Süddeutsche Zeitung - 27.07.2019 - 28.07.2019

(nextflipdebug5) #1
von alan cassidy

Washington –Der Termin steht bereits
fest: Am 9. Dezember soll Daniel Lewis
Lee, ein Rechtsradikaler, der drei Men-
schen umgebracht hat, in einem Gefäng-
nis im Bundesstaat Indiana hingerichtet
werden. Es wird das erste Mal nach mehr
als 16 Jahren sein, dass die US-Bundesre-
gierung wieder ein Todesurteil voll-
streckt. „Das Justizministerium hält den
Rechtsstaat hoch“, sagte Justizminister
WilliamBarr,alserdieAnordnungderRe-
gierung am Donnerstag ankündigte. „Wir
schulden es den Opfern und ihren Fami-
lien, die von unserem Justizsystem ver-
hängte Strafe umzusetzen.“

Neben Lee sollen bis Ende Januar 2020
vierweitereMörderdurcheineGiftspritze
hingerichtet werden. 61 Verurteilte sitzen
derzeit in Todeszellen der Bundesregie-
rung. Präsident Barack Obama hatte den
Vollzug der Todesstrafe auf Bundesebene
vor fünf Jahren ausgesetzt. Bereits zuvor
waren HinrichtungendurchdieBundesre-
gierung selten gewesen: Seit der Wieder-
aufnahme der nationalen Todesstrafe
1988 wurden drei zum Tode verurteilte
Täter hingerichtet. Der bekannteste war
der rechtsextreme Terrorist Timothy
McVeigh, der 1995 bei einem Bombenan-
schlag in Oklahoma 168 Menschen tötete.
LetztmalsvollstrecktwurdeeineTodesur-
teils auf Bundesebene 2003. Damals wur-
de ein Veteran der US-Armee wegen Mor-
des an einer Soldatin hingerichtet.
Die Kehrtwende der US-Bundesregie-
rung steht im Widerspruch zur Entwick-
lungindenBundesstaaten. 21von50Staa-
tenhaben dieTodesstrafeabgeschafft,zu-
letzt war dies im Mai in New Hampshire
der Fall. Die Zahl der Hinrichtungen ist
von 98 Fällen im Jahr 1999 auf 25 im ver-
gangenen Jahr gesunken. Umfragen zei-
gen,dassdieUnterstützungfürdieTodes-
strafe in der Öffentlichkeit in den vergan-
genen Jahrzehnten gesunken ist. Den-
nochunterstütztnochimmergutdieHälf-
te der Amerikaner die Todesstrafe.
Das von Obama verhängte Moratorium
auf Bundesebene ging zurück auf mehre-
re missglückte Hinrichtungen, bei denen
die Verurteilten erst nach einem qualvol-
len Todeskampf starben. Deshalb sollen,
wieJustizministerBarramDonnerstagan-

kündigte, dieStrafvollzugsbehörden Exe-
kutionen nicht länger mit einer Mischung
ausdrei verschiedenenGiftstoffen durch-
führen, sondern eine Injektion des Präpa-
rats Pentobarbital anwenden. Dies sei mit
der US-Verfassung vereinbar.
PräsidentDonaldTrumphattesichwie-
derholtfüreineWiedereinführungderTo-

desstrafe auf Bundesebene ausgespro-
chen.Auch Drogendealer gehörten hinge-
richtet, sagteermehrmals.Mehrere Präsi-
dentschaftskandidaten der Demokraten
kritisiertendieEntscheidungderBundes-
regierung scharf. Senatorin Kamala Har-
ris nannte die Todesstrafe „unmoralisch“.
Der Ex-Vizepräsident Joe Biden war frü-

her Unterstützer der Todesstrafe. Inzwi-
schen hat er seine Haltung geändert. „Seit
1973 sind mehr als 160 Personen in die-
sem Land zum Tode verurteilt und später
entlastet worden“, schrieb er bei Twitter.
„Weil wir nicht sicher sein können, dass
wir in diesen Fällen immer richtig liegen,
müssen wir die Todesstrafe abschaffen.“

