianten
SZ-Grafik: Mainka; Quelle: Dekra

Ja, was leuchtet
denn da?

West-
deutschland

Ost-
deutschland

Österreich* Dnemark * Kuba

USA Argentinien Nieder-lande

Frankreich* Mongolei Spanien*

Belgien Taiwan Thailand

Shanghai Guadeloupe Japan

Monaco Indonesien Griechen-land

In Emden stehen seit
Kurzem an einigen
KreuzungenAmpelnmit
Männchen des Emdener
Komikers Otto Waalkes;
dort sind nun Ottifanten
und ein Ampel-Otto in der
Pose eines hoppelnden
Häschens zu sehen.
Ähnliches plant die Stadt
Bayreuth:Gehtesnach
einigen Stadträten, soll
dort bald der Komponist
Richard Wagner den
Fußgängern anzeigen,
wann sie die Straße
überqueren dürfen. Auch
in anderen Ländern sind
mitunter eigenartige
FigurenandenAmpelnzu
entdecken.
Hier eine kleine Auswahl:

DEFGH Nr. 172, Samstag/Sonntag, 27./28. Juli 2019 68


MOBILES LEBEN


Gelb ist die Elektroleitfarbe beim Mini. Deshalb hat das neue Modell
gelbe Außenspiegel, auch die Felgen sind gelb (Bild oben). Die
Rückleuchten mit dem Muster der britischen Flagge sind hingegen ein
optischer Gag bei allen Modellen der Mini-Familie.FOTOS: MINI

5000 Euro
verlangt Coboc
für das
Ten Torino.
FOTO: COBOC

An der Mosel testet die Bahn eine
neue Methode zur Sanierung von
alten Eisenbahnröhren  Seite 67

Tunnel im Tunnel

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