Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 28.07.2019

(Ann) #1

  1. JULI 2019 NR. 30 SEITE 25 FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG


Geld & mehr


M – DEUTSCHE BANK IM MINUS
Am vergangenen Mittwoch hat die
Deutsche Bank mal wieder alle
überrascht. Zwar war erwartet wor-
den, dass Deutschlands bekannteste
Bank das zweite Quartal dieses Jah-
res mit Verlust abschließen würde:
Vorstandschef Christian Sewing hat-
te erst vor wenigen Wochen einen
großen Umbau des Konzerns ange-
kündigt, dem vor allem Teile des
Investmentbankings zum Opfer
fallen. Niemand aber hatte damit
gerechnet, dass der Quartalsverlust
so hoch ausfallen würde. Er beträgt
nach Steuern 3,1 Milliarden Euro.
Die Bank begründete dies mit dem
hohen Tempo, mit dem sie die
Sanierung angehe.

M – ASTON MARTIN VERLIERT
Aston Martin, der britische Herstel-
ler von Luxussportwagen, hat seine
Aktionäre in der vergangenen Wo-
che mit schlechten Nachrichten ver-
schreckt. Das Unternehmen musste
seine Absatzprognose für 2019 sen-
ken. Ein Grund dafür sind nach Fir-
menangaben die Unsicherheiten,
die mit dem bevorstehenden Brexit
einhergehen. Der Aktienkurs fiel
zeitweilig um 20 Prozent.

M + LONDONER BÖRSE KAUFT ZU
Die Londoner Börse LSE steht vor
einem großen Zukauf. Wie am
Samstag bekannt wurde, befindet
sich die Börse in fortgeschrittenen
Verhandlungen mit dem Finanzda-
tenanbieter Refinitiv, der früher zu
Thomson Reuters gehörte. Im Ge-
spräch ist ein Übernahmepreis von
27 Milliarden Dollar.
Die LSE würde so
zur Konkurrenz des
Finanznachrichten-
dienstes Bloomberg.

M +VIEL GELD FÜR SNEAKERS
Die teuersten Turnschuhe aller Zei-
ten sind vergangene Woche in
New York versteigert worden: Der
kanadische Unternehmer Miles Na-
dal zahlte auf einer Auktion 437 500
Dollar für ungetragene Sneakers
der Firma Nike. Das Unternehmen
hatte in den 1970er Jahren nur un-
gefähr zwölf Paar des sogenannten
„Moon Shoe“ angefertigt.

TOPS UND FLOPS


M – MINUSREKORD BEI ANLEIHE
Bundesanleihen mit zehnjähriger
Laufzeit haben einen neuen Nega-
tivrekord aufgestellt. Die Rendite
sank auf einen Wert von minus
0,422 Prozent. Anleger müssen dem
deutschen Staat also Geld dafür zah-
len, dass sie ihm Geld leihen.
Schuld an dieser Verdrehung der
Verhältnisse ist die Europäische
Zentralbank. Sie
hat in der vergange-
nen Woche eine
weitere Lockerung
ihrer Geldpolitik
in Aussicht gestellt.

M +VW ÜBERRASCHT
Dass die Autokonzerne schwere
Zeiten durchmachen, haben mittler-
weile alle mitbekommen. Umso
überraschender war darum, was
VW-Chef Herbert Diess (Bild) in
der vergangenen Woche verkünde-
te. VW hat gegen den
Branchentrend im ers-
ten Halbjahr fast zehn
Milliarden Euro Ge-
winn gemacht. VW
profitiert derzeit von
der Vielzahl seiner
Marken.