München– 10000 Unterschriften wären
nötig gewesen, fast 36000 sind es letzt-
lich geworden – gut dreimal mehr, als ge-
setzlichfürdieZulassungdesVolksbegeh-
rens gefordert. So jubelte die Initiative für
mehr Artenschutz in Baden-Württem-
berg am Freitag vor der Übergabe der Un-
terschriftenlisten.Diesewurdenganzöko-
logisch auf zwei Lastenfahrrädern zum
Stuttgarter Innenministerium gekarrt.
Die Hauptforderungen der Initiative sind
50ProzentÖkolandbaubis2035,eineHal-
bierung desmitPestizidenbelastetenFlä-
chenanteils bis 2025, für Naturschutzge-
biete ein Verbot von Pestiziden, die Tiere
und Pflanzen gefährden, sowie der Schutz
von Streuobstbeständen.
Das Innenministerium muss den An-
trag der Initiative nun binnen drei Wo-
chen prüfen. Ist dieser verfassungskon-
form und zulässig, setzt das Ministerium
einen Zeitraum für das Volksbegehren
fest. Sollte dieses zugelassen werden,
haben die Unterstützer – anders als in
Bayern – ein halbes Jahr Zeit, die nötigen
770000Unterschriftenzusammeln.Aller-
dings regt sich nicht nur bei der CDU und
derFDPKritik.AuchTeilenderGrünenso-
wie manchen Biobauern geht der Gesetz-
entwurf, zu dessen Verwirklichung das
Volksbegehren führen soll, zu weit.
Der agrarpolitische Sprecher der Grü-
nen im Landtag, Martin Hahn, hatte
jüngst in einem Brief an die Landesregie-
rung den Entwurf als ungenau kritisiert.
So würde die Forderung nach einem Ver-
botvonPflanzenschutzmittelnauchbiolo-
gischeVerfahreneinschließen,dieim öko-
logischen Landbau angewendet würden.
Außerdem warnte er vor einem ruinösen
Preiswettbewerb. Die Grünen-Fraktion
distanzierte sich daraufhin von Hahn und
teiltemit,siestehederInitiativepositivge-
genüber. Ein Fraktionssprecher nannte
aber speziell die Forderung nach 50Pro-

zent Ökolandbau bis 2035 ambitioniert.
Auch unter den ökologischen Anbauver-
bänden ist man sich nicht einig, wie weit
es mit dem Volksbegehren gehen soll. So
zählt der Demeter-Verband zu den ersten
Unterstützern der Initiative, der Bioland-
Verbanddagegenhofftaufeinen „alterna-
tiven Weiterentwicklungsvorschlag“. Und
dieCDUmöchtedie Auswirkungeneinzel-
ner Maßnahmen vertieft prüfen lassen,
heißt es in einem Antrag der Fraktion.

David Gerstmeier, der Sprecher der In-
itiative„RettetdieBienen“,möchtegarkei-
nen „Kampf der Verbände“ und versteht
nicht, wie man überhaupt gegen mehr Ar-
tenschutz sein könne. Gerstmeier will das
Volksbegehren als Handlungsauftrag an
die Politik verstanden wissen, den Öko-
landbau so attraktiv wie möglich zu ma-
chen. In Kindergärten, Krankenhäusern
und Schulen müssten Land und Kommu-
nen Vorbild sein und Bioessen anbieten,
um die heimische Ökoproduktion zu un-
terstützen. Das fordert er übrigens auch
von den Bürgern, selbst wenn diese dafür
einen höheren Preis zahlen müssten.
edel tr aud ra ttenhuber

Welch faszinierendes Wunderwerk der
menschliche Körper eigentlich ist, zeigt sich
immer wieder bei einem genauen Blick in
seine Steuerungszentrale, das Gehirn. Es ist
erstaunlich, welche fein justierten und letzt-
lich schlauen Mechanismen dort Lebenspro-
zesse steuern: Sprache, Emotionen, Regula-
tion von Schlaf- und Wachphasen, all das
kontrollieren Nervenzellen, jeden Tag, unun-
terbrochen.
Einer der Wirkstoffe, die in diesen kom-
plexen Schaltkreis eingreifen, ist Pentobar-
bital – jenes Mittel, mit dem die US-Regie-
rung nun wieder die Todesstrafe ausführen
möchte. Pentobarbital ist kein Newcomer
auf dem Markt für Narkosemittel, es

kommt bereits regelmäßig in der Tiermedi-
zin zum Einsatz – und ja, auch bei der Tö-
tung eines Menschen, zum Beispiel in der
Schweiz. Dort wird es auf Wunsch todkran-
ken Patienten zur Verfügung gestellt, die da-
mit ihr Lebensende selbst einleiten wollen.
Auch in Deutschland spielt der Wirkstoff in
der Debatte um den „assistierten Suizid“ ei-
ne wichtige Rolle: Seit Jahren fordern
schwer kranke Menschen, dass ihnen der Zu-
gang zu dem Mittel erlaubt werden sollte.
Tatsächlich ist Pentobarbital, so zynisch
das klingt, ein sehr zuverlässiger Wirkstoff,
wenn es darum geht, einen Menschen zu tö-
ten. Das Mittel aus der Klasse der Barbitura-
te wirkt vornehmlich im Gehirn und im Rü-

ckenmark. Dort aktiviert es sogenannte GA-
BAa-Rezeptoren, die wohl wichtigsten inhi-
bitorischen Rezeptoren im zentralen Ner-
vensystem.
Ihre Aktivierung führt dazu, dass – grob
vereinfacht – zahlreiche Körperfunktionen
herunterfahren: Angst löst sich, die Atmung
wird flacher, Muskeln erschlaffen. Außer-
dem regulieren die Rezeptoren die Einlei-
tung des Schlafs, weshalb Pentobarbital vie-
le Jahre als Schlafmittel verkauft wurde, bis
es nach zahlreichen Missbrauchsfällen vom
Markt verschwand. Denn eine hohe und
schnell applizierte Dosis führt zum tiefen
Schlaf und letztlich zum schmerzfreien Ersti-
cken eines Menschen. FELIX HÜTTEN

Berlin– Die Bundesregierung hat Boris
Johnson vor überzogenen Erwartungen
bei Brexit-Gesprächen mit der EU ge-
warnt. „Meine Botschaft an den neuen
britischen Premierminister ist sehr klar:
Boris, der Wahlkampf ist vorbei. Beruhi-
ge dich mal“, sagte der Europa-Staatsmi-
nister im Auswärtigen Amt, Michael
Roth, im ZDF. Neue Provokationen seien
nicht hilfreich. Der Brexit- Vertrag wer-
de nicht neu verhandelt. Johnson forder-
te in einem Gespräch mit Kanzlerin
Angela Merkel, der „Backstop“ müsse
gestrichen werden. Mit dieser Notfall-
klausel sollen Grenzkontrollen zwischen
Nordirland und dem EU-Mitglied Irland
verhindert werden. reuters


Grün gegen Grün


36 000für Artenschutz-Volksbegehren in Baden-Württemberg


Leipzig –Es ist fast so etwas wie eine salo-
monische Entscheidung, die der sächsi-
scheVerfassungsgerichtshofamDonners-
tagabend in Leipzig getroffen hat: Die AfD
darf nun vorläufig doch mit 30 statt mit
18 Kandidaten zur Landtagswahl am



  1. September antreten. Damit korrigierte
    das Gericht den Landeswahlausschuss,
    deram 5.Juli in Kamenz nureinen Teil der
    ursprünglich 61-köpfigen Landesliste der
    Partei zugelassen hatte – wegen angebli-
    cher Verfahrensfehler.
    Im FebruarhattediesächsischeAfD auf
    einem ersten Listenparteitag in Markneu-
    kirchen unter teils chaotischen Bedingun-
    gen die Bewerber für die ersten 18 Plätze
    gewählt. Die restlichen Kandidaten wur-
    den im März bestimmt – mit neuen Ver-
    sammlungsleitern, Vertrauenspersonen
    undabListenplatz31nichtmehrinEinzel-
    abstimmung,sondernausZeitgründen im
    Blockwahlverfahren.DerLandeswahlaus-
    schuss hatte moniert, dass die Liste nicht
    in einer einheitlichen Versammlung auf-
    gestellt worden sei. Durch den Wechsel
    des Wahlverfahrens sei zudem die Chan-
    cengleichheit der Kandidaten beeinträch-
    tigt gewesen.
    Die AfD entschied sich daraufhin für
    Angriff statt Selbstkritik, organisierte
    spontaneinePressekonferenz,präsentier-
    te ein eigenes Rechtsgutachten, legte so-
    wohl beim Bundesverfassungsgericht als
    auch in Leipzig Verfassungsbeschwerde
    ein, forderte per Eilantrag die vorläufige
    Zulassung aller Kandidaten. In Karlsruhe
    war die Partei bereits am Mittwoch ge-
    scheitert. Der eingereichte Antrag sei
    nicht ausreichend begründet, zudem fehl-
    ten wichtige Unterlagen. Auch werde der
    Schutz des Wahlrechts bei Landtagswah-
    len grundsätzlich durch die Länder ge-
    währt, so das Bundesverfassungsgericht.
    Während der mehrstündigen Verhand-
    lung vor dem Verfassungsgerichtshof in