Quelle: Bloomberg/ F.A.Z.-Grafik pir.
?:.:.?<>; ?9.:.?<>=

in Euro



Deutsche Bank




9

=

><

;

:

7,12

10,63

B


ankberater haben nicht den bes-
ten Ruf. Wann immer die Deut-
schen nach den vertrauenswür-
digsten Berufen gefragt werden,
landen die Banker auf einem der hinte-
ren Plätze. So liegen sie bei den regelmä-
ßigen Erhebungen des Marktforschungs-
instituts GfK nicht nur weit hinter
Handwerkern, Taxifahrern, Fernsehmo-
deratoren und Schauspielern. Sondern
Bankangestellten wird hierzulande deut-
lich weniger Vertrauen entgegenge-
bracht als im europäischen Durch-
schnitt. Dass der Ruf relativ ramponiert
ist, dafür ist die Branche zum Großteil
selbst verantwortlich: Die Banker mö-
gen zwar freundlich und zuvorkommend
erscheinen und die Kunden in einem an-
sprechenden Ambiente empfangen.
Aber wenn es um das Wesentliche geht,
nämlich um die Geldanlage, dann ist der
Argwohn der Kunden aus bitterer Erfah-
rung groß.
Die Vorbehalte kommen von zwei Sei-
ten: Zum einen von denjenigen Kun-
den, die sich in Finanzdingen eher
wenig auskennen und deswegen vieles
von dem, was ihnen der Berater in
seinem Branchenjargon erzählt und
vorschlägt, nicht so recht verstehen. Im
gerade veröffentlichten Anlegerbaro-
meter der Fondsgesellschaft Union In-
vestment wünschen sich deshalb 61 Pro-
zent der Befragten in der Beratung eine
einfache Sprache ohne viele Fachbe-
griffe. Zwei Drittel vermissen, dass auf
ihre individuellen Bedürfnisse stärker
eingegangen wird.
Und dann gibt es diejenigen, die sich
lieber eigenständig um ihre Geldanlage
kümmern und eher auf Hinweise aus
der Familie, dem Freundeskreis oder
den Medien hören, als in eine Bankfilia-
le zu gehen und sich vermeintlich in die
Irre führen zu lassen. Denn die Berater,
so das gängige Urteil der selbstbewuss-

ten Anleger, seien vor allem Verkäufer
und wollten den Kunden nur Produkte
aus dem eigenen Haus oder der eigenen
Finanzgruppe aufschwatzen oder teure
Zockerpapiere als tolle Insidertipps ver-
kaufen.
Dass eine solche verkappte Beratung
gehörig schiefgehen kann, zeigte beson-
ders schmerzhaft die Finanzkrise im ver-
gangenen Jahrzehnt. Damals hatten Bera-
ter den Kunden massenhaft Zertifikate
der Investmentbank Lehman Brothers
ans Herz gelegt. Die Bank ging 2008 be-
kanntlich pleite, das Geld war futsch.
Und jetzt kommt die Überraschung.
Neueren Studien zufolge muss den Spa-
rern nämlich gar nicht bange sein vor ei-
nem Gespräch in der Bankfiliale. Sowohl
aus der Marktforschung wie der Wissen-
schaft kommen ermutigende Signale: So
schlecht, wie die Bankberatung gemacht
wird, ist sie gar nicht. Denn die nach den
üblen Erfahrungen aus der Finanzkrise
eingeführte Regulierung hat dazu ge-
führt, dass sich eine Beratung in der Filia-
le lohnen kann. Sogar für erfahrene Anle-
ger, die über ihr Portfolio am liebsten ei-
genständig entscheiden.
Die Zeit, in der ein Berater sich als ge-
wiefter Ideengeber gerieren konnte und
das Portfolio des Kunden so aussah wie
sein eigenes, ist vorbei. Inzwischen, so ha-
ben Stichproben in den Filialen wie Stu-
dien in der Finanzwissenschaft ergeben,
werden Wünsche und Bedarf der Kun-
den weitgehend zielgerecht analysiert.
Es gehe nicht mehr vorrangig darum, ir-
gendwelche Wertpapiere zu verkaufen.
Nach den Skandalen der Vergangenheit