LeipzigverteidigteLandeswahlleiterinCa-
rolin Schreck ihre Entscheidung, die AfD-
Landeslistezukürzen,gerietjedochzuneh-
mendindieDefensive.AfD-Vertreter war-
fen SchreckVoreingenommenheitvor,be-
zeichnetendenWahlausschussals„Laien-
gremium“.MichaelElicker,Prozessbevoll-
mächtigter der Partei, war es schließlich,
der Drohungen gegen die Landeswahllei-
terin und die Tatsache, dass Sitzungen der
Behörde seit der umstrittenen Listenkür-
zung unter Polizeischutz stattfinden, für
eigene Zwecke nutzen wollte. Das Gericht
müsse auch deshalb zu einer Entschei-
dung finden, um den Frieden im Land zu
wahren, sagte Elicker, nur um kurz darauf
zurückzurudern: Natürlich dürfe mögli-
che Gewalt niemals ein Maßstab sein.

VereinzeltgabesBeifallvondenvollbe-
setzten Zuschauerbänken in Saal 115. Die
Vorsitzende Richterin Birgit Munz unter-
banddassofort:„Wirsindhiernichtaufei-
ner Parteiveranstaltung.“ Am Ende ent-

schied das Gericht, dass die im Block ge-
wählten Plätze 31 bis 61 gestrichen blei-
ben.DieRichtersahenbeidieserEinschät-
zung des Landeswahlausschusses keinen
so gravierenden Fehler, als dass sievor der
Wahleingreifenmüssten.EineNotwendig-
keit, die Listenaufstellung in einer einzel-

nen Veranstaltung zu realisieren, sah das
Gericht hingegen nicht.
Für die AfD ist die Entscheidung Erfolg
und Dämpfer zugleich. Zwar ist das Risiko
unbesetzter Landtagsmandate nun klei-
ner, aber der Wahlkampf ausgebremst.
Die Kürzung der Liste wirkte wenige Wo-
chenvor derLandtagswahl wieein Kataly-
sator,ermöglichtedieVerknappungpoliti-
scher Inhalte auf ein Narrativ, das im Os-
ten zur DNA der Partei gehört: Wir gegen
das System. Beim Wahlkampfauftakt am


  1. Juli waren die neuen Plakate schon ge-
    druckt: „Jetzt erst recht“ stand auf den
    Pappen im Lommatzscher Schützenhaus.
    Entsprechend widersprüchlich waren
    die Reaktionen nach Verkündung des Ur-
    teils. Hatte Landeschef Jörg Urban zu-
    nächst von einem Erfolg für die AfD und
    die Demokratie gesprochen, teilte die Par-
    tei später mit,man sei nicht zufrieden. „Es
    kann und darf uns nicht vorgeschrieben
    werden, 61 ListenkandidatenineinemEin-
    zelwahlverfahrenzuwählen“,hießesinei-
    ner Erklärung. „Der AfD wird verboten,
    was anderen Parteien erlaubt ist.“ Man
    werde „die Sache juristisch und politisch
    weiterverfolgen“. Die Partei braucht den
    Furor, die angebliche Ungleichbehand-
    lung, um weiter zu mobilisieren.
    Dass sich der Verfassungsgerichtshof
    der Sache angenommen hat, ist ein No-
    vum. Das sächsische Wahlprüfungsgesetz
    siehtrechtlicheSchrittenurnachderWahl
    vor. Das Gericht hingegen sah einen „be-
    sonderen Ausnahmefall“, da aufgrund ei-
    nes möglichen „Wahlfehlers von außeror-
    dentlichem Gewicht“ Neuwahlen gedroht
    hätten. Auch deshalb häufen sich nun
    Stimmen, die eine Wahlrechtsreform in
    Sachsen fordern. Eine abschließende Be-
    wertung wollen die Richter am 16. August
    vornehmen. Dann soll auch geklärt wer-
    den, ob Grundrechte der AfD-Kandidaten
    verletzt wurden. ulrik e nimz


warten in den Todestrakten
des US-Bundesstaatenauf
ihre Hinrichtung. Im nationa-
len Todestrakt sind nach
Angaben von Menschenrecht-
lern zusätzlich 61 Verurteilte
inhaftiert. Auf nationaler
Ebene wurde zuletzt 2003 ein
Mensch hingerichtet, in den
Bundesstaaten wurden allein
im Jahr 2018 insgesamt 25
Todesurteile vollstreckt.

Es geht nicht nur um die Biene


  • aber auch.FOTO: MAXIME GILBERT


Brüssel –Ungarns rechtskonservative
RegierunghatdieKlagederEU-Kommis-
sion wegen ihres Umgangs mit Flücht-
lingshelfern und Asylsuchenden zurück-
gewiesen.ZoltánKovács,derfürKommu-
nikation zuständige Staatssekretär, er-
klärte, dass die Regierung von Viktor Or-
bán „absolut bereit“ sei für den Prozess
und seine Gesetze verteidigen werde.
AmDonnerstaghattedieEU-Kommis-
sion Ungarn vor dem Europäischen Ge-
richtshof(EuGH)verklagt,umeineRück-
nahme der umstrittenen Maßnahmen zu
erzwingen.EsseimitEU-Rechtunverein-
bar, Hilfeleistung bei Asylanträgen unter
Strafezustellenund dasRechtaufdieBe-
antragung von Asyl weiter einzuschrän-
ken, wie es 2018 im „Stop Soros“-Gesetz
beschlossen wurde. Die Behörde kriti-
siertkonkret,dassdurchdieKriminalisie-
rung das Recht der Asylbewerber verletzt
werde, „mit den einschlägigen nationa-
len, internationalen und nichtstaatlichen
Organisationen zu kommunizieren“ und
Unterstützung zu bekommen. Zudem sei
durchdieneuenVorschriftenundeineÄn-
derungderVerfassungdasRecht aufAsyl
auf unzulässige Art beschnitten worden.
DieRegierungbeschränkt es„ausschließ-
lich auf Personen, die direkt von einem
Ort, an dem ihr Leben oder ihre Freiheit
gefährdet ist, nach Ungarn kommen.“
Sollte der EuGH der Kommission Recht
geben, drohen Budapest Zwangsgelder.

Der Name „Stop Soros“ bezieht sich
auf den jüdischen US-Milliardär George
Soros, der in Ungarn geboren wurde und
den Holocaust überlebt hat. Er finanziert
mit seiner Stiftung Organisationen, die
Flüchtlingen und Asylsuchenden helfen.
DiealleinregierendeFidesz-Parteiunter-
stellt Soros seit Jahren, eine große Zahl
muslimischer Einwanderer nach Europa
zu bringen und begründet ihre Maßnah-
men damit, die „christliche Kultur“ des
Kontinentsschützenzumüssen.EineEU-
weit kritisierte Plakatkampagne diffa-
mierte Soros im Winter als dämonischen
Einflüsterer des scheidenden Kommissi-
onspräsidenten Jean-Claude Juncker.
Ärger droht Budapest auch wegen sei-
nes Umgangs mit Migranten, deren An-
träge auf internationalen Schutz abge-
lehnt wurden und die in ein Drittland
überführt werden sollen. Sie werden laut
Kommission in den Transitzonen an der
Grenze zu Serbien nicht ausreichend mit
Lebensmittelnversorgt.DieEinleitungei-
nes Vertragsverletzungsverfahrens be-
grüßt Márta Pardavi vom ungarischen
Helsinki-Komitee (HHC): „Die Entschei-
dung gibt den Asylsuchenden, unter ih-
nenFolteropfer, KinderundSchwangere,
die Chance, dass ihr Antrag in einem fai-
ren Verfahren geprüftwird.“DieHHC,die
auch von Soros unterstützt wird, hat in
dieserCausadieRegierungin16Fällener-
folgreichvordemEuropäischenGerichts-
hof für Menschenrechte verklagt.
Die Mitgliedschaft von Fidesz in der
Europäischen Volkspartei (EVP), der
auch CDU und CSU angehören, ist derzeit
suspendiert.Im Herbst soll eindreiköpfi-
ges Expertengremium entscheiden, ob
die Orbán-Partei weiter Teil der EVP sein
kann – oder nicht. matthias kolb