hätten die Banken die ihnen auferlegten
Hausaufgaben gemacht, sagt Andreas
Hackethal, Finanzprofessor an der Frank-
furter Goethe-Universität: „Der Bera-
tungsprozess ist heute in hohem Maße
standardisiert, so dass der Risikowunsch
des Kunden und das Risiko im Portfolio
weitgehend übereinstimmen.“ Anders
ausgedrückt: Den Anlegern wird nahege-
bracht, dass eine höher erwartete Rendi-
te nicht ohne ein höheres Risiko zu ha-
ben ist. Infolgedessen bekommen sie in
der Regel Produkte empfohlen, die ihrer
Risikoneigung entsprechen.
Dass er ein sehr positives Bild der
Bankberatung zeichnet, ist Hackethal
wohlbewusst. Blauäugigkeit kann man
ihm indes nicht vorwerfen. Er hat sich
mit drei Ko-Autoren in Unmengen jener
Protokolle vertieft, die Bankberater in-
folge der Finanzkrise seit 2010 über jedes
Gespräch führen und dem Kunden da-
nach vorlegen müssen. In den Aufzeich-
nungen von 17 000 Gesprächen, die 544
Berater einer repräsentativen deutschen
Bank mit 6204 Privatanlegern geführt ha-
ben, sind die Wissenschaftler allerdings
nicht nur auf Gutes gestoßen, sondern
auch auf manche Tücke.
Wie aus den Beratungsprotokollen
hervorgeht, suchen nicht nur unsichere,
eher passive Kunden das Gespräch in
der Bankfiliale, sondern auch erfahrene-
re Anleger mit genauen Vorstellungen.
Letztere sind bei ihrer Suche nach Ren-
dite selbst auf eine Aktie oder einen spe-
zielle Anleihe gestoßen, über die sie sich
mit dem Berater austauschen wollen.
Beispielsweise hatte ein Privatanleger be-
sonders genaue Vorstellungen, wollte

laut Protokoll 18 000 Euro in eine jamai-
kanische Anleihe investieren. Einige sol-
cher extravaganter Ideen trugen aller-
dings kaum etwas dazu bei, ein Portfolio
besser aufzustellen.
Sich eine zweite Meinung einzuholen
ist prinzipiell sinnvoll. Wie der Bonner
Wirtschaftsprofessor Hans-Martin von
Gaudecker in einer Studie repräsentati-
ver niederländischer Daten dargelegt
hat, treffen Anleger, die einen Vertrau-
ten zu Rate ziehen, bessere Entscheidun-
gen als nicht beratene Anleger: Ihre Ren-
diten waren im Schnitt höher; selbst bei
denen, die schon einiges an Finanzwis-
sen mitbrachten. Dass „aktive Trader mit
eigenen Ideen und Do-it-yourself-Trans-
aktionen im Schnitt nicht besser fahren“,
hat auch Hackethal festgestellt.
Die Mehrheit der Bankkunden, so zei-
gen es die ausgewerteten Protokolle, hat
keine genauen Vorstellungen, sondern er-
hofft sich einfach nur Rat, wie sie ihr
Geld anlegen kann. In vier von fünf Fäl-
len folgen die Kunden den Empfehlun-
gen ihres Beraters, was ein sehr hoher
Wert ist. Das hat zum einen den positi-
ven Effekt, dass ihre Depots über Aktien
und Anleihen und womöglich Rohstoffe
und Gold breit aufgestellt sind. Also di-
versifiziert sind, wie es im Finanzjargon
heißt. Der Grund hierfür ist relativ sim-
pel: Berater empfehlen vor allem Misch-
fonds, die aktiv verwaltet werden und an
sich schon über die Anlageklassen diversi-
fiziert sind. Das Gute ist laut Hackethal:
„Die Anleger haben keinen Dschungel
an Wertpapieren.“ Allerdings empfahlen
Berater oft ähnliche Produkte, aus dem
schier grenzenlosen Anlageuniversum rie-

ten sie überwiegend zu nur 50 verschiede-
nen Fonds. Auch das ist eine Folge der
Standard-Beratung.
Dazu kommen die Kosten. Wer sich
auskennt, kann sich ein gutes Depot zu
relativ geringem Preis zusammenstellen,
indem er ETF kauft. Diese Fonds fol-
gen schlicht der Wertentwicklung eines
Indexes wie des Dax, und weil dafür
kein Management nötig ist, sind sie ent-
sprechend günstig. ETF werden von Be-
ratern allerdings nicht empfohlen, son-
dern nur aktiv verwaltete Fonds, gerne
aus dem eigenen Bankhaus oder der eige-
nen Gruppe.
Dass Kosten die Rendite schmälern,
spielte in den Beratungsprotokollen
kaum eine Rolle. Die Kunden nahmen
Ausgabeaufschläge offenbar klaglos in
Kauf. Ins Auge fällt, dass eher unbedarf-
te Kunden für ihre Käufe 1,22 Prozent
Gebühren bezahlen und damit kaum
mehr als Anleger, die erfahrener sind
(1,14 Prozent). Der geringe Unterschied
liegt in der Regel daran, dass Anleger
mit eigenen Vorstellungen riskantere
Produkte kaufen, die mit höherem Ma-
nagementaufwand verbunden sind, wo-
hingegen passive Anleger zu Mischfonds
neigen. „Die Kosten der Beratung sind
hoch“, sagt Hackethal. Zu hoch? Immer-
hin bekämen Anleger dafür einen Bera-
ter, der ihnen im besten Fall Gemütsru-
he verschafft. Oder, wenn die Rendite
eher schmal oder ganz ausfällt, als Prü-
gelknabe im übertragenen Sinne herhal-
ten müsse.
Auch wenn die Regulierung nach der
Finanzkrise recht positiv wirkte: Seit An-
fang 2018 die überaus strikten Finanz-
marktregeln in Kraft traten, die unter
dem Namen Mifid II berühmt-berüch-
tigt sind, werden Anleger geradezu ge-
gängelt. Eine Aktie bekommen sie kaum
noch empfohlen, viele müssen fast dar-
um kämpfen, um ein solches Wertpa-
pier in der Bank zu kaufen. Zertifikate
dagegen bekommen vor allem Sparkas-
senkunden ans Herz gelegt. Verbrau-
cherschützer bemängeln zwar, dass diese
Wetten auf Börsenindizes und Einzelak-
tien für viele Privatanleger schwer zu
durchschauen sind. Dennoch verkaufte
die Fondsgesellschaft Deka, die zur Spar-
kassengruppe gehört, im vergangenen
Jahr Zertifikate für 5,7 Milliarden Euro
und damit mehr als Anteile an Wertpa-
pier- und Immobilienfonds. Die Berater,
so heißt es von den Sparkassen, würden
diese Papiere heute viel besser erklären
als vor der Finanzkrise. Ob die meisten
Anleger damit gut beraten sind, ist eine
andere Frage.

In der Finanzkrise


haben Bankberater


ihren Ruf ruiniert.


Dabei ist ihr Rat


gut – nur leider


teuer.


Von Thomas Klemm


Bankberater sind gar nicht so übel


Illustration Getty

Das sind die beliebtesten
Anlageprodukte der Deutschen

Darum gehen Anleger
zum Berater

Das bezahlen Anleger
für ihr Portfolio
Umfrage-Ergebnis, 2018 Anteil der Rechtfertigungen Durchschnittliche Gebühren in Prozent der Kaufsumme

Sparkonto/-plan Gemütsruhe zweite Meinung höhere Rendite alle Käufe mit Beratung ohne Beratung

Fondsanteile

Immobilien

Aktien

Tagesgeld

Festgeld

Gold
festverzinsliche
Wertpapiere
andere Edelmetalle

Mehrfachnennungen möglich. Nur Personen, die Geld angelegt haben. Quellen: Bankenverband; Hackethal et al. / F.A.Z.-Grafik Piron

Kryptowährungen Anleger ohne Vorwissen Anleger mit Vorwissen

1/%

-1%

1% 1%

1.%

,%
1%

0,0

0,.

*,+

0,*

0,0

*,,

Anleger ohne Vorwissen Anleger mit Vorwissen

1-%

.,%

.,%

.-%

.*%

0-%

/%

,%

1%

AB SEITE 30SPORT
Free download pdf