Die Vollstrecker


Barack Obama hatte die Anwendung der Todesstrafe auf US-Bundesebene vor fünf Jahren ausgesetzt. Nun
will Justizminister Barr die Hinrichtungspraxis wieder aufnehmen. Namhafte Demokraten protestieren

„Boris, beruhige dich mal“


30 aus 61


Sachsens Verfassungsgericht gesteht der AfD mehr Landtagskandidaten zu – das reicht der Partei aber nicht


2500


Menschen


Ungarns Regierung begründet
ihr Vorgehen mit dem Schutz
der „christlichen Kultur“

Hannover– Auf eine Beteiligung der
Nationalsozialisten am Reichstagsbrand
von 1933 deutet eine neu aufgetauchte
eidesstattliche Versicherung eines SA-
Mannes hin. Laut dem Dokument aus
den Archiven des Amtsgerichts Hanno-
ver, aus dem das Redaktionsnetzwerk
Deutschland zitiert, sagte der frühere
SA-Mann, er habe den als Brandstifter
zum Tode verurteilten Niederländer
Marinus van der Lubbe mit einem Auto
zum Reichstag gefahren. Bei der An-
kunft dort sei ihm und seinen Kollegen
aufgefallen, „dass ein eigenartiger


Brandgeruch herrschte und dass auch
schwache Rauchschwaden durch die
Zimmer hindurchzogen“. Später, so der
SA-Mann, hätten er und seine Kamera-
den gegen die Verhaftung van der Lub-
bes protestiert: „Weil nach unserer Über-
zeugung van der Lubbe unmöglich der
Brandstifter gewesen sein konnte, da ja
nach unseren Feststellungen der Reichs-
tag schon in Brand gesetzt sein musste,
als wir van der Lubbe dort ablieferten.“
Die Nazis nutzten den Brand (FOTO: SZ
PHOTO), um die Grundrechte außer Kraft
zu setzen. Wer das Feuer legte, ist bis
heute umstritten. dpa


Berlin– Eine deutliche Mehrheit in
Deutschland ist für ein Zentralabitur. In
einer Umfrage des Meinungsforschungs-
instituts YouGov in Auftrag der dpa spra-
chen sich 80 Prozent der Befragten da-
für aus, dass Abiturienten im ganzen
Land einheitliche Prüfungen vorgelegt
bekommen. Nur jeder Zehnte lehnt das
ab. Dass jedes Bundesland für Bildung
selbst zuständig ist, halten 61 Prozent
der Befragten für schlecht. Nur 28 Pro-
zent sind für den Bildungsföderalismus.
Selbst in Bayern, wo die CSU-geführte
Staatsregierung ein Zentralabitur ab-
lehnt, sprachen sich von den dort 317
Befragten 74 Prozent für einheitliche
Abi-Aufgaben aus. Nach Ansicht von
Bundesbildungsministerin Anja Karlic-
zek (CDU) müssen die Länder für eine
bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse
sorgen. dpa, kna


Orbán wehrt sich


gegen Klage


Die EU-Kommission beanstandet
Ungarns neue Asylgesetze

Der Landeswahlausschuss hatte
Verfahrensfehler moniert – und
nur 18 AfD-Bewerber zugelassen

DEFGH Nr. 172, Samstag/Sonntag, 27./28. Juli 2019 HF3 POLITIK 7


Blick durchs Zeugenfenster: Die Todeskammer im Staatsgefängnis von Oklahoma. FOTO: SUE OGROCKI, AP

Linke
27

SPD
18

Grüne
8

CDU
59
AfD
9

Fraktionslos
(Ex-AfD)
5

126
Sitze

Derzeitige Sitzverteilung


Ergebnisseder Landtagswahl 2014
Angaben in Prozent

Wenn am nächsten Sonntag
Landtagswahl in Sachsen wäre
CDU Angaben in Prozent
Linke
SPD
AfD
Grüne
NPD
FDP

39,
18,
12,
9,
5,
4,
3,

CDU AfD Linke Grüne SPD FDP FW

26 26

15

12

9

5
3

SZ-Grafik; Quelle: Sächsischer Landtag, Infratest Dimap/MDR

Tödlich zuverlässig


Quelle zu Reichstagsbrand


Mehrheitfür Zentralabitur


INLAND

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